Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Die heilenden Hände einer Königin

Als der Pferdewagen mit der bewusstlosen Éowyn sich in Bewegung setzte, war der Brand im Fürstenhaus halbwegs gelöscht. Ohtars überlebende Männer wurden gefesselt und sollten alsbald nach Minas Tirith in den Kerker gebracht werden. Faramir verließ sich in dieser Sache auf seine Männer, denn für ihn stand jetzt Éowyns Leben an erster Stelle. Beregond trug er auf, Areanors Leiche zu ihrem Vater zu bringen und ihm zu berichten, was geschehen war. Nach Minas Tirith wurde Faramir von Legolas, Gimli und den Elben aus Ithilien begleitet.
„Keine Sorge, die Herrin von Rohan wird wieder gesund“, sagte Gimli tröstend zu dem niedergeschlagen wirkenden Faramir. „Sie hat schon so viel mitgemacht, sie wird auch das überstehen.“
Der junge Mann schwieg traurig. Er war so besorgt um Éowyn, dass er dem Zwerg gar nicht richtig zuhörte. Sein Blick haftete auf die in viele Decken gehüllte, schmale Gestalt auf dem Pferdewagen.
„Éowyn“, flüsterte er leise vor sich. „Verlaß mich bitte nicht!“


Währenddessen ritt Beregond mit Bergil und einem Packpferd, das Areanors Leiche trug, langsam zu dem kleinen Bauernhaus am Fuße der Emyn Arnen hinab. Es war eine unschöne Aufgabe, die er da aufgetragen bekommen hatte, denn er mußte natürlich befürchten, dass der ehemalige Edelmann außer sich sein würde. So ritt er ganz langsam und überlegte sich passende Worte, die er zur Pelendir sagen konnte. Sein Sohn hatte darauf bestanden, mitzukommen. Beregond war das nicht so ganz recht, aber Bergil hatte Areanor sehr gemocht und wollte ihr ein letztes Geleit geben. Und so hatte der Wächter von Emyn Arnen schließlich nachgegeben.

Pelendir sah die Reiter kommen und runzelte die Stirn. Er hatte keine Ahnung, was dies nun wieder zu bedeuten hatte. Diesen blonden Soldaten hatte er schon öfters gesehen: er gehörte zu Faramirs Leibgarde und war dem Fürsten treu ergeben. Da Pelendir Ärger befürchtete, holte er sein Schwert. Er glaubte, dass man seine Tochter gefangengenommen hatte, weil sie ja geächtet in Gondor war. Doch er wollte alles mögliche versuchen, um sie aus dem Kerker zu holen. Schließlich hatte sie ja helfen wollen. Er ärgerte sich immer noch darüber, dass sie heimlich mit diesem Jungen fortgeritten war. Als er aber das betretene Gesicht des Knaben sah, der neben dem Soldaten herritt, bekam er ein ungutes Gefühl. Die beiden Reiter führten ein Pferd hinter sich her, dass Pelendir schnell erkannte, denn es war sein eigenes Tier. Auf dem Pferd befand sich ein großes Bündel. Der Edelmann spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, als die Reiter näher kamen. Das Bündel entpuppte sich als ein Mensch, den man in eine Decke gewickelt und quer über ein Pferd gebunden hatte.

„Was tut Ihr hier?“ fragte Pelendir mit zitternder Stimme und klammerte sich an sein Schwert.
„Ich bringe Euere Tochter“, sagte Beregond mit belegter Stimme. „Sie ist gefallen, als man die Fürstin zu befreien versuchte.“
„Gefallen?“ wiederholte Pelendir fast ungläubig. „Das kann nicht sein. Meine Tochter lebt.“
„Es tut mir leid“, sagte der blonde Soldat bedrückt.
Sein Sohn begann jetzt zu weinen. Er stieg vom Pferd herab und ging hin zu Pelendir.
„Ich habe gesehen, wie sie gestorben ist“, schluchzte er. „Sie war sehr tapfer. Sie ist einen ehrenvollen Tod gestorben. Faramir hat sogar gesagt, dass...“
„Was euer Faramir gesagt hat, interessiert mich einen Dreck!“ stieß Pelendir grimmig hervor. „Ich denke, er wird jetzt endlich zufrieden sein, weil die Geächtete tot ist. Der Tod meiner Tochter kommt ihm wohl sehr gelegen. Aber er wird mich nicht brechen. Das wird er niemals schaffen. Richtet ihm aus, dass ich auf sein Mitleid spucke!“
Der Edelmann spie vor Beregond und seinen Sohn aus.
„Komm, wir reiten weg“, sagte der Soldat leise zu Bergil. „Wir waren lange genug bei diesem sturen Esel.“
„Ja, verschwindet von meinem Grund und Boden!“ rief ihnen Pelendir wütend hinterher, als sie fortritten,  und fuchtelte mit seinem Schwert.

