Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Einzug ins Fürstenhaus

Eardon und Beleg führten ihren Auftrag mit großer Sorgfalt aus: der König hatte sie angewiesen, Areanor außer Landes zu bringen. Sie beschlossen, das Mädchen im Grenzgebiet zwischen Anórien und Rohan auszusetzen. Vielleicht konnte sie sich ja in einem Dorf im nahen Rohan als Magd durchschlagen. Sie wollten nicht so grausam sein, und Areanor in der Wildnis zurücklassen, wo sie mit Sicherheit bald sterben würde.

Als die kleine Reitergruppe an Cair Andros vorübergeritten war, schlossen sich ihnen einige nicht sehr vertrauenswürdig wirkende Händler an. Sie behaupteten, ebenfalls nach Anórien reiten zu müssen. Die Soldaten willigten schließlich schweren Herzens ein. Areanor, die immerzu gefesselt war, blickte immer wieder die Händler flehend an. Doch sie schienen keine große Notiz von ihr zu nehmen. In Anórien verließ die seltsame Truppe die drei Reiter wieder. Doch weder Eardon noch Beleg ahnten, dass diese sogenannten Händler Ohtars Handlanger waren.

Eines Nachts, kurz vor der Grenze zu Rohan, erwachte Areanor von einem großen Geschrei. Entsetzt sah sie, dass ihre beiden Wärter tot am Boden lagen, von vielen Orkpfeilen durchbohrt. Einige vermummte Männer kamen auf sie zu, und zwangen sie, Männerkleidung anzuziehen. Einer von ihnen nahm dann ihre Kleidung, zerriß sie, und befleckte sie mit dem Blut der toten Soldaten. Areanor tat aus Angst alles, was die Männer sie hießen. Sie wusste ja noch nicht, dass diese Rettungstat von ihrem Vater ausging. Das Mädchen fürchtete, an Sklavenhändlern geraten zu sein. Erst als der Anführer der Mörder ankündigte, sie nach Ithilien zu ihrem Vater zu bringen, fiel ihr ein Stein vom Herzen.


Niemand ahnte, als man Wochen später die sterblichen Überreste der Soldaten im Grenzgebiet fand, und dazu Areanors zerrissenes Kleid, dass dies ein gerissener Plan des ehemaligen Edelmannes war. In Männerkleidung war Areanor zurück auf das Landgut Findáráto gelangt, wo inzwischen schon eine kleine Blockhütte zum Wohnen errichtet war. Pelendir musste vorsichtig vorgehen, damit man Areanor nicht für seine Tochter hielt. Sie färbte sich die braunen Haare ganz schwarz und trug ärmliche Kleidung, als wenn sie eine Magd wäre. Pelendir hatte einen großen Teil seines Vermögens geopfert, um seine Tochter zurückzuerhalten und er musste schweren Herzens erst einmal die Arbeit an der Wiederrichtung seines alten Landhauses einstellen, bis er wieder zu Geld kam.

Doch er hatte noch keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte: sein ganzes Leben lang hatte er von den Erträgen seiner Pächter gelebt. Aber die Pächter waren nicht nach Ithilien zurückgekehrt. Sie waren kurz vor dem Ringkrieg aus dem schönen, grünen Land geflohen und es würde wahrscheinlich dauern, bis sie wiederkehren würden. Der Krieg war noch zu frisch in den Erinnerungen der Menschen und die meisten von ihnen waren tief in das Landesinnere oder an die Küste geflüchtet.
So hatte Pelendir momentan nur einen taubstummen Knecht, der ihm auf dem Landgut half und die gröbsten Arbeiten verrichtete. Der ehemalige Edelmann machte sich Sorgen, da der Winter nahte und er nicht wusste, wie er sich, Areanor und den  Knecht Aiglos über Wasser halten sollte.

