Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Entscheidung am Orthanc

Der Warg kam dem Dunländer in letzter Sekunde in die Quere: ehe der Pfeil den Bogen verlassen konnte, war das Untier auf den Menschen gesprungen und hatte ihn zu Tode gebissen. Torlond erbleichte, als er sah, dass ihm sein Reittier gerade das Leben gerettet hatte.
„Was machen diese verdammten Dunländer hier?“, stieß er erstaunt und wütend zugleich hervor.
„Bring mir einen von ihnen lebend!“, forderte er den Warg auf.
Das große Biest legte seinen Kopf schief und schaute ihn mit seinen hässlichen, gelben Augen finster an. Er stieß kurz ein lautes Fauchen hervor und verschwand dann in den nahen Büschen. Torlond aber wurde jetzt vorsichtiger. Er verbarg sich zwischen den Trümmern des Hauses und wartete auf die Rückkehr des Wargs.
Es dauerte nicht lange und der Warg kam zurück. Mit sich schleifte er einen schreienden Menschen, dessen rechtes Bein er in seinem Maul trug. Es handelte sich um einen Dunländer. Diese Menschen waren primitiver als die Rohirrim und trugen schlechte Kleidung. Das Gesicht des Mannes schmutzig und seine Augen funkelten wild, als ihn der Warg losließ.

Torlond zog sein Schwert und bedrohte den Dunländer.
„Bist du einer von denen, die das Haus von Veland angezündet haben?“, fragte er zornig.
Der Dunländer entblößte zwei Reihen fauliger Zähne, deren Anblick bei Torlond Ekel auslöste.
„Veland ist ein Lügner!“, fauchte der Dunländer mit tiefer, kehliger Stimme. „Er hat uns Hilfe versprochen, stattdessen schickte er uns Warge, die unsere Kinder geraubt und gefressen haben.“
Torlond konnte sich jetzt alles zusammenreimen: Veland wollte die Dunländer unterdrücken und sie hatten sich dafür gerächt, indem sie sein Gehöft angezündet hatten.
„Habt ihr sein Haus ausgeraubt, bevor ihr es abgefackelt habt?“, wollte Torlond ungeduldig wissen.
Der Dunländer schüttelte entsetzt den Kopf.
„Nein, wir haben alles verbrannt. Veland bewahrte böse Worte in seinem Haus auf.“
Torlond wusste, was er damit meinte. Die Schriftrollen waren also für immer verloren.
„Ihr seid solche Taugenichtse!“, fuhr er den Dunländer an. „Die Schriften wären so wichtig für mich gewesen!“
„Dann musst du zum Orthanc gehen“, meinte der Dunländer gelassen. „Dort gibt es noch viele der bösen Worte Sarumans.“
Torlond hatte genug gehört und er brauchte den Mann nicht mehr. Er gab dem Warg einen Wink.  Das Geschrei des Dunländers hielt nicht lange an. Der Warg leckte sich genüsslich über die lange Schnauze und trottete nach erledigter Arbeit zu Torlond hinüber.
„Wir müssen zum Orthanc, mein Freund“, meinte dieser seufzend und warf einen angeekelten Blick auf den toten Dunländer.



* * *




Die Gruppe der Menschen und Elben erreichten am Mittag des nächsten Tages den Fangornwald. Die riesigen Bäume ragten bedrohlich in die Höhe und ihre mächtigen Zweige versperrten immer wieder den Weg. Faramir und Éowyn war es nicht wohl zumute, hier durchzureiten. Doch die Elben wirkten heiter und gelassen. Schon bald stimmten sie ein Lied an und plötzlich erschien der mächtige, alte Wald freundlicher. Die Bäume wirkten nun nicht mehr feindselig, sondern fast einladend breiteten sie ihre Zweige am Wegesrand aus.
„Homm homm, junger Meister Elrohir!“, rief auf einmal eine unglaublich tiefe Stimme.

