Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Die Rehabilitierung Faramirs

Langsam ritt der Fürst wieder zu seiner Truppe zurück. Éowyn lächelte ihm erleichtert zu.
„Du bist ein Held, Faramir“, sagte sie stolz.
Nun kamen auch die Reiter aus der Stadt zu Faramir. Ihre Gesichter waren mehr als besorgt.
„Ihr habt gerade dem Sohn des Königs das Leben gerettet“, sagte Hirgond aufgeregt, welcher zu den Leibwächtern der königlichen Familie gehörte.
Der Knabe drehte sich jetzt zu Faramir um und blickte ihn ernst an.
„Ich danke Euch, mein Herr“, sagte das Kind höflich.
Eldarion war ganz der Sohn seiner Eltern, wie Faramir bei genauerem Betrachten feststellte.
Er hatte die Schönheit der Eldar geerbt und seine Ohren waren spitz zulaufend wie die seiner Mutter. Alle Damen in Gondor würden ihn einmal anbeten.

„Wie kommt, es dass dieser kaum sechsjährige Knabe vor der Stadt hereimreitet?“, fragte Faramir den Leibwächter unwirsch, welcher jetzt Eldarion vor sich auf das Pferd nahm.
Hirgond schlug die Augen verlegen nieder und der Fürst ahnte, was geschehen war. Wahrscheinlich hatte der Knabe den Leibwächter so lange angebettelt, ihn auf den Pelennorfeldern herumreiten zu lassen, bis dieser nachgegeben hatte.
Faramir drehte sich zu seiner Gemahlin um und warf ihr einen vielsagenden Blick zu: der Leibwächter würde jetzt sicher großen Ärger bekommen, da er versagt hatte.
„Kommt mit in die Stadt, Fürst Faramir“, erklärte Hirgond, welcher den Lebensretter Eldarions inzwischen erkannt hatte.

Es dauerte eine Weile, bis sie die sechs unteren Festungsringe durchquert hatten, denn viele Menschen erkannten Faramir und huldigten ihm begeistert. Der Fürst freute sich, dass ihn die Bewohner der Stadt immer noch gernhatten. Offensichtlich hatte man ihm seinen unrühmlichen Seitensprung nach all den Jahren verziehen.

Als das Fürstenpaar zusammen mit Eldarion und Hirgond den siebten Festungsring betrat, wurde Faramir etwas mulmig zumute. Würde Aragorn ihn trotz seiner Heldentat überhaupt empfangen?
„Momentan ist der König von Rohan zu Gast bei Elessar“, erzählte Hirgond etwas beiläufig.
„Was, mein Bruder ist hier?“, rief Éowyn aufgeregt. „Warum habt Ihr das nicht früher gesagt?“
„Verzeiht mir, Fürstin, aber mein Versagen bei der Beaufsichtigung des Königssohnes nagt sehr an mir“, sagte Hirgond schuldbewusst und senkte den Kopf.
Éowyn eilte jetzt plötzlich alleine voran. Zu lange hatte sie ihren Bruder nicht mehr gesehen. Ehe Faramir etwas sagen konnte, war sie in der Pforte der Zitadelle verschwunden.

„Geleitet Ihr mich zu meinen Eltern, Fürst Faramir?“, fragte Eldarion leise und reichte ihm die Hand.
Faramir nickte und spürte, wie ein Kloß in seinem Hals aufstieg. Er nahm den kleinen Halbelben an der Hand und betrat mit ihm die Zitadelle.

Sofort kamen einige Soldaten der Turmwache herbeigelaufen. Als sie Faramir und Eldarion erkannten, verneigten sie sich tief. Einer von ihnen öffnete sofort die große Flügeltür zum Thronsaal. Faramirs Herz begann jetzt schneller zu schlagen. Er spürte, wie sich ein Schweißfilm auf seiner Stirne bildete. Eldarion zerrte ihn regelrecht in den Thronsaal. Dort stand Aragorn mit einem erstaunten Lächeln bei Éomer, der zutiefst bewegt seine Schwester im Arm hielt. Als der König Gondors Faramir gewahrte, gefror sein Lächeln plötzlich. Aragorn hatte sich kaum verändert seit damals. Bis auf einige graue Strähnen im Haar sah er immer noch aus wie eh und je.

„Ada, Ada!“, schrie Eldarion aufgeregt und riß sich von Faramirs Hand los.
Er lief zu seinen Vater hin und ließ sich von ihm hochheben. Dann deutete der kleine Junge auf Faramir.
„Dieser Mann hier hat mir gerade das Leben gerettet“, rief er atemlos.
Aragorn ließ seinen Sohn vorsichtig herunter und starrte Faramir verwundert an.
„Wie hat sich das zugetragen?“
Faramir ging langsam auf den König zu und verneigte sich tief von ihm.
„Ich grüße Euch, mein König“, sagte er demütig. „Ich werde Euch alles erzählen.“
Als der Fürst berichtet hatte, was sich auf dem Pelennor geschehen war, erschrak Aragorn. Inzwischen war auch Arwen in den Thronsaal gekommen und mit ihr die fast achtjährige Schwester des Thronfolgers. Als sie Faramir und Éowyn sah, schenkte sie dem Paar ein mildes Lächeln.