Als die beiden Reiter in der Dunkelheit verschwunden waren, kümmerte sich der Edelmann um das Pferd und seine wertvolle Last. Vorsichtig nahm er seine Tochter herunter und trug sie in der Decke eingewickelt in seine Hütte. Der taubstumme Knecht stand erschrocken von seinem Lager auf. Stumm wickelte Pelendir die Decke auf und blickte in das graue Antlitz seines einzigen Kindes. Jetzt endlich begann er zu begreifen, dass Areanor tot war. Lautlos schluchzend sank er am Tisch zusammen. Der Knecht legte hilflos eine Hand auf die Schulter seines Herrn. Zu mehr Trost war er nicht fähig.
Im Morgengrauen begruben Pelendir und Aiglos das Mädchen hinter der Hütte.



Unterdessen hatte Faramirs kleiner Zug Minas Tirith erreicht. Langsam kroch der Pferdewagen durch die Straßen der Stadt, die sich zirkelförmig nach oben erstreckten. Faramir kam diese Reise fast ewig vor. Im Osten ging gerade die Sonne auf. Doch endlich tauchten die Häuser der Heilung, die im sechsten Festungsring lagen, vor ihm auf. Er ritt ein Stück voraus, um den Heilern Bescheid zu geben. Sofort kam die alte Ioreth mit flatternden Gewand und bestürzter Miene herausgelaufen.
„Jemand muß zum König und ihn holen“, rief Faramir aufgeregt und wedelte mit den Armen herum.  
„Das tun wir!“ sagte Legolas besonnen und versuchte den Fürsten ein wenig zu beruhigen. „Du hilfst Éowyn nicht, wenn du hier alle Menschen herumscheuchst. Jeder wird sein Bestmöglichstes für deine Gemahlin tun.“
Faramir hielt inne und nickte stumm. Er befand sich wirklich in einer fast panikartigen Stimmung. Einige Helfer aus den Häusern der Heilung trugen die Fürstin jetzt vorsichtig in das Gebäude. Faramir folgte ihnen mit gesenkten Kopf.
Legolas und Gimli liefen weiter zur Zitadelle, um Aragorn zu wecken.

Ioreth ließ Éowyn in eine große Kammer bringen, wo Eingriffe an Verletzten vorgenommen wurden. Faramir durfte trotz großer Proteste nicht mit hinein. Die alte Heilerin brauchte absolute Ruhe bei ihrer Arbeit und keinen durchgedrehten Ehemann um sich herum, auch wenn er der Truchseß war. So stand also Faramir vor der großen Tür aus Eichenbohlen und lehnte seine erhitzte Stirn an die kühle Mauer.
Er seufzte leise und schickte Stoßgebete zu den Valar. Nach einer Weile hörte er Schritte und er sah das Königspaar zusammen mit Legolas und Gimli durch den Korridor herrannahen.
„Ioreth lässt niemanden hinein“, sagte Faramir unglücklich zum König. „Ich fürchte, ich habe Euch umsonst rufen lassen.“
Doch Arwen ließ sicht nicht aufhalten. Sie ging wortlos an dem Fürsten vorbei, drückte die Klinke der Tür vorsichtig herunter und huschte in den Raum. Faramir rechnete damit, dass Ioreth die Königin gleich wieder hinausjagen würde. Doch es tat sich nichts. Aragorn grinste breit und selbst Legolas, der recht selten lächelte, schmunzelte. Schließlich mußte auch Faramir lächeln. Arwen würde sicher auf ihre Weise mit der sturen Ioreth fertig werden.

Es dauerte sehr lange, bis die Königin und Ioreth zusammen herauskamen. Beide machten ernste, aber gefasste Mienen.
„Ich alleine hätte Frau Éowyns Arm nicht retten können“, gestand die alte Heilerin schließlich.
Faramir wurde ganz blaß, als er das hörte und er griff sich an die Kehle.
„Aber ich konnte mit den Heilkräutern aus Bruchtal das Fieber senken und die Entzündung eindämmen“, ergänzte Arwen lächelnd.
Sie legte ihre schlanke Hand auf Faramirs Schulter.
„Geht nun hinein zu Euerer Gemahlin, Fürst. Sie erwartet Euch.“
Faramir strahlte über das ganze Gesicht und ging vorsichtig in den großen Raum hinein. Es roch angenehm nach würzigen Kräutern. Faramir durchquerte das Gemach mit dem breiten Holztisch, auf welchem Ioreth ihre Eingriffe vornahm.
Die angrenzende Kammer dahinter  war verdunkelt und einige Öllampen strahlten ein angenehmes Licht aus. Éowyn lag erschöpft in einem großen Bett und blickte ihren Gemahl glücklich an.

„Sie sagen, dass der Arm nicht abgenommen werden muß, Faramir“, hauchte sie leise.
Faramir setzte sich an ihrem Bett nieder und küsste sie behutsam auf die Stirn.
„Ich bin so froh“, sagte er mit belegter Stimme und wischte sich verstohlen eine Träne weg.
Er blieb noch so lange bei Éowyn bis sie eingeschlafen war. Als er die Kammer verließ, waren seine Freunde verschwunden, und es stand ein Bote des Königs da, der ihn bat, hinauf zur Zitadelle zu kommen, denn Aragorn hatte einige Neuigkeiten zu berichten.

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