*

Im Spätherbst kehrten Faramir und Éowyn aus Rohan zurück. Nachdem ihnen ein Bote übermittelt hatte, dass das Fürstenhaus in den Emyn Arnen vollständig wiedererrichtet war, beschloß das frisch verheiratete Paar, nach Gondor zurückzureisen. Éowyn zuliebe verzichtete Faramir erst einmal auf einen Besuch in Minas Tirith. Das hatte noch einige Tage Zeit. Auf dem Weg in die Emyn Arnen kam das Fürstenpaar mit seinem Gefolge auch an Pelendirs Landgut vorbei, das momentan nur aus den brachliegenden Feldern und der ärmlich wirkenden Hütte bestand.

Als Areanor sah, wer da angeritten kam, flüchtete sie sich sofort ins Haus. Pelendir jedoch fuhr fort, zusammen mit Aiglos Kartoffeln und Rüben vom Acker zu ernten. Diese Feldfrüchte würden wohl ihre Hauptnahrung im Winter bilden. Faramir ritt absichtlich in der Nähe des Feldes vorbei und begutachtete den arbeitenden Pelendir. Dieser hob den Kopf und starrte den jungen Fürsten wütend an. Niemand sprach ein Wort. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Éowyn hoffte im Stillen, dass auch weiterhin niemand redete. Sie wollte nichts mehr von Pelendir und seiner verfluchten Sippschaft hören.
„Komm, Faramir, ich möchte nach Hause“, sagte sie leise zu ihrem Gemahl.
Sie hörte, wie dieser scharf einatmete und sein Pferd schließlich vom Acker Pelendirs weglenkte.

„Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass dieser Mensch in unserer Nähe haust“, meinte Faramir ungehalten, als sie ein Stück von dem Landgut entfernt waren und den Hügel zum Fürstenhaus hinaufritten.
Éowyn drehte sich noch einmal im Sattel um. Das kleine Häuschen lag jetzt schon weit entfernt in der Abendsonne. Es wirkte sehr ärmlich. Pelendir war wohl genug bestraft mit diesem jämmerlichen Dasein.
„Er wird sich das nicht auf Dauer bieten lassen“, fuhr Faramir ärgerlich fort. „Du wirst sehen, dass er uns wieder irgendwann Schaden zufügen wird. Das mit seiner Tochter hat er ja überraschend leicht weggesteckt. Mein Herz sagt mir, dass da etwas faul ist, und ich werde das noch herausfinden.“
„Aber nicht jetzt, mein Lieber“, bat ihn seine Gemahlin sanft. „Laß uns erst einmal in Ruhe in unser neues Heim einziehen.“

Das Fürstenhaus war wunderschön anzuschauen. Der König von Gondor hatte keine Kosten und Mühen gescheut, damit sich das junge Truchseß-Paar dort oben in den Emyn Arnen wohlfühlen konnte. Das weißglänzende Gebäude mit den vielen Zinnen, Balkonen und Türmchen sah aus wie ein kleiner Palast. Umgeben war es von einer hohen Wehrmauer. Noch innerhalb der Mauer lag ein großer Garten. Zu seiner Überraschung stellte Faramir fest, dass einige Waldelben bereits dort arbeiteten. Siriondil und Arvaleg waren zwei Gärtner des Königs Thranduils von Eryn Lasgalen. Sie waren von Legolas beauftragt worden, sich um die Gärten des Fürsten von Ithiliens zu kümmern.
„Das ist alles so wundervoll hier!“ rief Éowyn erfreut aus und schmiegte sich an Faramir.

Der junge Fürst nahm seine Gemahlin an die Hand ging mit ihr nun zu den Elben, um sich bei ihnen für die Arbeit zu bedanken.
„Wie kann ich Euch entlohnen, Ihr fleißigen Waldelben?“ fragte er sie verlegen.
„Es ist uns Lohn genug, hier in diesem schönen Land arbeiten zu dürfen“, sagte Siriondil lächelnd und sein Gefährte pflichtete ihm bei. „Schon bald wird Prinz Legolas mit seinem Gefolge nach Ithilien ziehen. Weiter südlich wird gerade eine Siedlung errichtet.“


