Arda Fanfiction

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Schatten von Eregion

von Luminella

Die Glut im Glas

Im Westen Mittelerdes, zwischen den ersten Hängen der Nebelberge und dem weiten Land der Hulstenbäume, lag einst das Land Eregion, das von den Elben Hulsten genannt wurde – das Land der holzlosen Steine, der offenen Winde und des hellen Lichts. Dort, wo sich das Gras silbern im Wind bog und das Licht der Sonne flach über Felder und Hügel rollte wie Wasser über Glas, lebte in jenen Tagen ein Volk der Elben, hoch an Weisheit und Geschick. Und in ihren Hallen schmiedeten sie Dinge von solcher Schönheit und Macht, dass selbst die Herren aus dem Westen horchten.

Doch nicht nur Elben wandelten in Eregion. Auch Menschen lebten dort – wenige, geduldet, nicht hoch geachtet, aber auch nicht verachtet. Unter ihnen war eine Frau, Elwen genannt, die in einer schmalen Hütte nahe dem südlichen Tor von Ost-in-Edhil lebte. Elwen war eine Glasbläserin, und ihr Handwerk war schlicht im Vergleich zu den Wundern der Elben, doch ihre Werke besaßen eine stille Schönheit, wie man sie nur selten findet: Lichterfänger, in denen das Morgenrot ewig zu wohnen schien, und Fläschchen, so fein gewölbt, dass ein einziger Tropfen Morgentau sie füllte.

Elwen war stillen Wesens, mit dunklem Haar und klarem Blick, und ihr Lachen war selten, aber wahr. Sie war nicht aus edlem Haus, und niemand kannte ihre Herkunft mit Gewissheit. Manche sagten, sie stamme aus dem Süden, aus jenen verstreuten Dörfern zwischen Gwathló und Enedwaith, wo die Sprache der Alten noch manchmal im Wind zu hören ist. Andere behaupteten, sie sei als Kind allein im Nebelwald gefunden worden, mit nichts als einem Splitter aus grünem Glas in der Hand.

Sie lebte mit einem Mann, Belegor war sein Name, einem Schmied, der unter den Gwaith-i-Mírdain diente – nicht als einer der Meister, doch geschätzt um seine Geduld, seine ruhige Kraft und die Art, wie er das Eisen behandelte, als sei es ein lebendiges Wesen. Auch seine Herkunft war unbekannt. Doch es kümmerte Elwen nicht, noch kümmerte es ihn. Sie waren wie zwei Lichter in der Dämmerung – leise brennend, aber unerschütterlich.

Die Tage vergingen, und das Jahr neigte sich dem Herbst zu. Die Luft wurde klarer, die Schatten länger, und in den Nächten wehten kalte Winde aus dem Osten heran. Die Elben sagten, es sei nur das kommende Jahr, das sich ankündige – doch Belegor sprach eines Abends leise: „Die Winde bringen mehr als Regen und Laub.“

Elwen schwieg, aber ihr Blick blieb lange auf dem Feuer ruhen, das im Glasofen tanzte.

An einem solchen Abend kam Belegor nicht heim. Der Tag war wie viele zuvor gewesen – ruhig, ohne Omen, ohne Zeichen. Elwen wartete, wie sie es oft tat, die Hände in den Schoß gelegt, während das Glas im Ofen glühte. Die Schatten wurden länger, der Herd kühler, und das letzte Licht des Tages lag wie Gold auf den Fensterscheiben.

Doch die Tür öffnete sich nicht.

Als die Nacht vollends hereingebrochen war und selbst die Laternen in den Gassen verlöschten, ging Elwen hinaus. Ihre Schritte waren lautlos auf dem Stein, und nur der Wind begleitete sie. Sie fand ihn in einer Seitengasse nahe der Schmiedehallen, dort, wo kein Mondlicht fiel. Belegor lag auf dem Pflaster, das Blut schwarz in seinem Haar. Die Augen waren noch offen, als hofften sie auf etwas, das nicht mehr kam.

Man sagte später, es sei ein Überfall gewesen – ein zufälliger Mord, wie sie in jeder Stadt geschehen, selbst in jenen, die sich den Elben gleich glauben. Es fehlte nichts an ihm. Kein Gold, keine Waffe war genommen. Nur das Leben.

Elwen sprach nichts. Sie weinte nicht. Sie stand lange an jenem Ort, bis der Morgen kam und das erste Licht über die Mauern kroch. Dann ging sie heim, löschte das Feuer im Ofen und schloss die Tür.

In den folgenden Tagen war sie kaum zu sehen. Die Elben sprachen leise darüber, wie zerbrechlich die Menschen seien, wie schnell ihre Seelen erlöschen. Doch wer an ihrem Fenster vorbeiging, meinte manchmal, Licht darin zu sehen – nicht das kalte Licht der Sterne oder das warme Licht von Kerzen, sondern etwas anderes. Etwas, das zitterte wie Flammen hinter Glas.

Und niemand wusste, dass Belegors Geist nicht gegangen war.

Noch nicht.

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