Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Aufholjagd

Die Gruppe der Elben und Menschen ritt nun nicht mehr südwärts am Gwathló entlang, sondern nach Osten, Richtung Nebelgebirge. Schon nach einigen Stunden konnte Faramir den Fanuidhol genau erkennen. Von den Menschen wurde der Berg „Wolkenkopf“ genannt und von den Zwergen „Bundushatûr“. Der Berg hatte tatsächlich eine seltsame Form: der schneebedeckte Gipfel sah wie der überdimensionaler Kopf eines Fabelwesens aus.
„Müssen wir dort hinauf?“, fragte Éowyns zweifelnd.
„Nicht ganz“, erwiderte Elrohir lächelnd. „Der Gebirgspass verläuft etwas unterhalb des Gipfels.“
Als die Freunde den Fuß des Berges erreichten, änderte sich das Wetter. Es wurde kalt und regnerisch. Jedoch merkten sie schnell, dass dies eine natürliche Erscheinung war und kein Unwetter, das von Torlond geschickt worden war.
„Wir müssen uns in acht nehmen vor den Crebain“, warnte Elladan seine Begleiter. „Meine Kundschafter suchen bereits den Himmel nach ihnen ab. Wenn sie Torlond unseren neuen Plan verraten, dürften wir bald ernsthafte Probleme bekommen.“
Faramir blickte finster zum Himmel empor. Er hatte keine Lust, ein ähnliches Fiasko zu erleben, wie seinerzeit die Ringgemeinschaft am Caradhras. Die ehemaligen Gefährten hatten ihm einmal das schreckliche Erlebnis erzählt. Für Torlond war es sicherlich kein Problem, seinen Verfolgern ein Unwetter dieser Größenordnung zu schicken.

Als der Regen stärker wurde, rastete man sogleich am Fuße des Berges. Die Elbenkundschafter hatten mehrere kleine Grotten entdeckt, wo man trocken übernachten konnte. In eine von den Grotten begaben sich Faramir und Éowyn. Fürsorglich breitete der Fürst seine Schlafdecke aus und bot seiner Gemahlin an, es sich darauf bequem zu machen.
„Dir ist doch bestimmt auch kalt“, meinte Éowyn lächelnd. „Willst du dich nicht zu mir legen?"
Faramir war freute sich sehr über diese Aufforderung, denn die Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und seiner Gemahlin hatte ihm doch ziemlich zu schaffen gemacht.
Er legte seinen warmen Reisemantel ab und setzte sich auf die Decke. Éowyn nahm neben ihm Platz und schmiegte sich an ihn.
„Wir sind jetzt schon lange unterwegs“, murmelte sie vor sich hin, während sie ihr langes, schweres Haar zur Seite schob, um einen Zopf daraus zu flechten. „Wer hätte das gedacht, dass uns unsere Reise auch nach Isengart führen würde.“
„Noch sind wir ja nicht dort“, sagte Faramir leise, während er ihren bloßen Nacken streichelte.
Éowyn hielt glücklich seufzend inne, als ihr Gemahl begann, sie am Nacken und am Hals zu küssen.



Während das Fürstenpaar von Ithilien Zärtlichkeiten austauschte, trieb Torlond unbarmharzig sein Reittier voran. Obwohl der Warg groß und kräftig war, schien er nicht unermüdlich zu sein. Die Pforte von Rohan war bereits in Sichtweite und Torlond wusste, dass es jetzt nicht mehr weit zu Velands Gehöft war. Den Weg dorthin kannte er gut. Doch jetzt war es fast ganz dunkel und  der Warg brauchte eine Pause und Futter. Torlond entdeckte die Lichter eines Bauernhof, welcher bereits auf rohirrischen Boden lag. Sein Magen knurrte, als er daran dachte, dass diese Bauern vielleicht gerade ihr Nachtmahl einnahmen. Torlond lenkte den Warg vorsichtig in die Nähe der menschlichen Behausung. Der Bauernhof war recht klein und es gab nur zwei Gebäude: ein Wohnhaus und einen mittelgroßen Stall. Torlond hatte nicht vor, die Bauern um Essen zu bitten. Sicher würden diese Leute Angst vor dem Warg haben und das Tier vertreiben. Daher gab es nur eine Möglichkeit, um sich und den Warg zu versorgen.

