Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Faramir erwacht

Als sich Éowyn ein wenig von ihrem Schrecken erholt hatte, fragte sie Celeborn, ob er ihr den Verräter nennen konnte. Doch dieser verneinte traurig.
„Das müsst Ihr selbst herausfinden, Frau Éowyn“, erklärte er bedrückt. „Vielleicht ist das Glück Euch hold und es ist ganz leicht.“
„Aber wie soll ich vorgehen?“, fragte die ehemalige Schildmaid verzweifelt. „Ich kann ja niemanden mehr von meinen Begleitern trauen. Nicht einmal Beregond.“
„Könntet Ihr Euch denn vorstellen, dass Beregond Euch verraten würde?“, gab Celeborn lächelnd zurück. „Sogar Mithrandir berichtete mir  begeistert nach dem Ende des Ringkrieges über diesen tapferen und treuen Soldaten.“
Éowyn musste jetzt auch lächeln: natürlich war es Unsinn, Beregond zu misstrauen. Der treue Mann würde jederzeit sein Leben für das Fürstenpaar geben.

Sie begab sich auf den großen, schattigen Hof hinaus. An diesem Tag ging es etwas geschäftiger zu in Bruchtal als am Tag zuvor. Beregond befand sich mit den anderen Soldaten beim Schwertkampf-Training in einer Ecke des Hofes. Einige Elben sahen ihnen neugierig dabei zu.
Éowyn tat es fast leid, dass sie Beregond, welcher sehr begeistert bei der Sache war, von seinen Kameraden wegrufen musste. Aber der treue Soldat verzog keine Miene. Gewissenhaft begleitete er Éowyn ein Stück.
„Am besten, wir gehen in den Garten“, entschied Éowyn. „Ich muss dir etwas wichtiges sagen, Beregond.“
Der blonde Krieger war sehr gespannt, was die Herrin von ihm wollte. Er hoffte, dass sie ihm gute Neuigkeiten von Faramir brachte.

Die beiden gingen über eine schmale Steinbrücke in den großen parkähnlichen Garten. Trotz der herbstlichen Atmosphäre war Elronds Garten immer noch ein Schmuckstück.  In den rundlich angelegten Rabatten wuchsen Herbstastern in allen Farben. Die Obstbäume waren bunt belaubt und einige von ihnen trugen noch eine späte Apfelsorte. Der saftig-grüne Rasen war sauber gemäht. Éowyn verspürte plötzlich den Wunsch, ihre Schuhe auszuziehen und dort barfuß herumzulaufen. Aber das passte im Moment nicht. Sie hatte eine ernste Angelegenheit mit Beregond zu besprechen. Vielleicht ergab sich noch die Gelegenheit, dies nachzuholen.
Éowyn erblickte eine hübsche Gartenbank, die aus Metall gearbeitet war. Es ziemte sich jedoch nicht, sich mit Beregond dort hineinzusetzen. Sie wollte bei dieser Besprechung lieber stehen bleiben. Sie hielt schließlich an, als sie weit genug von den Gebäuden weg waren.

„Beregond, Herr Celeborn hat mir mitgeteilt, dass sich unter den Soldaten ein Verräter befindet“, begann Éowyn schließlich zögernd.
Der blonde Mann sah sie erstaunt an und rang nach Worten.
„Aber...aber wie kommt er denn darauf?“, stammelte er entsetzt.
„Herr Celeborn besitzt seherische Fähigkeiten, außerdem deutet Hasubeorns Verhalten darauf hin“, seufzte Éowyn und ließ die Schultern traurig hängen. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass einer unserer braven Männer, die soweit mit uns gezogen sind, ein Verräter sein soll. Aber Sarumans Verbündete sind anscheinend sehr heimtückisch.“
„Wie kann ich Euch helfen?“, fragte Beregond betroffen.
„Ich muss wissen, ob sich einer der Soldaten irgendwie verdächtig benimmt“, erklärte Éowyn nachdenklich. „Du kennst sie am besten. Handelt es sich bei allen um Männer aus Gondor, oder sind auch Männer aus anderen Landen unter ihnen?“

