Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Die Ratsversammlung

Faramir fiel der Weg zur Zitadelle leicht, da er wusste, dass seine Gemahlin wieder gesund werden würde. Der Bote des Königs begleitete ihn. Als sie die Tore zum siebten Festungsring durchquerten, verneigten sich die Wachen tief vor dem Truchseß. Faramir schämte sich fast ein wenig für seinen Aufzug, denn seine Kleidung war verschmutzt und rußig. Seine Gesicht und seine Haare sahen wahrscheinlich nicht viel besser aus. So konnte er nicht vor dem König treten, auch wenn Aragorn für ihn Verständnis haben würde. Vielleicht waren auch Räte anwesend, die an seinem verschmutzten Äußeren Anstoß nehmen konnten.

So nahm sich der junge Truchseß die Zeit und suchte zunächst einmal die Waschräume der Zitadelle auf. Als er sich in dem kleinen Spiegel über der Wasserschüssel betrachtete, erschrak er über sein Aussehen. Sein Gesicht und sein Bart waren ganz verschmiert vom Ruß. Rasch nahm er einen Schwamm und säuberte sich. Seine Haare starrten vor Dreck und wirkten eher grau als rotblond. Doch zum Waschen war jetzt keine Zeit. Er nahm ein Tuch und rubbelte damit ein wenig über seine Locken. Perfekt sah er immer noch nicht aus, aber wenigstens konnte er sich so im Thronsaal blicken lassen, ohne dass jemand die Nase rümpfte.

Wie Faramir bereits geahnt hatte, hatte sich der König mit den Räten im Thronsaal versammelt. Als der Truchseß eintrat, verneigten sich die Räte vor ihm. Der junge Mann lächelte müde und hob die Hand zum Gruß. Er trat vor Aragorn, der eine offizielle Robe und die Flügelkrone trug, und verbeugte sich vor ihm. Nur er konnte den König leise seufzen hören. Faramir wusste, dass Aragorn genauso wie er offzielle, steife Anlässe wie diese hasste.
„Da der Truchseß nun eingetroffen ist, kann ich die Ratsversammlung eröffnen“, sagte der König mit einem gezwungenen Lächeln.
Die Männer mit den dunklen Roben setzten sich geräuschvoll um den großen Tisch, der in der Mitte der Halle für diesen Anlaß aufgestellt war. Der König nahm am Kopfende Platz und Faramir zu seiner Rechten.

„Ich habe diese Versammlung einberufen, da Minas Tirith bis vor kurzem von einer äußerst dreisten Schurkenbande behelligt wurde“, erklärte Aragorn schlicht und legte seine Hände flach auf den Tisch.
Ein entsetztes Gemurmel ging durch die Reihen der Berater. Nur Faramir wusste, von wem der König genau sprach und was er damit meinte.
„Aber Herr König, wir haben davon gar nichts bemerkt“, meldete sich ein Berater namens Beleg schüchtern zu Wort.
„Das ist ja das Problem an der Sache gewesen“, erwiderte der König mit einem müden Grinsen. „Die Öffentlichkeit hat nicht mitbekommen, wie Ohtar und seine Bande ihr Gift in der Stadt verbreitet haben. Sogar hier oben in der Zitadelle gab es einen Spitzel dieses Schurken, den ich vor kurzem glücklicherweise stellen konnte.“
„Das ist ein Skandal!“ rief ein anderer Berater empört aus. „So weit hätte es niemals kommen dürfen.“

„Der König ist schuldlos an dieser Sache“, wandt jetzt Faramir ungehalten ein. „Ihr wisst selbst alle, in welchem Geisteszustand sich mein Vater in den letzten Jahren seines Lebens  befunden hat: Ein edler Mann, doch ein schwacher Herrscher für Gondor. Diese Zeit war der ideale Nährboden für gerissene Schurken wie Ohtar. Mein Vater wurde ihm niemals Herr und mir waren die Hände gebunden, da ich   fast pausenlos zu Feldzügen nach Ithilien geschickt wurde, während Ohtar im Untergrund sein Unwesen trieb.“
Wieder ging ein Raunen durch den Saal. Dieses Mal klang es eher ungläubig als entsetzt. Aragorn wurde allmählich ungeduldig und er trommelte mit seinen Fingern auf den Tisch.

„Pelendir war derjenige, der in diesem Wespennest namens Ohtar herumstocherte und es uns erst möglich machte, seiner Bande und ihm das Handwerk zu legen“, rief er grimmig aus. „Leider uns ziemlich großen Verlusten.“
Pelendir war den Räten natürlich wohlbekannt, da er damals als Denethor noch gewirkt hatte, oft an der Ratsversammlung teilgenommen hatte, und das nicht nur als Zuhörer.
„Wir wissen, dass Pelendir ein Verräter ist“, meldete sich Beleg erneut eifrig zu Wort. „Sicherlich hat er seiner Tochter aufgetragen, üble Gerüchte über die Fürstin von Ithilien zu verbreiten.“
„Dafür gibt es keine Beweise“, meinte Aragorn etwas ruhiger und nahm einen Schluck Wein aus einem Kelch, den ihn ein Bediensteter reichte. „Wir müssen davon ausgehen, dass Areanor aus freien Stücken diese Gerüchte in die Welt setzte. Ich werde keinen Unschuldigen verurteilen.“
„Pelendir soll aus Gondor verbannt werden!“ rief ein Berater aus der hinteren Ecke des langen Tisches.