Torlond führte den Warg am Zaumzeug vorsichtig durch das kleine Getreidefeld, welches zu dem Hof gehörte.
„Geh ruhig in den Stall und hol dir Futter“, sagte er seinem Reittier leise. „Da gibt es sicher feiste Hühner und Ziegen.“
Das ließ sich der Warg nicht zweimal sagen und er sprang knurrend auf den Stall zu. Mit einem kräftigen Ruck hatte er die Holztür aufgestoßen. Torlond hörte drinnend wildes Gegacker und Geblöke. Er grinste, weil er recht mit seiner Vermutung gehabt hatte. Der Lärm im Stall wurde lauter und jetzt wurde die Tür des Wohnhauses aufgerissen. Der Bauer, ein kräftiger Rohir mit langen blonden Locken, stürmte mit einer Axt in der Hand heraus.
„Hol dir auch eine Waffe, Marach!“, rief er einem halbwüchsigen Knaben zu, welcher offensichtlich sein Sohn war.
Torlond bedauerte es fast, die beiden ahnungslosen Männer töten zu müssen. Er schritt aus dem Weizenfeld und stellte sich vor die Rohirrim hin. Ein Spruch genügte, und die Bauern konnten sich nicht mehr bewegen. Torlond hatte den gleichen Zauber angewendet wie in Bruchtal.
Der Warg kam jetzt mit blutigem Maul aus dem Stall getrottet. Er hatte sich anscheinend sattgefressen. Einige Federn hingen noch in seinem Fell.
„Töte die beiden hier!“, befahl Torlond dem Untier.

Der ehemalige Soldat ging ins Haus, denn er wollte nicht unbedingt zusehen, wie der Warg den braven Bauern den Garaus machte. Als Torlond den einzigen Wohnraum des Hauses betrat, sah er den Rest der Familie, eine blonde Frau und ein kleines Mädchen am Tisch sitzen. Sie waren auch durch den Zauber erstarrt. Auf dem Tisch standen Butter, Käse, weißes Brot und Milch. Torlond hatte großen Hunger und fing sofort an zu essen. Als er einigermaßen satt war, stopfte er seinen Vorratsbeutel noch mit Lebensmittel voll und verließ dann mit einem kalten Lächelnd das Haus. Er drehte sich noch einmal um und machte eine Handbewegung. Sofort fing das Strohdach Feuer. Die Frau und ihre Tochter würden hilflos verbrennen. Torlond rief den Warg zu sich und versuchte möglichst nicht darauf zu achten, was aus dem Bauern und seinem Sohn geworden war. In einiger Entfernung wollte Torlond sein Nachtlager aufschlagen.

* * *



Der Aufstieg zum Fanoidhol war nicht einfach. Der Pfad war schmal, steil und von Geröll bedeckt. Als eines der Pferde ausrutschte und fast stürzte, beschlossen die Freunde, von nun an zu Fuß weiterzugehen und die Reittiere vorsichtig zu führen. Je höher sie kamen, desto kälter und ungastlicher wurde das Wetter. Teilweise mischten sich Schneeflocken in den Regen. Faramir drehte sich immer wieder besorgt zu Éowyn um. Doch die ehemalige Schilmaid hielt tapfer mit. Der kalte Eisregen, welcher wie tausend Nadeln in die Gesichter der Menschen und Elben stach, wollte einfach nicht aufhören. Gerade als Faramir den Verdacht hegte, dass vielleicht doch Torlond seine Hand im Spiel hatte, ließ das Unwetter allmählich nach. Sie waren weit gekommen: der Gipfel des Fanoidhol lag zum Greifen nahe vor ihnen, doch die Elben stiegen jetzt nicht weiter hoch, sondern folgten dem Pfad, welcher unterhalb des „Wolkenkopfes“ weiterführte. Sie ließen den Gipfel hinter sich und langsam begann der Abstieg vom Fanoidhol auf der anderen Seite des Berges. Unter ihnen lag der Fangorn im Nebel und Faramir glaubte bereits in der Ferne den Orthanc zu sehen, welcher wie ein drohender Finger hinter den Bäumen hervorragte.

