Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Pelendirs Racheschwur

Auch Pelendir hatte gesehen, dass das Fürstenhaus brannte. Es war für sein wundes Herz eine kleine Genugtuung, dass Faramir nicht ungeschoren bei dem Kampf gegen die Verbrecher davon gekommen war. Allerdings wusste er noch nichts von der Verwundung der Fürstin. Während er den frischen Grabhügel betrachtete, unter welchem seine Tochter ruhte, tat er einen fürchterlichen Schwur, den er mit Blut besiegelte: er versprach der Toten mit einem wahnsinnigen Glitzern in den Augen, dass er Faramir töten würde, um sie zu rächen.

Nachdem er diese Worte über dem Grab gesagt hatte, nahm er einen Dolch und ritzte sich die Handfläche auf. Das Blut tropfte auf die frisch aufgehäufte Erde. Mit einem irren Lächeln betrachtete Pelendir seine Handwunde. Es würde nicht einfach werden, Faramir zu töten, schließlich war der junge Fürst ein erfahrener Krieger, der sich von einem älteren Mann wie Pelendir nicht im Kampf besiegen lassen würde. Der Edelmann wusste, dass er mit List arbeiten musste, um Faramir umzubringen.

Als er in sein ärmliche Hütte zurückkehrte, fiel sein Blick auf Areanors Kleider. Sie hatte sich öfters mal verkleidet, um die Menschen zu täuschen. Vielleicht war eine Verkleidung kein schlechter Einfall. Pelendir beschloß, nach Minas Tirith zu reiten. Er kannte dort jemanden, der ihm helfen würde. Allerdings war dieser Mann kein Schurke so wie Ohtar. Mit solchem Gesindel wollte selbst Pelendir nichts mehr zu tun haben. Im Grunde seines Herzens wusste er, dass Ohtar am Tode seiner Tochter schuld war. Doch da Ohtar selbst inzwischen tot war, mußte Faramir als Sündenbock herhalten. Pelendir wollte sich an seinem Tod weiden. Erst dann würde er Ruhe finden und vielleicht bestand dann immer noch die Möglichkeit, Fürst von Ithilien zu werden, falls niemand herausbekam, dass er Faramirs Mörder war.



Éowyn ging es am nächsten Tag bedeutend besser: die Königin hatte sich nach ihr bereits umgesehen und den verwundeten Arm selbst verbunden. Als Faramir zu seiner Gemahlin in das Krankengemach kam, saß diese aufrecht im Bett und nahm eine Rinderbrühe zu sich. Faramir umarmte sie vorsichtig und küsste sie sanft auf den Mund.
„Du siehst gut aus, mein Stern“, sagte er erleichtert zu ihr und strich ihr eine widerspenstige, blonde Strähne aus dem Gesicht.
„Dank der Königin geht es mir wieder blendend“, meinte Éowyn fast vergnügt, und gab Faramir die Suppenschüssel, damit dieser sie beiseite stellte. „Ich wusste nicht, dass sie eine Heilerin ist.“
„Elronds Kinder sind alle große Heiler“, erklärte Faramir ehrfurchtsvoll. „Selbst Aragorn lernte diese Kunst von seinem Ziehvater.“

„Wie sieht es eigentlich in Emyn Arnen aus?“ fragte Éowyn und ihr Gesicht verdüsterte sich. „Hast du schon etwas gehört, wie schlimm der Schaden ist?“
„Ehrlich gesagt, nicht“, gab Faramir bedauernd zu. „Der König hatte gestern noch eine Ratsversammlung einberufen, an der ich teilnehmen musste. Dannach habe ich gegessen und leider viel zu lange geschlafen.“
„Das war nötig, Liebster“, sagte die Schildmaid besorgt. „Du siehst heute bedeutend besser aus als gestern.“
„Das höre ich gerne“, grinste Faramir und küsste sie erneut auf den Mund.
Der junge Fürst verbrachte den ganzen Vormittag bei seiner Gemahlin und er wurde nicht müde, sie zu unterhalten und sie sogar ein wenig zum Lachen zu bringen.



