Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Éowyn in Gefahr

An jenem Spätherbstnachmittag, der viel zu warm für die Jahreszeit war und an welchem obendrein sonniges Wetter herrschte, bekam Éowyn Lust auf einen Ausritt. Sie hatte zwar gerne darauf verzichtet, ihren Gemahl nach Minas Tirith zu begleiten, doch als sie sah, dass der morgentliche Nebel sich verzogen hatte und die Sonne durch die Wolken stieß,  eilte sie rasch zu den Stallungen des Fürstenhauses und ließ sich Windfola, ihre treue Stute, satteln. Sie ritt langsam den Hügel hinab, auf welchem das Fürstenhaus lag, und beschloß in die Wälder zu reiten und das bunte Herbstlaub zu betrachten.

Faramir hatte einige Soldaten der Weißen Schar mitgenommen als Geleitschutz, Éowyn jedoch verzichtete leichtsinnigerweise darauf. In Rohan war sie auch stets ohne Leibwächter herumgeritten. Sie dachte nicht im Traum daran, dass ihr etwas zustoßen könnte. Ihr Schwert jedoch hatte sie jedoch immer dabei aus alter Gewohnheit. Ein Lied vor sich hinsummend streifte sie auf Windfola sitzend durch die Wälder und atmete die frische Herbstluft tief ein. Leider vergaß sie ganz auf die Zeit und plötzlich war der Abend da. In der Ferne hörte sie das Glöckchen des Fürstenhauses läuten: das war die Zeit, zu welcher die Mägde und Knechte ihr Tagewerk niederlegten.

Die Schatten unter den Bäumen wurden länger und Éowyn begann zu frösteln. Sie zog ihren braunen Mantel mit den pelzbesetzten Säumen über, bevor sie weiterritt. Es wurde rasch dunkel.  Gerade als sie die Hügel der Emyn Arnen dicht vor sich gewahrte, entdeckte sie den Reitertrupp, der direkt auf sie zuhielt. Windfola begann unruhig zu werden und tänzelte auf der Stelle. Éowyn lenkte sie ein wenig zur Seite, damit die fremden Reiter vorbeikonnten, aber  die Männer machten überhaupt keine Anstalten dazu. Der Anführer der Truppe brachte sein Pferd direkt vor der Fürstin zum Stehen.
„Wen haben wir denn da?“ spottete er belustigt. „Ist das nicht die blonde Herrin von Ithilien oder ist’s eine Elbin von Eryn Lasgalen?“
„Könnt Ihr Mensch und Elb nicht unterscheiden?“ fragte Éowyn ärgerlich. „Und jetzt lasst mich bitte weiterreiten, meine Herren.“

Doch Ohtar griff in die Zügel von Windfola und schüttelte mit einem bedauernden Lächeln den Kopf.
„Tut mir leid, meine Dame, aber das kann ich leider nicht. Ihr seid wahrscheinlich die einzige Möglichkeit für uns, aus einer unangenehmen Situation unbehelligt herauszukommen.“
Éowyn verstand nicht, was er meinte.
„Ich würde Euch ja gerne helfen, aber dazu wäre es nett, die Zügel meines Pferdes loszulassen“, sagte sie ungehalten und versuchte, Ohtars Hände wegzuzerren.
Die anderen Reiter umzingelten jetzt die Fürstin.

„Ihr werdet uns jetzt brav in Euer schönes Fürstenhaus mitnehmen, meine Dame, oder Ihr seid verloren“, drohte Ohtar plötzlich finster.
Éowyn hatte im Handumdrehen ihr Schwert gezogen und sah sich mit blitzenden Augen um.
„Kommt mir nicht zu nahe, oder Euch wird es schlecht ergehen!“ rief sie den Männern böse zu.

