Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Moréndas Rache

von Celebne

Das Kindermädchen

Als Mórenda in den Hof des prächtigen Anwesen ritt, das in den sanften Hügeln Emyn Arnen lag, war sie sich sicher, dass ihr Racheplan klappen würde. Éowyn würde sie bestimmt nicht erkennen, denn Mórenda hatte damals, als sie sich im Kampf begegneten, einen Helm getragen, der ihr Gesicht zur Hälfte bedeckte. Außerdem war das Ganze schon länger als ein Jahr her.
"Was wollt Ihr hier, Frau?", fragte Beregond, Faramirs Leibwächter, misstrauisch und rückte seinen Schwertgürtel zurecht.
"Ist schon gut", rief Faramir, der gerade aus dem Haus  trat. Er blickte Mórenda mit einem freundlichen Lächeln an, und Mórenda wurde es plötzlich ganz warm ums Herz. Faramir sah aber auch verdammt gut aus mit seinen wunderschönen, langen rotblonden Haaren, dem Bart und  den blauen Augen. Sie schluckte und räusperte sich.
"Ich hörte, dass hier ein Kindermädchen gesucht wird", krächzte sie schließlich. Am liebsten hätte Mórenda sich geohrfeigt: normalerweise benahmen sich so halbwüchsige Mädchen, aber keine 1500 Jahre alte Zauberinnen aus dem Istari-Geschlecht.
"Junge Frau, Ihr steht hier vor dem Statthalter Gondors", fuhr Beregond Mórenda erbost an. "Meint Ihr etwa, er wird irgendein dahergelaufenes Mädchen wie Euch nehmen?"
Mórenda sah ihn mit blitzenden Augen an: mit Beregond würde sie auch noch ein Hühnchen zu rupfen haben, das stand schon jetzt für sie fest.
"Beregond!", beruhigte Faramir lachend seinen Leibwächter. "Du verängstigst mir ja das Mädchen noch ganz mit deiner burschikosen Art."  Er wandte sich an Mórenda:
"Könnt Ihr denn mit kleinen Kindern umgehen?"
"Natürlich", versicherte Mórenda. "Ich habe zwei  jüngere Geschwister praktisch allein großgezogen".  Faramir sah sie prüfend an. Doch Mórenda konnte als geübte Zauberin seinem Blick standhalten. Sie merkte sofort, dass hinter der freundlich-gütigen Art des Statthalters ein scharfsinniger Verstand steckte. Wenn sie sich nicht geschickt genug anstellte, würde er schnell hinter ihre List kommen.
"Ich glaube, meine Frau sollte an der Entscheidung teilhaben", meinte Faramir schließlich und führte sie in das geräumige Haus. Éowyn lag immer noch geschwächt im Bett. Eine alte Amme wiegte das Baby in ihren Armen. Als Faramir Mórenda hereinbrachte, setzte sich Éowyn erschrocken im Bett auf und legte einen Wollschal um ihre Schultern. Es ziemte sich nicht für die Herrin des Hauses, Besuch in einem Schlafkleid zu empfangen.
"Das ist Mórenda", stellte Faramir die junge Zauberin seiner Frau vor. Èowyn gab ihr schwach die Hand.
"Sie will als Amme bei uns arbeiten".
"Wo kommst du her, Mórenda?", wollte Éowyn wissen.
"Ich komme aus Anórien", log Mórenda.
"Seltsam", meinte Éowyn müde lächelnd. "Du sprichst eher mit nördlichem Akzent, möchte man meinen".
"Das kommt daher, weil ich mit meinem Vater viel auf Reisen in den Nordgefilden war", fuhr Mórenda schnell fort.
"Verzeih unser Misstrauen", sagte Faramir freundlich, "aber wenn du dich um unseren Sohn kümmern willst, müssen wir schon Einiges über dich wissen".
"Das verstehe ich", erwiderte Mórenda und versuchte ein Lächeln. Sie hätte Éowyn am liebsten gleich auf der Stelle erwürgt. Die Narbe ihrer Schulterwunde begann plötzlich zu schmerzen. Wehe dir, Éowyn, dachte Mórenda grimmig.
"Ich würde jetzt gerne noch ein wenig schlafen", sagte Éowyn erschöpft.
"Natürlich, meine Liebste", sagte Faramir zärtlich zu ihr und küsste sie auf die Wange.
Mórenda packte jetzt die Eifersucht: warum verschwendete dieser attraktive, blonde Mann sein Herz an diese halbwilde Éorlinga? Sie ballte die Faust hinter Faramirs Rücken.
Anschließend geleitete Faramir Mórenda wieder hinaus.
