Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Der Ratschlag eines Zauberers

Faramir und Gandalf saßen an diesem Abend lange in der Schreibstube des Fürstenhauses. Zum ersten Mal seit langem hatte der junge Truchseß keinen Appetit auf Wein – im Gegensatz zu Gandalf, der sich den Rotwein aus Dol Amroth sichtlich munden ließ.
„Ihr meint also wirklich, ich soll Éowyn die Sache mit Nimriel gestehen?“ fragte er kleinlaut.
„Wenn du es nicht tust, dann wird Gwyneren, die geschwätzige Magd aus Rohan, plaudern“, sagte Gandalf grimmig. „Sollte Éowyn etwas über diese Liebelei aus dem Mund dieser Zofe zuerst erfahren, wird sie dich für immer verlassen. Daher rate ich dir, noch heute Abend mit deiner Gemahlin zu sprechen.“
Für Faramir war es wirklich ein schwerer Weg zu Éowyn. Er ärgerte sich maßlos über sein dummes Verhalten in der Sache mit Nimriel. Wie ein törichter Jüngling hatte er sich benommen. Er war eigentlich aus dem Alter für solche Liebeleien längst heraus.

Éowyn befand sich immer noch auf der Polsterliege im Saal. Sie fühlte sich einfach zu elend, um hinauf ins Schlafgemach zu gehen. Sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Die Worte des Zauberers hatten sie besänftigt. Éowyn hatte eingesehen, dass ihr Drang nach Kriegführen und Kämpfen nur eine Flucht gewesen war. Aber noch war sie nicht bereit, mit Faramir einen neuen Anfang zu wagen. Da musste er schon wirklich mehr Reue zeigen. Sie starrte zu der dunklen Holzdecke mit den Schnitzereien empor und seufzte.

Als es an der Tür klopfte, schrak sie zusammen. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, kam Faramir bereits herein. Er wirkte sehr zerknirscht und sein Blick war gesenkt.
„Ich möchte gerne mit dir reden, Éowyn“, sagte er leise und kam vorsichtig näher.
Die Schildmaid setzte sich auf der Liege auf und blickte ihn forschend an. Sie konnte ihm das schlechte Gewissen richtig ansehen. Aber es war nicht wegen seines Verhaltens in der letzten Zeit. Sie spürte, dass es da noch mehr gab und sie fragte sich, was das war.
„Ich bin zu dir nicht nur unhöflich und stur gewesen, sondern ich habe auch noch eine große Dummheit begangen, als du weg warst“, meinte er verlegen und setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe.
Er begann seine Hände zu kneten und sein Blick wanderte im ganzen Saal herum.
„Also, wenn du deine Trinkerei meinst“, erwiderte Éowyn fast nachsichtig. „Dagegen kann man sicher etwas tun. Ich würde dir sogar helfen, das Trinken zu lassen.“

Faramir schöpfte Hoffnung, als er diese Worte hörte und er fasste Mut, nun Éowyn seine Liebelei mit Nimriel zu gestehen.
„Ich will nicht, dass du es aus dem Munde geschwätziger Mägde erfährst“, fuhr er heiser fort und er faltete seine Hände so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll...“
„Es hat also nichts mit dem Trinken zu tun?“ wunderte sich Éowyn und zog ihre Stirn in Falten.
„Als ich noch in Minas Tirith war, und du weg warst, habe ich ein Auge auf Nimriel geworfen“, sagte er kleinlaut und begann zu schwitzen. „Auch sie war angetan von mir. Ich versuchte ihr aus dem Weg zu gehen, aber dann wollte die Königin, dass ich Nimriel nach Ithilien einlade. Bei einem Ausritt haben wir uns dann geküsst. Ich ging mit ihr hinauf ins Gastgemach, doch ich konnte mich noch im letzten Moment besinnen. Ich habe nicht mit ihr....“
„Hör auf!“ brüllte Éowyn, während ihr Tränen in die Augen schossen. „Du bist ein Mistkerl! Du hast mich betrogen!“

Sie stand so rasch auf von ihrem Lager, dass ihr erneut schwindelig wurde. Keuchend hielt sie sich an einer hölzernen Säule fest. Faramir wollte ihr helfen, doch sie schlug seine Hand weg.
„Rühr mich nicht an!“ ächzte sie. „Rühr mich nie wieder an! Ich werde dieses Haus noch heute verlassen.“
„Bitte, Éowyn, wenn du das tust, dann bringst du dich und unser Kind um“, flehte Faramir.
Er hatte  das entsetzliche Gefühl, mit seinem Geständnis genau das Falsche getan zu haben. Vielleicht hatte Gandalf die Lage doch nicht richtig eingeschätzt.
„Wenn ich tot bin, hast du deine Nimriel alleine für dich!“ presste Éowyn höhnisch hervor. „Sie kann dir ja ein Kind schenken. Fast wärst du ja soweit gewesen mit ihr.“
„Éowyn, du musst mir glauben: ich liebe nur dich“, sagte Faramir verzweifelt und versuchte erneut, sie zu berühren.
Er sah, dass sie kurz davor war, umzukippen. Der kalte Schweiß stand auf ihrer Stirn und ihr war totenübel.
„Diese Worte klingen wie übler Spott aus deinen Lippen“, murmelte Éowyn tonlos.
Plötzlich verdrehte sie die Augen und sank langsam an der Säule herunter. Faramir erschrak, trug sie aber dann sanft auf das Lager zurück. Er deckte sie wieder zu und rief dann Gandalf herbei.