Erstaunt drehte das Fürstenpaar sich um und sah, wie einer der Bäume sich auf die Reiter zubewegte. Beim näheren Hinsehen jedoch erkannten sie, dass es sich um keinen Baum, sondern um einen Ent handelte. Baumbarts verwittertes Gesicht und sein Bart sahen aus wie alte Baumrinde, doch seine Augen funkelten wie die eines Menschen. Seine knorrigen Arme und Beine wirkten wie große Äste und es sah wirklich merkwürdig aus, wie er sich fortbewegte. Er begrüßte die Elben wie alte, liebgewonnene Freunde und wurde dann auch auf deren Begleiter aus Gondor aufmerksam.
„Das ist also der berühmte Baumbart“, raunte Éowyn ihrem Gemahl verwundert zu.
„Burarum, da sind Menschen!“, rief er erstaunt aus. „Lange habe ich keine von euch mehr hier gesehen. Was führt euch hierher?“
„Wir müssen so schnell wie möglich nach Isengart“, erklärte Faramir, welcher angesichts der langen Unterhaltung zwischen Baumbart und dem Ent etwas ungeduldig wurde.
„Nicht so hastig, mein junger Freund“, meinte Baumbart gelassen. „Wir haben viel Zeit.“
Faramir warf den Elben einen hilflosen Blick zu. Doch diese blieben ganz ruhig und lächelten dem Fürsten aufmunternd zu.
„Menschen und Hobbits sind immer in Eile, hum hom“, meinte Baumbart und schüttelte seinen mit kleinen Ästen behaarten Kopf, so dass es laut raschelte.
„Wir müssen weiter“, flüsterte Faramir Elladan mahnend zu. „Vielleicht ist auf dem Rückweg Zeit für ein längeres Treffen mit Baumbart.“
„Keine Sorge, Faramir“, erwiderte Elladan fröhlich. „Der Orthanc liegt bereits ganz nahe. Wir können ganz beruhigt sein.“
„Aber Torlond darf nicht vor uns dort sein“, drängte nun auch Éowyn besorgt.
Die Elben spürten die wachsende Ungeduld ihrer menschlichen Begleiter und sie verabschiedeten sich schweren Herzens von Baumbart.

* * *



Torlond trieb den Warg unbarmherzig voran. Schon bald erreichte er die Talsenke, in welcher Isengart lag. Das einstige Reich Sarumans war jetzt ein begrünter Garten mit einem kleinen Stausee rings um den immer noch finster wirkenden Orthanc, welcher das einzige Überbleibsel von Sarumans Herrschaft war. Torlond stieg mit einem leisen Fluch auf den Lippen am Ufer des Stausees vom Warg. Vorsichtig begann er durch das kniehohe Wasser zu waten. Als es tiefer wurde, senkte er mit einem Zauberspruch den Wasserstand. Frohlockend erreichte er das Tor des dunklen Turmes mit seinen drohenden Zacken an der Spitze. Doch das Tor ließ sich nicht öffnen, auch nicht mit der Anwendung von Zauberformeln.
„Das war Gandalfs Werk!“, stieß Torlond grimmig hervor. „Der alte Narr hat das Tor mit weißer Magie versiegelt.“
Es musste noch einen anderen Weg geben, in den Orthanc zu kommen. Er trat einige Schritte ins Wasser zurück und blickte nach oben. Ein Zauberspruch genügte und plötzlich baumelte ein Seil vor seiner Nase. Mit diesem konnte er leicht den Turm hinaufklettern und in eines der Fenster hineinschlüpfen. Gerade als er nach dem Seil greifen wollte, hörte er Hufgetrappel jenseites des Stausees. Ärgerlich fluchend drehte sich Torlond um und erblickte seine Verfolger. Bevor er einen Zauber anwenden konnte, kam der Warg auf die Menschen und Elben wütend zugesprungen.

Faramir und seine Soldaten waren ein wenig vorausgeritten. Éowyn war auf Wunsch ihres Gemahls bei den Elben geblieben.
„Da vorne ist er, Herr Faramir!“, rief Turgon, einer von Faramirs Männern, aufgeregt, als sie an den Stausee von Isengart kamen.
„Wir sind fast zu spät gekommen“, murmelte Faramir finster.
In diesem Moment ertönte ein lautes Fauchen und Knurren. Die Pferde scheuten und die Soldaten fielen zu Boden, nur Faramir gelang es, auf Hasubeorn sitzen zu bleiben. Ein riesiger Warg kam herangeeilt. Der Fürst von Ithilien hatte solch ein Untier noch nie aus der Nähe gesehen. Mutig zog er sein Schwert, das nun nicht mehr die Runen Sarumans, sondern die der Elben trug. Der Warg ließ sich jedoch von dem Schwert nicht einschüchtern und griff Faramir direkt an. Er stieß gegen Hasubeorn und nun konnte sich Faramir nicht mehr auf dem Rücken des grauen Hengstes halten. Es gelang ihm aber, sich geschickt abzurollen, so dass er rasch wieder auf die Beine kam. Der Warg sprang ihn unvermittelt an und Faramir rammte ihm im letzten Moment das Schwert bis zum Heft in die Brust. Sterbend sank der Warg zu Boden und ließ ein letztes schauriges Heulen ertönen.
„Nein!“, rief Torlond entsetzt, welcher den Kampf aus der Ferne verfolgt hatte.
Er war zu weit entfernt, um Faramir mit einem Zauberspruch das Handwerk zu legen.
„Gib auf, Torlond!“, rief der Fürst nun mit lauter Stimme über den See.
„Niemals“, stieß der Verräter grimmig hervor. „Ich bin so nah am Ziel. Ich werde bald der mächtigste Zauberer Mittelerdes sein.“