Derweil hatte Pelendir die Stadt erreicht und er ritt langsam durch den ersten Festungsring, in welchem die meisten Menschen der Stadt lebten. Er kannte sich gut aus in dem Wirrwarr der kleinen Gässchen und Wege. Sein Ziel war die Badgasse, wo ein Bader namens Daeron lebte. Der Bader war ein heilkundiger Mann, der die ärmeren Leute der Stadt betreute. Außer Heilung war er vor allem für Körper- und Haarpflege zuständig. Daeron stammte auch aus Ithilien, wollte aber nach dem Ringkrieg nicht dorthin zurückkehren, weil er ein gutes Einkommen in Minas Tirith hatte. Pelendir hatte ihm einige Zeit gezürnt, da Daeron seine Sache in Ithilien nicht genügend unterstützt hatte. Aber jetzt war es Zeit für den Bader, diese Scharte wieder auszuwetzen.
„Was verschafft mir die Ehre?“ fragte Daeron neugierig, als der Edelmann sein Haus betrat.
Pelendir lächelte den Bader verzerrt an und setzte sich auf einem Holzstuhl in Daerons Arbeitsraum.
„Nun ja, ich möchte mein Aussehen etwas verändern“, druckste er herum. „Ihr müsst wissen, dass ich auf Freiersfüßen wandele. Da möchte ich etwas jünger wirken.“
Daeron lachte auf und drohte Pelendir schalkhaft mit dem Finger.
„Mein Lieber, da seid Ihr nicht der Erste in dieser Stadt. Aber seid getrost: ich kann Euch helfen.“

Er nahm Pelendir erst einmal den grauen Bart ab, da er der Meinung war, dass dieser ihn älter mache.
„Und was machen wir hiermit?“ fragte der Edelmann unsicher und fuhr sich über das dünne, kurze Haar.
„Nun, die Frauen mögen lieber Männer mit langem, vollen Haar“, meinte Daeron nachdenklich und kam kurz darauf mit einer Perrücke zurück.
„Die habe ich selbst gemacht aus Menschenhaar.“
Pelendir betrachtete zweifelnd die schwarzhaarige, lockige Perrücke. Doch als er sie aufhatte, mußte er zugeben, dass er jetzt verändert und auch jünger wirkte.
„Ich habe sogar eine Elbensalbe gegen Euere Falten“, behauptete Daeron und kam mit einem kleinen Tontiegel zurück.

Er bestrich Pelendirs Wangen mit der weißen Paste und verrieb sie.
„Wenn Ihr Euch jeden Tag damit das Gesicht einreibt, werden die Falten verschwinden“, erklärte der Bader stolz. „Das Rezept dieser Salbe stammt von den Waldelben. Sie haben sie extra für die Menschen hergestellt.“
Pelendir betrachtete die Salbe zweifelnd. Normalerweise hielt er solche Dinge für Humbug, aber er befand sich nun in einer außergewöhnlichen Situation.
„Ich mache Euch einen guten Preis“, sagte Daeron geschäftstüchtig. „Ihr müsst für die Salbe und die Perrücke zusammen nur 50 Goldstücke zahlen. Na, ist das ein Angebot?“
Pelendir nickte mit einem verzerrten Grinsen. Natürlich konnte er diese stolze Summe nicht bezahlen – nicht mehr, nachdem er sein restliches Vermögen in den Erbau des kleinen Holzhauses auf seinem Landgutes Findáráto gesteckt hatte. Also musste er schwindeln und er versprach dem Bader, das Gold in einigen Tagen vorbeibringen zu lassen.
„Natürlich, mein Herr“, sagte Daeron großmütig. „Laßt Euch ruhig Zeit mit der Zahlung, schließlich sind wir ja Landsleute. Es lebe unser schönes Ithilien!“
„Ja, es lebe“, bemerkte Pelendir sarkastisch und dachte wütend an Faramir.