Der Zauberer untersuchte Éowyn besorgt und brabbelte vor sich hin.
„Dieser Ritt und die ganze Aufregung waren zuviel für sie. Sie ist nahe daran, das Kind zu verlieren.“
„Ich hätte ihr das mit Nimriel nicht sagen dürfen“, klagte Faramir und fuhr sich über die Augen. „Das war ein denkbar schlechter Zeitpunkt.“
„Je früher, desto besser“, meinte der Zauberer und warf einen finsteren Blick auf Gwyneren, die gerade hereinkam und einen Kräutertrank für Éowyn brachte.
„Was hat die Herrin denn?“ fragte sie neugierig.
„Sie ist sehr krank“, bemerkte Faramir ernst und zupfte die Decke zurecht.
Der Zauberer nahm ein paar Kräuter aus dem Beutel, den er am Gürtel trug, und gab ihn Gwyneren.
„Gehe damit in die Küche und lasse daraus einen Trank brauen. Das Wasser muß kochen, erst dann darf man die Kräuter hineinwerfen.“
Gwyneren nickte eifrig und verschwand mit den Kräutern.

Faramir war froh, als die Zofe weg war. Er konnte diese Frau nicht ausstehen. Warum hatte sich Éowyn ausgerechnet so ein dummes Ding als Zofe ausgesucht!
Langsam kam die Schildmaid zu sich. Als sie die Augen aufschlug und Faramir sah, wurde sie sofort wieder zornig.
„Gandalf, schickt ihn fort!“ sagte sie mit schwacher Stimme. „Ich kann ihn einfach nicht mehr ertragen. Ich frage mich, womit ich solch einen Gatten verdient habe.“
„Bitte, Éowyn, du musst mir verzeihen!“ flehte Faramir und kniete neben der Liege nieder.
„Laß mich!“ ächzte sie und drehte sich zur Seite.
„Geh besser, Faramir“, meinte nun auch Gandalf freundlich zu ihm. „Momentan ist ihr Zorn zu groß.“
„Redet Ihr noch einmal mit Éowyn?“ fragte Faramir hoffnungsvoll, bevor er zur Tür ging.
„Ich tue, was ich kann“, sagte der Zauberer und lächelte ihn zuversichtlich an.

Als Faramir den Saal verließ, lief ihm erneut Gwyneren über den Weg. Hatte sie etwa wieder gelauscht?
„Was machst du hier?“ fragte Faramir sie finster. „Du solltest doch diesen Trank machen. Wehe, du verbreitest üblen Klatsch über uns, dann werde ich dich mit Schimpf und Schande aus Gondor jagen.“
Gwyneren senkte eingeschüchtert den Kopf.
„Der Trank wird gerade vom Koch gebraut. Ich wollte nur sehen, ob die Herrin noch etwas braucht“, lispelte sie kaum hörbar.
„Mithrandir ist bei ihr, du kannst dich also zurückziehen“, fuhr Faramir ungehalten fort.
Gwyneren eilte rasch davon zu ihrer kleinen Kammer, die im Keller des Hauses lag. Faramir beschloß Beregond damit zu beauftragen, ein Auge auf Gwyneren zu haben.


Éomer wollte nicht mehr länger in Minas Tirith bleiben. Nach einigen Tagen reichte es ihm. Die Weiße Stadt mit ihren dicken Mauern hatte ihm noch nie richtig gefallen. Er kam sich dort immer vor wie in einem Kerker.  Wie es sich gehörte, wollte er sich bei der Königin verabschieden. Als er sich ihren Gemächern näherte, wurde er unwillkürlich Zeuge eines lauten Gespräches zwischen Arwen und Nimriel, deren Stimmen bis auf den Korridor drangen. Als er mitbekam, dass es um Faramir ging, hielt er inne und lauschte.
„Ich will aber trotzdem wieder zurück nach Arnor!“ bekräftigte Nimriel gerade mit erhobener Stimme. „Ich möchte Faramir nicht mehr hier begegnen. Das würde nur alte Wunden aufreißen.“
„Benimm dich doch nicht so töricht“, entgegnete Arwen ebenso laut. „Wegen ein paar Küssen willst du wieder zurück in die Wälder? In Gondor könntest du einen Edelmann heiraten und in einem schönen, großen Haus wohnen.“
„Vielleicht sind ja die anderen Edelmänner Gondors genauso wie Faramir?“ meinte Nimriel spöttisch und verschränkte die Arme.
„Du hast gewusst, dass Faramir verheiratet ist“, sagte die Königin kühl. „So eine Sache kann nur schief gehen. Du hast bewusst in Kauf genommen, unglücklich dadurch zu werden. Jetzt reiß dich bitte zusammen und bleibe hier. Dein Vater würde dein Verhalten nicht verstehen. Er war so stolz, dass du hier Hofdame werden willst.“
Nimriel schwieg jetzt: vielleicht war es ja doch besser zu bleiben. Sie seufzte.
„Ich werde darüber nachdenken“, meinte sie schließlich und verließ Arwens Gemächer.

Éomer hatte draußen genug gehört und er beeilte sich, den Korridor zu verlassen, bevor ihn jemand dort sah. Innerlich kochte er vor Wut: Faramir hatte also seine Schwester mit einer Hofdame betrogen! Nach dem Gesetz Rohans hatte er somit das Recht, seinen Schwager zu töten und das wollte er jetzt auch tun. Er rief seine Éoreds zusammen und sie verließen ohne Abschied die Zitadelle.
„Reiten wir nach Hause?“ fragte Rothgar, einer seiner Krieger, hoffnungsvoll.
„Nein, nach Emyn Arnen“, entgegnete Éomer frostig. „Ich habe dort noch etwas zu erledigen.“

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