Faramir ließ sich von einem der Soldaten Pfeil und Bogen geben. Er war ein guter Schütze.
„Er ist wahrscheinlich zu weit entfernt, aber ich werde es probieren“, murmelte Faramir vor sich hin.
Der erste Pfeil fiel wirkungslos vor dem Orthanc ins Wasser.
„Ihr müsst schon ein wenig näher kommen, Herr Faramir“, frohlockte Torlond und kletterte weiter am Seil nach oben.
Faramir warf ihm einen grimmigen Blick zu und betrat vorsichtig den Stausee. Das Wasser war nicht tief.
„Vorsicht!“, warnte einer der Soldaten. „Wenn Ihr zu nahe kommt, wird er wieder seine Zauberkünste anwenden.“
„Ich weiß“, sagte Faramir finster. „Aber vielleicht ist er durch das Klettern zu sehr abgelenkt, um zu zaubern.“
Torlond bekam mit, dass Faramir sich näherte und er schwang sich auf einen Mauersims.
„Das war ein Fehler von Euch“, sagte er leise zu sich selbst und murmelte einen Zauberspruch.
Faramir wurde unter Wasser gerissen, bevor er einen weiteren Pfeil auf Torlond schießen konnte.
„Nein!“, schrie Éowyn entsetzt auf, die in diesem Moment mit den Elben ankam.

Einige Elben und die Soldaten sprangen ins Wasser, um Faramir zu helfen. Torlond aber lachte höhnisch.
„Ihr werdet ihn niemals finden“, rief er zu ihnen hinüber.
Während Torlond seine Feinde verspottete, näherte sich leise eine riesige Gestalt dem Orthanc von der anderen Seite. Eine große Pranke, welche wie ein gewaltiger Ast aussah, umschloss Torlond Körper und schleuderte diesen davon, als ob es sich um ein lästiges Insekt handele. Torlond prallte auf einen Felsen am Rande des Stausees und zerschmettert versank sein Körper im Wasser.
Jetzt tauchte auch plötzlich Faramir wieder im Wasser auf. Er prustete und schnappte nach Luft.
„Dieser Mistkerl“, japste er. „Ich wurde von einer unsichtbaren Kraft in die Tiefe gezogen.“
Die Elben und die Soldaten halfen ihm aus dem Wasser. Éowyn schloß ihn glücklich in die Arme. Es war noch einmal alles gutgegangen.
Baumbart kam langsam zu den Freunden gestapft.
„Humm homm, Isengart wird nicht erneut von falschen Zauberern heimgesucht werden“, verkündete er triumphierend.
„Da seht!“, rief Elrohir plötzlich und deutete auf die Stelle im See, wo Torlonds Körper versunken war.

Ein Heer von Schattenwesen schwebte über den See. Es schien auf etwas zu warten. Nach kurzer Zeit stieg eine durchscheinende Gestalt aus dem Wasser.
„Du gehörst jetzt für immer zu uns“, flüsterten die Schattenwesen und packten die Gestalt.
„Nein!“, schrie Torlonds Geist flehend.
Doch die Wesen nahmen ihn mit sich und alsbald löste sich alles in Luft auf.

„Das ist die gerechte Strafe für diesen Mann“, meinte Faramir seufzend und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht.
„Die Schattenwesen müssen bis ans Ende aller Tage auf Mittelerde wandeln und werden niemals Ruhe finden“, sagte Elladan leise. „Ihr aber werdet niemals wieder von ihnen behelligt werden. Sie werden ihr Dasein in den dunkelsten Ecken des Nebelgebirges fristen, bis alle Zeit aufgebraucht ist und sich diese Welt erneuert.“
Faramir ging zu Baumbart und bedankte sich bei ihm. Schließlich hatte ihm der Ent das Leben gerettet.

Eines aber wollte das Fürstenpaar noch wissen, bevor alle Isengart gemeinsam verließen: ob es im Orthanc tatsächlich noch Zauberbücher und Schriften von Saruman gab.
„Nein, die gibt es nicht“, erklärte Baumbart gutgelaunt. „Der junge Meister Gandalf war kurz vor seinem Weggang aus Mittelerde noch hier und hat den Orthanc von Sarumans Erbe gereinigt. Es liegt hier nicht einmal ein Staubkörnchen herum, das von Saruman stammen könnte. Borarum!“
Erleichtert lächelten sich Faramir und Éowyn an. Das aufregende Abenteuer, welches mit einem verzauberten Schwert angefangen hatte und sie quer durch Mittelerde geführt hatte, war nun gut ausgegangen.

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