Der Winter des Jahres 2509 D.Z. wich langsam dem Frühling, doch kein neues Leben erwachte in den dunklen Landen südlich des Düsterwalds. Dort regte sich ein Schatten, alt und unheilvoll, während dumpfe Trommeln durch das kahle Geäst hallten. Die Balchoth, ein wildes Volk aus dem Osten, versammelten sich in großer Zahl entlang des Anduin, bereit, über Gondor herzufallen wie ein Sturm aus Blut und Feuer.
Cirion, der Truchsess Gondors, stand an jenem Tag auf den Mauern von Minas Tirith und sah gen Norden, dorthin, wo Hoffnung noch leben konnte. Seit Jahren schon war Gondors Macht geschwunden. Die einst stolzen Armeen waren verstreut, viele Festungen verlassen, und der Feind lauerte an allen Grenzen. Doch jenseits des Großen Stroms, in den oberen Tälern des Anduin, lebte ein Volk, das einst Gondors Verbündeter gewesen war: die Éothéod, Reiter von unübertroffener Kühnheit, Nachkommen der Nordmenschen von Rhovanion.
In höchster Not rief Cirion nach Freiwilligen, um eine Botschaft nach Norden zu senden. Keine einfache Bitte, sondern ein verzweifelter Ruf – ein Schwur, in Gedächtnis alter Bündnisse. Sechs Männer traten hervor. Unter ihnen war Borondir, Sohn des Baranor, ein Reiter aus einem alten Geschlecht, der schon in jungen Jahren in vielen Schlachten gestanden hatte. Man nannte ihn Udalraph, den Reiter des Fernen Pfades – ein Name, der bald zu Legende werden sollte.
„Du wirst einer der Ersten sein“, sagte Cirion zu ihm, „und möge jede Stunde deines Ritts durch Hoffnung getragen sein.“
Am zehnten Tage des Monats Náríë verließ Borondir mit seinem Gefährten die Stadt. Zwei weitere Reiterpaare sollten folgen, jedes um einen Tag versetzt. Alle trugen dieselbe Botschaft im Herzen, auswendig gelernt, da kein Pergament sicher war auf diesen Wegen. Und jeder führte einen kleinen Stein bei sich, aus schwarzem Obsidian, in den das Siegel des Truchsessen eingraviert war – ein Zeichen der Wahrheit, ein Pfand Gondors.
Sie ritten durch Calenardhon, das weite, kaum noch bewohnte Grasland, das einst zu Gondor gehört hatte. Regen und Frost wechselten sich ab, und die Wege waren leer, doch nie wirklich sicher. Die Schatten aus dem Süden reichten weit, und Dol Guldur war nicht stumm in jenen Tagen. Immer wieder sahen sie Rauch am Horizont, hörten Stimmen, die keine menschlichen waren.
Und dann, am dritten Tag, kamen sie Dol Guldur zu nahe.