Faramir erhielt am Abend dieses Tages Besuch von Beregond in der Zitadelle. Er saß gerade mit dem Königspaar und dessen Freunde Legolas und Gimli zusammen im großen, königlichen Kaminzimmer, als der treue Wächter von Emyn Arnen eintraf.
Faramir entschuldigte sich bei der kleinen Gesellschaft und verließ mit Beregond das Gemach. Sie gingen in Faramirs kleine Wohnstube am Ende des Korridors. Der junge Fürst merkte, dass Beregond ziemlich niedergeschlagen wirkte, und machte sich daher auf eine schlechte Botschaft gefasst.

Als Faramir hörte, in welchem Zustand sich das Fürstenhaus befand und was alles durch den Brand vernichtet worden war, erschrak er. Doch er war besonnen genug, um zu wissen, dass Möbel und Kleider wieder neu beschafft werden konnten. Hauptsache, Éowyn war am Leben und die Leute, die in Emyn Arnen wohnten. Beregond war ein wenig erleichtert, als er sah, dass sein Herr dieses Unglück mit Fassung trug.
„Vielleicht ist es besser, wenn Ihr einstweilen in Minas Tirith wohnen bleibt“, meinte Beregond bescheiden. „Man kann Euch nicht zumuten, in den Emyn Arnen zur Zeit zu wohnen.“
„Ich möchte beim Wiederaufbau meines Hauses dabei sein, wenn es meine Zeit zulässt“, erwiderte Faramir freundlich. „Mach dir nicht so viele Gedanken, Beregond. Es wird alles wieder gut.“
Halbwegs getröstet wünschte der treue Soldat seinem Herrn eine gute Nacht.



Pelendir hatte sich von seinen letzten Goldstücken noch eine neue, rote Tunika gekauft. Der Schneider hatte ihm versichert, dass ihn dieses Kleidungsstück jünger machte. Der Edelmann konnte nun tatsächlich hoffen, dass ihn vielleicht in den Emyn Arnen niemand erkennen würde und er sich dort geschickt verbergen konnte, bis sein Plan in die Tat umgesetzt war. Er hatte Aiglos aufgetragen, für sein Landgut zu sorgen, bis er zurückkäme, daher brachte er nur rasch sein Pferd in den Stall und ging dann zu Fuß weiter zum Fürstenanwesen hinauf. Über seine Tunika hatte er einen dunklen Wolllmantel gelegt und die Haare der Perrücke hingen weit in sein Gesicht.  Als er oben angekommen war, sah er zu seiner Verwunderung, dass das Tor weit offenstand. Neugierig trat er ein und sah, wie die Menschen geschäftig über den Hof eilten. Die Knechte waren dabei, die verbrannten Trümmer wegzuräumen und die Mägde reinigten die rußgeschwärzten Möbel und das Geschirr aus dem unteren Teil des Hauses. Pelendir hatte auch noch Glück, dass Beregond nicht da war, der ihn womöglich auf dem zweiten oder dritten Blick erkannt hätte.

„He, du da vorne!“ rief eine ärgerliche Stimme hinter Pelendir.
Vorsichtig drehte sich der Edelmann um.
„Was machst du hier?“ fragte ihn ein Mann mittleren Alters, der etwas vornehmere Kleidung als die übrigen Leute trug.
„Ich bin ein Knecht aus Ithilien und suche Arbeit“, sagte Pelendir bescheiden.
„Wir können Hilfe momentan gut gebrauchen“, meinte Arodir, der von Beregond einstweilen zum Hausverwalter ernannt worden war. „Ihr könnt gleich mitanpacken. Das verbrannte Obergeschoss des Hauses muß vollständig abgetragen werden, damit man wieder etwas neues aufbauen kann. Als Entlohnung können wir Euch erst einmal ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen anbieten. Dannach sehen wir weiter.“
Pelendir nickte grinsend. Das lief ja besser, als gedacht. Jetzt musste nur noch Faramir zurückkommen. Boshaft malte er sich aus, wie es wohl wäre, wenn der Fürst von einem versehentlich herabfallenden Balken erschlagen würde.

Rezensionen