Sams Gesicht kam immer wieder in seine Träume und schreckte ihn aus dem Schlaf, als hätte jemand kalten Stahl gegen seine Kehle gepresst. Die Maske des Kummers auf Sams ehrlichem, verschmutzten Gesicht, wie er zu ihm aufblickte, ohne ihn zu sehen…
Er lag zitternd in der Dunkelheit; neben ihm schnarchte Radagast sanft vor sich hin.
Noch bevor sie auf ihrer Heimkehr je das Auenland erreicht hatten, hatte er gewusst, dass es für ihn keine Heimkehr gab. Der Ring hatte sich in ihn eingebrannt, als hätte man seiner Seele das Feuerzeichen aufgedrückt; im Wachen oder im Schlafen, er hungerte danach wie ein verschmachtender Mann nach Nahrung. Er hatte mit Gandalf und Elrond bei den Anfurten gestanden und gegen alle Hoffnung gehofft, dass sie ihn einladen würden, mit ihnen in den Westen zu gehen, in das Reich von Licht und Frieden, wo das Böse für immer ausgestoßen war. Die Einladung war nicht gekommen, und er sah nun, dass es die Hoffnung eines Narren gewesen war. Keinem Sterblichen war gestattet, diese Fahrt zu machen, und ihm am wenigsten von allen, befleckt wie er war.
Also hatte Elrond ihn feierlich auf beide Wangen geküsst und ihm alles Gute gewünscht, und Gandalf hatte ihn umarmt und ihn für einen Moment in schneeweiße Gewänder gehüllt. Für diesen einen Moment hatte er sich sicher gefühlt, aber dann hatte ihn Gandalf auf die Stirn geküsst und sich abgewandt. Der Laufsteg wurde hochgezogen und das Schiff war fort gesegelt; Gandalf stand im Bug, die Hände zum Abschied erhoben. Frodo hatte zugesehen, bis die weißen Segel hinter dem Horizont verschwanden, und dann war er verzweifelt nach Hause geritten und hatte für Sam eine Fassade der Fröhlichkeit aufrecht erhalten, während sein Herz auszutrocknen und auf der Meeresbrise davon zu wehen schien.
Er wurde mit seiner Schande und Selbstverachtung zurückgelassen. Er biss die Zähne zusammen und ertrug es; er verbrachte seine Tage damit, das Buch zu schreiben, die Geschichte, die geschrieben werden musste, vom Ring und vom Krieg und der Rückkehr des Königs. Aber Albträume suchten ihn heim, und sein Geist fing an zu wandern; alles was er tun konnte, war, das Buch zu vollenden, und dann war seine Kraft erschöpft.
Er hatte sich mitten in der Nacht aus Beutelsend fortgeschlichen, mit der Absicht, einen Ort zu finden, wo er dem Schmerz und seinem Leben mit einem Streich ein Ende setzen konnte, ohne Sam oder Merry oder irgend jemandem, der ihn liebte, Kummer zu machen. Und es hatte damit geendet, dass er sich hoch oben in einem Baum versteckte, mit dem Braunen Zauberer, der mitten in seinen Versuch der Selbstzerstörung hineinspaziert gekommen war, der ihn Esel genannt und ihm einen Apfel zum Frühstück gegeben hatte.
Sam war hinter ihm hergeritten, weil er das Schlimmste fürchtete und Frodo hatte sich versteckt, noch immer darum bemüht, seinen liebsten Freund zu schützen, zu verhehlen, was der Ring ihm angetan hatte. Und Sam hatte zu ihm aufgeschaut, ohne ihn zu sehen, sein Gesicht tränenüberströmt – Sam ließ sich nicht hinters Licht führen, er hatte erraten, was Frodo vorgehabt hatte, dort zu tun!
Also war schließlich alles ans Licht gekommen, und am Ende war es Sam, der ihn anflehte, mit Radagast zu gehen. Sam sah Hoffnung für ihn bei dem Braunen Zauberer; Sam glaubte noch immer, dass er vom Ring heil werden könne. Frodo mochte ihm diese Hoffnung nicht verweigern, selbst wenn er sie selbst nicht teilte.
Ein leises Wiehern kam aus der Dunkelheit und Geraschel, während die Pferde sich hin und her bewegten, bevor sie sich wieder beruhigten. Radagast regte sich im Schlaf und warf einen Arm quer über Frodo, als wollte er ihn gegen irgendein Übel beschirmen. Frodo lag da und starrte zu Mond hinauf, der bleich und weit entfernt in einem schwarzen Himmel schien. Vielleicht gab es Heilung in der Wildnis. Es gab Gefahr; er war genug durch unbesiedeltes Land gereist, um das zu wissen. Wenn er keinen Frieden finden konnte, dann vielleicht wenigstens sein Ende. Er war bereit, es dabei zu belassen.