Pelendir beobachtete mit Argwohn, wie mehr und mehr Elben nach Ithilien zogen. Da der Hauptweg an seinem Landgut vorbeiführte, konnte er genau zählen, wie viele Mitglieder des Schönen Volkes hier ankamen. Während die verkleidete Areanor verzückt die anmutigen Wesen beobachteten, die auf edlen Pferden vorüberrritten, wurde das Gesicht ihres Vaters immer verdrießlicher.
„Ich habe schon über hundert Elben gezählt“, sagte er grimmig zu seiner Tochter. „Was wollen die alle hier? Ithilien gehört immer noch den Menschen. Unser neuer König aber ist offensichtlich ein Freund dieses Volkes. Ich wette, seine Gattin möchte möglichst viele Elben in Gondor um sich haben. Auch Faramir, unser Todfeind, ist ein Elben-Bewunderer. Bald wird es hier mehr Unsterbliche als Sterbliche geben. Sie werden aus unserem schönen Land einen verwunschenen Elbenwald zaubern, und schon bald werden wir Ithilien nicht mehr wiedererkennen.“

Pelendir aber wusste nicht, dass die Elben aus dem Grund nach Ithilien zogen, weil sie dort die Nähe des Meeres spürten, denn sie alle sehnten sich nach Elbenheim zurück, das jenseits des Meeres lag.
Die Laune des ehemaligen Edelmannes wurde täglich schlechter, und als eines Tages eine neue Waldelbengruppe an seiner Hütte vorüberritt, packte er seine Mistgabel und stellte sich dem Schönen Volk in den Weg.
„Jetzt reicht es!“ bellte er die Elbensippe wütend an. „Ithilien ist nicht das Land der Waldelben. Schert Euch in den Düsterwald zurück.“
Edrahil, ein Elb mit hüftlangen, hellbraunen Haar und schönen Gesichtszügen hob beschwichtigend die Hand.
„Beruhigt Euch, mein Herr“, sagte er sanft mit seiner melodischen Elbenstimme. „Wir haben nicht vor, Ithilien den Menschen wegzunehmen. Man sagte uns, in diesem Land sei Platz genug für uns alle. Wir stehen unter dem Schutz von Fürst Faramir, ebenso hält der König von Gondor seine segensreiche Hand über uns. Ihr werdet unsere Anwesenheit gar nicht bemerken, mein Herr. Wir Elben lieben die Abgeschiedenheit der Wälder und wir wollten niemanden stören.“

„Das glaube ich Euch nicht!“ schnaubte Pelendir zornig auf. „Niemand hat mir mitgeteilt, dass dieses Land von Elben bevölkert wird. Das Ganze sieht nach einem persönlichen Rachefeldzug von Fürst Faramir aus, der mich nur ärgern will.“
Areanor, welche die Szene, hinter einem Holzstoß verborgen, mitangesehen hatte, fasste sich nun ein Herz und schritt ein.
„So beruhige dich doch, Vater“, sagte sie zu Pelendir. „Merkst du denn nicht, dass diese Wesen friedliche Absichten haben? Laß sie ziehen und kümmere dich nicht um sie.“

Sie nickte den Elben freundlich zu und riet ihnen, weiterzureiten, während sie ihren Vater sanft von der Straße herunterzog.
„Wie konntest du mich in aller Öffentlichkeit ‚Vater’ nennen, du dummes Ding!“ schalt Pelendir sie. „Dieser Waldelb könnte jederzeit Legolas oder Faramir Bericht erstatten, und dann ist dein Leben verwirkt und meines wohl dazu.“
„Sollte jemand mich suchen, kann ich mich in unserem alten, ausgetrockneten Brunnen verstecken“, meinte Areanor gelassen. „Ich habe keine Angst vor ihnen. Nicht mehr!“
Pelendir wies auf den taubstummen Knecht, der draußen auf dem Rübenacker arbeitete.
„Er könnte uns jederzeit verraten, auch wenn er nicht reden kann“, sagte er verbittert. „Ich hoffe, Aiglos merkt niemals, dass du meine Tochter bist.“

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