Beregond kratzte sich am Kopf und begann zu überlegen. Seine Stirn legte sich in Falten und er fuhr einige Male über sein stoppelbärtiges Kinn.
„Nun ja, Turgon und Faron kenne ich schon sehr lange“, erzählte er schließlich. „Wir haben zusammen unsere Ausbildung in Gondors Heer gemacht. Für diese beiden würde ich meine Hände ins Feuer legen. Aldamir und Rerlad waren in Faramirs Waldläufertruppe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihm etwas Böses antun würden. Die beiden sind auch fast reinblütige Dunedain. Turgon, Faron und ich sind Mischvolk.“
Das letzte Wort sprach Beregond mit einem breiten Grinsen aus.
„Und was heißt Mischvolk?“, wollte Éowyn neugierig wissen.
„Wir stammen nur zu einem Teil von den Dunedain ab. Unsere Vorfahren waren eher das robuste Landvolk, das Gondor schon seit ewigen Zeiten bevölkert“, erklärte Beregond schmunzelnd.
„Was ist mit Torlond?“, fragte die Fürstin erstaunt. „Ihn hast du noch gar nicht erwähnt.“
„Weil ich ihn am wenigsten kenne“, gestand Beregond verlegen. „Ich kann kaum etwas über ihn sagen. Faramir wüsste vielleicht mehr, denn er hat Torlond vor einem halben Jahr in die Weiße Schar aufgenommen.“
„Das ist schade“, murmelte Éowyn traurig. „Dass du nichts über Torlond weißt, dürfte ihn aber nicht gleich zu einem Verdächtigen machen. Das wäre ungerecht.“

Sie gingen langsam wieder zurück zum Haus, bis Éowyn plötzlich wieder stehenblieb.
„War Torlond nicht derjenige, dem Hasubeorn durchging?“, fragte die Schildmaid nachdenklich. „Und war Torlond nicht ausgerechnet der Unglückliche, dessen Pferd in jener wilden Nacht umkam?“
„Durch ein anderes Pferd“, ergänzte Beregond erschüttert.
„Wir müssen Torlond im Auge behalten“, mahnte Éowyn.
Sie war ganz blass geworden. Doch Beregond berührte sie sanft am Arm.
„Herrin, kümmert Ihr Euch um Eueren Gemahl. Um Torlond kümmere ich mich.“
„Ich danke dir“, sagte die ehemalige Schildmaid erleichtert.

Im Hof trennten sich die beiden wieder und Éowyn ging ins Haus zurück, nachdem sie einen prüfenden Blick auf Torlond geworfen hatte.
In der Halle kam ihr bereits Elrohir aufgeregt entgegen.
„Frau Éowyn, Euer Gemahl ist gerade erwacht!“, rief er freudig aus.
Für einen Elben war solch eine Gefühlsregung ziemlich ungewöhnlich.
Éowyn stolperte fast über den Saum ihres Elbenkleides, so aufgewühlt war sie. Sie raffte das Kleid hoch und beeilte sich, in das Gemach zu kommen, wo sich Faramir befand.
Die Tür war nur angelehnt, und daher stürmte Éowyn einfach hinein. Sie wollte nur zu Faramir.
Dieser lag mit geöffneten Augen im Bett und lächelte sie schwach an.
„Éowyn“, sagte er mit leiser Stimme.
„Faramir!“ Éowyn umarmte und küsste ihn heftig und Tränen des Glücks rannen über ihre Wangen.
Die anwesenden Elben verließen auf leisen Sohlen den Raum, um das Paar ungestört zu lassen.
„Ich bin so froh, dass du wieder aus dieser Starre erwacht bist“, sagte Éowyn schniefend und streichelte Faramirs bärtige Wangen.
„Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte Faramir erschöpft.
„Es waren sechs lange Tage“, sagte Éowyn bedrückt. „Du musst am Verhungern sein.“
Faramir schüttelte matt den Kopf.
„Seltsamerweise fühle ich mich satt. Selbst durstig bin ich nicht. Ich bin wie aus einem zu langen, dunklen Traum erwacht, an welchen ich mich nicht mehr erinnere.“
Éowyn schmiegte sich an ihm.
„Hauptsache, du bist wieder erwacht. Herr Celeborn hatte schon fast die Hoffnung verloren.“
Faramirs Hand fuhr zärtlich durch Éowyns Haar.
„Es tut gut, wieder deine Nähe zu spüren, mein Stern“, flüsterte er.