„Ich habe alles mitangehört, Faramir“, sagte die Königin besonnen und wandte sich an ihren Gemahl. „Wer weiß, was mit unserem Sohn geschehen wäre, wenn Faramir nicht so heldenhaft gehandelt hätte.“
„Wir stehen in deiner Schuld, Faramir“, meinte nun auch Aragorn etwas verlegen. „Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen.“
„Ich denke, jeder hätte so gehandelt wie ich“, erwiderte der Fürst bescheiden und senkte den Kopf.
Éomer kam nun zusammen mit Éowyn auf seinen Schwager zu.
„Meine Schwester hat mir erzählt, was du getan hast“, sagte der König Rohans ernst. „Es war wohl eine Fügung des Schicksals, dass du damals meinen Schwerthieb überlebt hast. Die Götter hatten noch etwas mit dir vor.“

Er reichte dem höchst erstaunten Faramir plötzlich seine Hand.
„Laßt uns wieder Brüder sein, wie wir es einst waren“, erklärte Éomer leise. „Ich hoffe, du verzeihst mir meinen Angriff von damals.“
In Faramirs Augen traten Tränen der Rührung.
„Es gibt nichts zu ver-verzeihen“, stammelte er und umarmte Éomer.
Éowyn, die beim Königspaar Gondors stand, strahlte über das ganze Gesicht. Arwen flüsterte ihrem Gemahl etwas ins Ohr. Dieser runzelte kurz die Stirn und nickte dann lächelnd.

Faramir ließ Éomer los und drehte sich mit tränenüberströmten Gesicht zum Königspaar um. Éowyn lief zu Faramir hin und schmiegte sich an ihn.
„Das ist einer der schönsten Tage in meinem Leben“, flüsterte sie, ebenfalls überwältigt von ihren Gefühlen.
Aragorn hob die Hand und alle im Saal wurden still.
„Meine Gemahlin und ich sind zu der Übereinkunft gekommen, dass Fürst Faramir wieder in das Amt des Truchsessen eingesetzt werden soll. Er hat lange genug für seine unschickliche Tat gebüßt. Heute hat er gezeigt, dass er dem Königshaus Gondors treu ergeben ist, denn er hat unseren Sohn unter Einsatz seines eigenen Lebens vor einem schlimmen Unheil bewahrt. Es sollen Boten zu Fürst Imrahil geschickt werden und ihn von den neuen Umständen berichten.“

Faramir konnte kaum fassen, wie ihm da geschah. Der König hatte ihn rehabilitiert! Das hatte er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen erwartet. Er bedankte sich umständlich und schloß seine Éowyn glücklich in die Arme.


Ungefähr eine Woche später wurde Faramir offiziell vor dem Volk Gondors wieder in sein Amt eingesetzt. Auch Fürst Imrahil war erschienen. Er war mit seiner unverheirateten Tochter Lothiriel gekommen und jedermann war froh, dass Elphir und Nimriel die Weisung des Königs befolgten und in Dol Amroth blieben. Imrahil hatte seinem Neffen längst im Stillen verziehen und gab gerne das Amt des Statthalters wieder ab.
„Ich bin froh, dass wir uns unter solch glücklichen Umständen wieder sehen“, sagte er tief berührt und küsste Faramir auf die Stirn. „Mögest du noch lange dieses Amt bekleiden, mein Neffe.“
Zu diesem Anlaß hatte man auch die Kinder des Fürstenpaares nach Minas Tirith geholt, und Imrahil und ebenso Éomer waren erfreut, endlich die Zwillinge kennenzulernen. Elboron hatte mehr das Wesen und Aussehen seiner Mutter geerbt: seine Haare waren flachsblond und seine Augen grau, die eher ruhige Elfhild war blauäugig und hatte rötliches Haar.
Zu Éowyns und Faramirs Freude begannen sich zwischen Éomer und der Fürstentochter Lothiriel aus Dol Amroth zarte Bande zu entwickeln.

Als die Feierlichkeiten vorüber waren, kehrte jedermann wieder glücklich in sein Zuhause zurück. Faramir hatte sich endlich mit allen seinen Freunden und Verwandten wieder versöhnt und er hatte den Truchsesstitel zurückerobert. Éowyn war froh, dass ihr Bruder sich mit Faramir wieder vertrug und endlich auch seinen Neffen und seine Nichte kennengelernt hatte. Zudem freute sie sich auf die hoffentlich baldige Hochzeit ihres Bruders mit Lothiriel.
Sie sah einer glücklichen Zukunft entgegen und sie hielt Faramirs Hand, welcher ganz dicht neben ihr nach Hause ritt, sehr fest.
Sie war sie sicher, dass er niemals wieder irgendeine Dummheit begehen würde. Das Band zwischen ihnen hatte sich in den letzten sieben Jahren mehr als gefestigt. Die Tränen, die sie damals in der schweren Zeit vergossen hatte, waren wie Regen gewesen, der auf Asche fiel. Jetzt aber war die Asche verschwunden und alles war neu erblüht.

ENDE

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