„Kein schlechter Einfall“, murmelte Faramir kaum hörbar, der natürlich irgendwelche Rachepläne des Edelmannes nach dem Tode von dessen Tochter befürchten musste.
Er hatte keine Lust auf weiteren Ärger mit Pelendir. Dass Éowyn jetzt schwerverletzt in den Häusern der Heilung lag, ging nicht nur auf das Konto von Ohtar, sondern mit Sicherheit auch auf das des feindseligen Edelmannes.
Doch es gab unter den Beratern noch viele Männer, die große Stücke auf Pelendir hielten, da er früher viel Gutes in der Ratsversammlung bewirkt hatte. Auch Aragorn war der Meinung, dass Pelendir mit dem Tode seiner Tochter nun genug bestraft war.

„Wir sollten wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren“, fuhr er ernst fort. „Ohtar ist nun tot und der Großteil seiner Bande auch. Der Rest wird gerade in den Kerker der Stadt geworfen. Minas Tirith kann wieder aufatmen. Doch so etwas darf sich nicht wiederholen. Wenn jemand von Euch noch irgendwelche weiteren Schurken und Verräter kennt, die sich in der Stadt verbergen, so mögen sie mir genannt werden.“
Die Ratsversammlung schwieg und Faramir rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Er wollte einige Stunden schlafen, etwas essen und dann wieder zu Éowyn in die Häuser der Heilung zurückkehren. Aragorn bemerkte die Unruhe des Truchseß und er schloß die Versammlung. Die Berater gingen unter lautem Gemurmel aus dem Thronsaal hinaus, nachdem sie sich verneigt hatten. Als sich die Tür schloß, lehnte sich Faramir laut seufzend in seinem Stuhl zurück und schloß kurz die Augen.

„Du siehst schrecklich aus, Faramir“, meinte Aragorn grinsend. „Du solltest dich mal für ein paar Stunden aufs Ohr legen.“
„Diese Versammlung war überflüssig wie ein Kropf“, sagte Faramir finster und erhob sich. „Es wäre sinnvoll gewesen, Pelendir endlich zu verbannen.“
„Du irrst dich, mein Freund“, sagte der König etwas ernster als gewöhnlich. „Diese Versammlung war äußerst wichtig: es war Zeit, diesen bequemen Räten unter die Nase zu reiben, was hier in der Stadt eigentlich vor sich geht. Sie haben lange genug die Augen vor Ohtars Treiben verschlossen. Sie werden in den nächsten Stunden und Tagen kein anderes Gesprächsthema haben, denn sie wissen jetzt, dass ich hier gründlich aufräumen werde und der eine oder andere Verräter vielleicht sogar in ihren Reihen auftauchen wird.“
Faramir starrte Aragorn kurz ungläubig an, dann grinste er breit.
„Das ist ein sehr guter Einfall.“
„Mit Pelendir kann ich dir leider nicht helfen“, erklärte der König nachdenklich. „Du wirst ihn als Nachbarn behalten müssen. Aber sollte noch einmal die geringste Kleinigkeit auftreten, muß er Gondor verlassen. Darauf gebe ich dir mein Wort!“
Damit war Faramir zufrieden und er verließ den Thronsaal. Sein Weg führte zu den Gemächern in der Zitadelle, die er bewohnte, wenn er in der Stadt zu tun hatte. Nach einem heißen Bad und einigen Stunden Schlaf, nahm er etwas zu sich und besuchte dann wieder Éowyn.

Währenddessen herrschte im Fürstenhaus von Emyn Arnen das Chaos. Den Knechten war es erst nach Stunden gelungen, den Brand zu löschen. Das obere Stockwerk war fast vollständig ausgebrannt und die unteren Räume waren alle rauchgeschwärzt. Das Haus würde mindestens ein Jahr lang nicht richtig bewohnbar sein. Jedenfalls nicht vom Fürstenpaar, das dort schließlich residieren sollte. Beregond, der nicht nur Faramirs Leibwächter, sondern auch der Verwalter des Fürstensitzes in der Abwesenheit des Fürstenpaares war, blickte verzweifelt auf das ausgebrannte Haus. Die nagelneue Einrichtung der oberen Gemächer war vollkommen verbrannt, darunter auch Éowyns schöne Kleider und Faramirs Lederrüstungen. Ebenso war der Schmuck der Fürstin in der Glut zerschmolzen. Wahrscheinlich ahnten die beiden Herrschaften noch gar nichts von dieser persönlichen Katastrophe. Einige Mägde standen schluchzend auf dem Hof und hielten sich in den Armen. Noch immer stieg beißender Qualm aus dem Haus empor, aber immerhin brannte nichts mehr.

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