Ein wenig später war Faramir soweit, dass er aufstehen konnte. Etwas wackelig ging er durch das Gemach, aber dann konnte er mit Hilfe Éowyns endlich den Raum verlassen. Als sie in die Halle kamen, saßen dort Celeborn und seine Enkel Elrohir und Elladan am offenen Kaminfeuer. Der alte Elb erhob sich nun und kam dem Fürstenpaar lächelnd entgegen.
„Wie ist es geschehen?“, fragte Éowyn strahlend vor Glück.
„Er ist ganz von selbst erwacht“, erklärte Celeborn erleichtert. „Sarumans Flüche sind anscheinend doch nicht mehr so stark und langanhaltend wie früher.“
Faramir ließ sich auf einen der Stühle nieder. Er fühlte sich immer noch matt.
„Habt Ihr etwas über das Schwert herausgefunden, Herr Celeborn?“, fragte er neugierig.
„Leider noch nicht viel“, erklärte der Elb ernst. „Es ist jedenfalls ein übles Werk von Saruman und einem seiner Schüler. Jemand will Euch Böses, Herr Faramir.“
„Wir haben einen Verräter unter unseren Begleitern“, wisperte Éowyn ihrem Gemahl aufgeregt zu. „Beregond und ich vermuten, dass es sich dabei um Torlond handelt.“
„Torlond?“, wiederholte Faramir staunend. „Ich habe ihn doch erst im letzten Jahr zur Weißen Schar gerufen. Er kam mit den besten Empfehlungen von Hauptmann Gwyndor.“
Der Name des Hauptmannes sagte Éowyn nichts und sie sah Celeborn bedauernd an.
„Mir ist nur aufgefallen, dass Torlond gegen Norfric eine besondere Abneigung hatte – fast wie ich“, brummte Faramir und kratzte sich am Bart.

Celeborn und die Zwillinge wurden jetzt hellhörig, auch Éowyn blickte ihren Gemahl gespannt an.
„Wie äußerte sich das?“, wollte sie wissen.
„Torlond hatte öfters mit ihm Streit“, erinnerte sich Faramir. „Einmal wären die beiden fast aufeinander losgegangen. Ich konnte gerade noch eingreifen. Deswegen war mir auch nicht wohl, dass Norfric uns bei dieser Reise begleitet hat, denn ich wollte Torlond unbedingt dabeihaben, weil er ein guter Schwertkämpfer ist.“
„Ich glaube, dieser Torlond wird Euch den Weg zum Schurken weisen, so wie Hasubeorn Euch den Weg zu Torlond gezeigt hat“, meinte Celeborn zufrieden.

„Ich möchte, dass dieser Mann auf der Stelle ergriffen werden soll“, sagte Faramir finster. „Wehe, er hat tatsächlich mit dieser Schwertsache zu tun.“
Die Elbenzwillinge eilten sofort hinaus zu Beregond.
Nach kurzer Zeit kehrten sie zusammen mit dem treuen Soldaten zurück.
„Herr Faramir... Ihr seid wieder...erwacht“, stammelte Beregond freudig und konnte kaum die Tränen zurückhalten.
Faramir erhob sich lächelnd und klopfte dem blonden Krieger die Schulter.
„Es ehrt mich, dass sich so viele Leute Sorgen um mich gemacht haben. Aber wo ist Torlond?“
Beregond senkte den Kopf und ließ die Schultern hängen.
„Er ist spurlos verschwunden.“

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