„Seid vernünftig, Éowyn!“ rief der Anführer ihr unwillig zu. „Wir wollen Euch nicht verwunden oder gar töten. Steckt Euer Schwert weg! Wir sind in der Überzahl.“
Er gab seinen Männern einen Wink und sie zogen auch ihre Waffen. Einer von ihnen legte einen Pfeil auf seinen Bogen auf. Éowyn begann wütend mit den Verbrechern zu kämpfen. Am Anfang gelang es ihr recht gut, die Schwerthiebe der Kerle zu parieren. Niemand von ihnen hatte erwartet, dass solch eine zarte Frau wie die Fürstin so gut kämpfen konnte. Nur Ohtar hielt sich zurück. Er wusste, dass die Geschichte mit dem Hexenkönig  schließlich nicht erfunden war. Einer der Männer sackte mit einer blutigen Schramme an der Stirn vom Pferd. Ein anderer verlor einen Finger. Dem Anführer blieb nichts anderes übrig: Éowyn musste auf die brutale Art Einhalt geboten werden. Er gab dem Bogenschützen einen Wink und dieser schoß einen Pfeil auf Éowyns rechten Oberarm. Der Pfeil traf sein Ziel und die Fürstin ließ mit einem schmerzhaften Laut das Schwert fallen.

„Ihr Feiglinge!“ zischte sie wütend.
Doch schon wurde sie gepackt und vom Pferd gezerrt. Ohtar brach grinsend den Pfeilschaft dicht über der Wunde ab.
„Ihr hättet Euch diesen Ärger wirklich ersparen können, Fürstin. Aber nun werdet Ihr große Schmerzen erdulden müssen wegen dieses dummen Pfeils.“
„Das macht mir überhaupt nichts aus“, stieß Éowyn zornig hervor.
Ohtar zerrte sie lachend vor sich auf sein Pferd. Der ganze Trupp ritt hinauf zum Fürstenhaus.

Beregond, der Wächter des fürstlichen Anwesens, sah gerade noch rechtzeitig, dass hier etwas nicht stimmte, und gab den Befehl, das Tor zu verschließen, als er die fremden Reiter nahen sah. Doch dann sah er die Herrin des Hauses halb ohnmächtig auf dem Pferd des Anführers sitzen und er ließ das Tor wieder öffnen. Ein gewaltiger Fehler, wie sich herausstellen sollte.
„Was ist geschehen?“ rief Beregond Ohtar entsetzt zu. „Warum ist die Fürstin verwundet?“
„Eine Falle...Beregond....“, stammelte Éowyn benommen.
Doch Ohtar hielt ihr rasch den Mund zu. Beregond aber hatte genug gehört und er zog wütend sein Schwert. Die restlichen Soldaten der Weißen Schar, die noch anwesend waren – und es waren leider zu wenige -  zogen ebenfalls ihre Schwerter.
„Haltet ein!“ krächzte die Fürstin mit letzter Kraft. „Wir müssen aufgeben, Beregond. Es sind...zu viele.“
Sie sackte ohnmächtig zusammen.

„Ergebt euch, oder euere Herrin stirbt!“ schrie Ohtar die Soldaten wütend an und setzte der bewusstlosen Éowyn einen Dolch an die Kehle.
Beregond warf sein Schwert erschrocken weg und hielt seine Hände hoch, ebenso taten es seine Soldaten.
Ohtar wies einige seiner Männer an, die Handvoll Soldaten in ihre Unterkünfte einzusperren. Auch das Gesinde wurde bis auf wenige Ausnahmen in die Ställe gejagt und diese verriegelt. Ohtar wollte möglichst wenig Scherereien haben. Er stieg jetzt vorsichtig vom Pferd und nahm die besinnungslose Éowyn wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter.
„Los, in das Hauptgebäude hinein!“ kommandierte er seine Männer. „Ich will erst einmal etwas Vernünftiges zu Abend essen.“

Der elfjährige Bergil hatte die ganze Szene mit großem Entsetzen vom Tor aus beobachtet. Er war noch gerade im nahen Wald gewesen, um dort nach seinen Kaninchenfallen zu sehen. Allerdings hatte er sich verspätet und rechnete damit, Schelte von seinem Vater zu bekommen, da es schon dunkel war. Als er auf dem hellerleuchteten Hof sah, dass die Fürstin verletzt und ohnmächtig war und sein Vater sich den Schurken ergab, ergriff er die Flucht. Er hoffte, dass ihn niemand von Ohtars Männern gesehen hatte, deswegen lief er auch nicht auf dem Weg, sondern er schlug sich abseits durch die Büsche nach unten durch. Während des hastigen Laufens erhielt er zahlreiche Schrammen und Kratzer durch Dornen und widerspenstige Äste, doch das kümmerte ihn nicht.