Auf einem Felsplateau wurde erneut ein Nachtlager aufgeschlagen. Die Elben teilten Lembas an ihre menschlichen Begleiter aus. Faramir und Éowyn waren sehr überrascht darüber, denn sie hatten nicht erwartet, dass es dieses Gebäck noch in Mittelerde nach Galadriels Scheiden gab.  Das Elbenbrot war sogar in Mallornblätter eingewickelt.  
„Es ist das letzte Brot, dass in Lothlórien hergestellt wurde“, erklärte Elladan mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme. „Unsere Großmutter schenkte es uns, bevor sie in den Westen segelte. Wir wollten es für eine besondere Reise aufheben und ich denke, dass es richtig war, das Lembas auf diesen ungewissen Pfad mitzunehmen. Kostet nun das Brot der Elben zum ersten und letzten Male in Euerem Leben, meine Freunde.“

Das ließ sich das Fürstenpaar nicht zweimal sagen und mit einem Lächeln im Gesicht bissen sie von den Lembasfladen ab, welche ihnen von den Elben gereicht wurden.
„So etwas Köstliches habe ich noch nie gegessen“, sagte Éowyn erstaunt und betrachtete das Lembas in ihrer Hand, welches eigentlich ganz unscheinbar aussah.
Faramir kaute genüsslich und ließ den Geschmack auf der Zunge zergehen. Doch zugleich spürte er auch das plötzliche Sättigungsgefühl in seinem Magen. Er legte das Brot zurück in das Mallornblatt. Auch Éowyn konnte nicht mehr weiteressen.
„Ich bin völlig satt“, sagte sie erstaunt und betrachtete das angebissene Lembas in ihrer Hand.
Die Elben wirkten amüsiert über die Reaktion der Menschen. Auch die Soldaten des Fürstenpaares durften von dem Lembas kosten und waren ähnlich schnell satt wie das Fürstenpaar.
„Hebt das Lembas gut auf“, mahnte Elrohir. „Es gibt Euch die Kraft, welche Ihr gegen Torlond noch brauchen werdet.“


* * *


Torlond wurde durch den Regen wach, welcher vom Norden her zur Pforte Rohans gezogen war. Leicht ärgerlich murmelte er eine Zauberformel und schon verzogen sich die Wolken. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er fast nass bis auf die Haut geworden war. Er hatte keine Wechselkleidung dabei. Bekleidet war er immer noch mit der Soldatentracht aus Gondor. Die eiserne Rüstung trug er nicht mehr, aber immer noch das lästige Kettenhemd, welches ihm auch als Schutz diente. Aber vielleicht brauchte er es nicht mehr, wenn er in Velands Gehöft angekommen war. Durch die Schriftrollen würde er der mächtigste Zauberer von ganz Mittelerde werden. Saruman und Gandalf gab es nicht mehr.
Wie gut, dass dieser Gandalf Mittelerde für immer verlassen hat, dachte Torlond grinsend bei sich, während er in den Sattel des Wargs stieg.
Mit diebischer Vorfreude ritt er nun den schmalen Pfad durch die Grasebene entlang, welcher zu Velands Gehöft führte. Ein Craban kam schnarrend herangeflogen und setzte sich auf einen einsamen Hulstbaum. Es war wie eine Art Warnung für Torlond, doch dieser konnte einfach nicht glauben, was ihm der schwarze Vogel mitteilen wollte.
Stattdessen trieb er den Warg ungeduldig voran. Er wollte jetzt endlich das Haus erreichen. Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft, als er in das kleine Tal einbog, in welchem das Gehöft lag. Der Warg blieb knurrend stehen.
„Was ist mit dir, Warg?“, fragte Torlond mürrisch. „Du sollst weitergehen.“
Das Untier setzte sich unwillig wieder in Bewegung.

Endlich kam das Gehöft Velands in Sicht, oder besser gesagt, das, was davon übrig war: es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
„Nein!“, schrie Torlond entsetzt auf. „Das darf nicht wahr sein!“
Rasch sprang er von dem Warg herab und lief zu den rauchenden Trümmern der Hütte. Er hoffte, noch die eine oder andere Schriftrolle retten zu können, obwohl er tief im Inneren wusste, dass das unmöglich war. Der Warg jedoch nahte sich der verbrannten Hütte nicht. Er blieb mit gesträubtem Fell stehen und knurrte wieder. Eine Schar Crebain kreiste am Himmel über der rauchenden Ruine. Ihre Schreie enthielten eine Warnung, doch Torlond war viel zu entsetzt, um darauf zu achten. Mit Tränen der Wut in den Augen stocherte er in den Trümmern herum und verbrannte sich sogar dabei fast die Hände. Auf diese Weise entging ihm der Dunländer, welcher im nahen Gebüsch lauerte und einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens legte.

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