"Wie werdet Ihr Euch nun entscheiden?", fragte sie atemlos.
"Wenn Éowyn wieder erwacht ist, werden wir eine Entscheidung treffen", sagte Faramir und lächelte sie aufmunternd an. "Ich denke, es spricht nichts dagegen, Euch anzustellen".
Als Éowyn einige Stunden später erwachte, ließ sie Faramir zu sich rufen. Er setzte sich an ihr Bett, ergriff ihre Hand und küsste sie.
"Nun, was denkst du, Liebste? Sollen wir Mórenda bei uns aufnehmen?"
Éowyn stricht sich eine Haarsträhne aus ihrem immer noch blassen Gesicht.
"Ja, warum nicht", sagte sie schließlich langsam. "Aber irgendwie kommt sie mir bekannt vor. Ich weiß nur nicht, wo ich sie schon einmal gesehen haben könnte. Ach, vielleicht nur in einem Traumgebilde". Der kleine Ecthelion begann lauthals zu brüllen.
"Er hat schon wieder Hunger", seufzte Éowyn und setzte sich auf. Faramir holte den Kleinen vorsichtig aus der Wiege und gab ihn seiner Frau zum Stillen.
Derweil schlenderte Mórenda im Garten des Anwesens herum. Vor einer großen Marmorstatue, die einen Krieger darstellte, blieb sie stehen. Neugierig betrachtete sie die Statue. Zuerst hatte sich gedacht, es handelte sich um ein Darstellung von Faramir. Doch dann sah sie, dass die Gesichtszüge anders waren. Stolz und grimmig, aber doch edel. Mórenda las die Inschrift am Fuße der Statue: "Im Gedenken an meinen geliebten Bruder Boromir, gefallen im Kampf für die Ringgemeinschaft  am Amon Hen".  Mórenda erinnerte sich noch gut daran, wie ihr Bruder Saruman damals die Uruk-Hai zu den Rauros-Fällen losgeschickt hatte, um den Ringträger zu fangen. Dieser Boromir hatte anscheinend versucht, dies zu vereiteln.
Schade um diesen wohlgeratenen Krieger', dachte Mórenda etwas wehmütig und betrachtete noch einmal die Statue.  Sie spazierte weiter durch den Garten und entdeckte einige interessante Kräuter. Ihre Freundin, die Hexe Celebratwen, hatte ihr in Angmar damals gezeigt, was man für Tränke aus bestimmten Kräutern brauen konnte. Mórenda lächelte kalt:
Sie hatte schon wieder eine Idee. Einige der Kräuter, die im Garten wuchsen, waren giftig. Wenn man sie in kleinen Dosen einem Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg verabreichte, konnte man ihn so unbemerkt töten. Sie pflückte einige der Kräuter und verbarg sie unter ihrem Mantel.
Als sie wieder ins Haus kam, ließ Faramir sie zu sich rufen. Vermeintlich schüchtern betrat Mórenda das Kaminzimmer, wo sich Faramir aufhielt. Sie hielt demütig den Kopf gesenkt.
"Nun, Mórenda, wir sind zu dem Entschluß gelangt, dass wir dich als Kindermädchen bei uns aufnehmen werden", meinte Faramir freundlich.
"Tausend Dank, Herr Faramir!", rief Mórenda freudig. Am liebsten hätte sie ihren neuen Herrn auf der Stelle umarmt.
"Du kannst dich gleich nützlich machen, wenn du willst", sagte Faramir ,über die Freude des Mädchens schmunzelnd. Mórenda eilte aus dem Zimmer. Als sie Richtung Schlafzimmer lief, ballte sie siegesgewiß ihre Faust. Dann räusperte sie sich und klopfte an.
Éowyn rief sie müde herein.
"Braucht Ihr irgendwas, Herrin? Etwas zu trinken? Ich kann Euch einen Tee machen, wenn Ihr wollt", bot Mórenda eifrig an.
"Ich habe eigentlich keinen Durst", sagte Éowyn matt.
"Als stillende Mutter müsst Ihr aber viel trinken", mahnte Mórenda.
"Ja, du hast wohl recht", seufzte Éowyn. "Dann bring' mir einen Tee aus der Küche".
Mórenda bereitete den Tee für Éowyn selbst zu und rieb heimlich ein wenig von den Giftkräutern hinein. Dann brachte sie ihrer neuen Herrin das Gebräu.
Éowyn trank ein wenig von dem Tee und gab Mórenda müde wieder die Tasse.
"Ihr müsst schon ein wenig mehr trinken, Herrin!", ermahnte Mórenda sie.
"Aber nur noch einen kleinen Schluck", murmelte Éowyn. Jetzt war Mórenda zufrieden und verließ mit dem fast leeren Becher den Raum.

Rezensionen