Er wusste, dass im Fürstenhaus dort oben etwas Schreckliches im Gange war, und er musste versuchen, irgendwie Hilfe zu holen. Fürst Faramir war in Minas Tirith und der Weg dorthin war weit. Bergil erblickte das Haus von Pelendir unten am Fuß der Emyn Arnen. In einem der Fenster flackerte ein Licht. Das war sein Ziel. Der Knabe wusste nichts von dem ganzen Ärger, den Faramir mit dem ehemaligen Edelmann hatte. Er rechnete fest damit, Hilfe von den Bewohnern des Hauses dort im Tal zu erhalten, doch dort erwartete ihn zunächst eine unerfreuliche Überraschung.

Die Bewohner des Hauses hatten schon geschlafen und natürlich hörte der taubstumme Knecht Bergils Rufe und sein Klopfen nicht, und so musste Pelendir selbst die Haustür öffnen. Als er den blonden Knaben sah, verzog sich sein Gesicht ärgerlich.
„Wo kommst du her und was willst du?“ bellte er Bergil an.
„Verzeiht, mein Herr“, sagte der Junge eingeschüchtert. „Aber im Fürstenhaus oben ist gerade etwas Schreckliches passiert. Sie brauchen Hilfe.“
Pelendir wurde jetzt neugierig und er ließ Bergil in seine Hütte ein. Auch Areanor war aufgestanden und hatte sich eine Decke um ihr Nachthemd gewickelt. Ihr Vater gab ihr wütende Handzeichen hinter Bergils Rücken, dass sie verschwinden sollte. Aber das Mädchen blieb trotzig stehen.
„Was ist geschehen, Junge?“ fragte sie Bergil freundlich.

Der Sohn Beregonds berichtete aufgeregt, was sich gerade oben im Fürstenhaus ereignet hatte. Pelendir und seine Tochter warfen sich vielsagende Blicke zu. Beide wussten, welche Schurkenbande hinter dieser gemeinen Geiselnahme steckte.  
„Tur mir leid, aber wir können dir nicht helfen, Kleiner“, sagte Pelendir schließlich ernst. „Ich bin ein alter Mann, und außer mir und dieser Magd hier, gibt es nur noch einen stummen Knecht. Du musst versuchen, nach Minas Tirith zu laufen.“
Bergil sah die zwei Bewohner der Hütte traurig an und ging wieder unverrichteter Dinge hinaus. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als zu Fuß in die Weiße Stadt zu laufen, was sicherlich mehr als einen Tag dauern würde.

Areanor presste die Lippen zusammen. Obwohl sie Éowyn nicht leiden konnte, so verspürte sie trotzdem Mitleid mit ihr. In Ohtars Hände wünschte sie nicht einmal ihren Todfeind. Pelendir begab sich kopfschüttelnd und vor sich hinbrabbelnd wieder in sein Bett, aber Areanor blieb auf. Bis der Junge nach Minas Tirith kam, konnte es zu spät sein. Die Siedlung der Elben lag näher. Aber der Knabe wusste davon anscheinend gar nichts. Areanor beschloß zu helfen, auch wenn sie sich damit selbst in große Gefahr brachte. Sie hatte schließlich etwas gutzumachen. Rasch zog sie sich Männerkleidung an und sattelte ihr Pferd, das im Stall stand. Mit Schwert und Bogen bewaffnet, ritt sie los. Bergil hatte sie bald eingeholt.
„Steig zu mir auf das Pferd, Kleiner!“ rief sie ihm zu.
Bergil kletterte erfreut hinter sie in den Sattel.
„Wir reiten jetzt zu der Elbensiedlung!“ sagte sie ihm. „Die Elben werden uns sicher helfen.“

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