Arda Fanfiction

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Wehe euch Sterblichen

von Dairyû

Chapter #2

Bei Tagesanbruch fand man den Wächter in seinem Blute liegen, seine Glieder waren gar gräßlich verdreht und in seinen Augen stand eine namenlose Angst. Sein eigenes Schwert war es, mit dem man ihn erschlagen hatte, eine tiefe Wunde war durch die Klinge in seinen Leib gerissen worden. Aber es gab keine Spuren; allein die des Wächters, der mit Eisen beschlagene Stiefel trug, hatten sich in den felsigen Boden gegraben, als er mit einem unbekannten Gegner gerungen hatte.

Ratlos waren die Menschen, und die Oberen der Stadt beriefen eine Versammlung ein, denn niemand vermochte zu sagen, was geschehen war und was es bedeutete. Viele hatten den seltsamen Schrei vernommen und für einen Augenblick hatte die Angst ihre Herzen ergriffen.
Aber sie war vergangen wie ein Windhauch und da es keinen Alarm gegeben hatte, waren die Menschen von Minas Ithil beruhigt in den Schlaf zurückgesunken, und wer wach gewesen war, hatte noch ein Weilchen gelauscht und den seltsamen Laut dann mit einem Kopfschütteln abgetan.

Nun aber kam wieder Unruhe über sie und sie beratschlagten lange. Leise wurde von einer Gefahr aus dem Osten geflüstert, aber Mordor lag still wie eh und je, seit Sauron im Krieg des Letzten Bündnisses besiegt worden war und nichts war über das Schattengebirge gekommen, was die Wächter in Minas Ithil nicht gesehen hätten. Sie wussten von bösen Dingen im Land des Feindes, aber diese blieben verborgen und niemals hatte etwas gewagt, hervor zu kriechen und Unheil mit sich zu bringen. Auch konnte keiner sagen, was sich in dem verfluchten Reich aufhielt.

Nur Gerüchte machten die Runde und manchmal erzählte einer der Jäger, er hätte in den Bergen seltsame Spuren gesehen, die nicht zu deuten waren. Ein anderer sprach einmal von einer unerklärlichen Angst, die ihn erfasst hatte, als er sich auf einer einsamen Wanderung nach Mordor gewagt und die Ebene von Gorgoroth betreten hatte.
Aber dennoch war allen Menschen die Stadt immer als Hort der Sicherheit erschienen, dem man sich anvertrauen konnte und der nach Osten hin keinen besseren Schutz bot, als das Schattengebirge. Und der Westen war immer sicher gewesen ...

Seit ungezählten Jahren hatte man die Zugbrücke des Nachts nicht gehoben und nur einen Wächter dort stehen lassen, nun aber schloss sie sich in der Dämmerung, und es zahlte sich aus, dass man ihre starken Ketten gepflegt und den Hebemechanismus geschmeidig gehalten hatte.
Wachen wurden am Tor postiert und es waren ihrer viele.

So gingen zwei Monate ins Land, der Herbst kündigte sich an - und nichts war geschehen. Ein schlimmes Geschick wurde aus dem Unglück, das den Wächter ereilt hatte, und die Menschen gewannen ihre alte Zuversicht und Ruhe zurück. Die Nächte waren wieder angenehm und wurden wieder begrüßt. Man saß an den Kaminfeuern, die am Abend entzündet wurden, sang und erzählte, bis der Schlaf kam, und am Morgen begann man seinen Aufgaben nachzugehen, ein jeder nach seinen Fähigkeiten.

Die kurzen Tage kamen, an denen letzte Vorkehrungen für den Winter getroffen wurden. Die Jäger brachten noch einmal reiche Beute aus den Bergen und die letzten Wagen schafften Korn aus Ithilien heran, um die Kammern zu füllen, denn wenn erst der Schnee fiel, dann war die Stadt ein einsamer Hort der Behaglichkeit in den Bergen, abgeschnitten von der Welt ringsum.

Die Nacht des Neumondes im elften Monat des Jahres war es, als das Unheimliche wieder umging in Minas Ithil, und keiner bemerkte es, als es in den Stunden des tiefsten Schlafes kam. Aber als es offenbar wurde, da erhob sich große Klage und weithin erklang sie über die Mauern der Stadt.
Als der Morgen graute und die Späher auf dem Turm ihren Platz verließen, um anderen Scharfsichtigen die Wache zu überlassen, da sahen sie mit Erstaunen, dass in keinem der Häuser, die den Ort umsäumten an dem der Turm stand, Lichter entzündet worden waren; niemals war es anders gewesen, so kannten sie es und der Schein vieler Kerzen aus den Fenstern und Laternen an den Türen hatte ihnen den Weg in ihre eigenen Heimstätten weisen müssen.
Nun aber war es dunkel, nur ein schwacher Schimmer im Osten kündigte den Tag an, und mit einer bangen Ahnung im Herzen gingen die Wächter langsam voran, bis einer der ihren an ein kleines Bündel stieß. Er kniete sich nieder und betastete es und seine Hände streiften ein kaltes Gesicht ...

Wie schnell erwachte die ganze Stadt an diesem Morgen und wie sehr waren die Menschen in Angst und Schrecken gestürzt worden, denn das Unfassbare war geschehen. In den starken Mauern der Feste waren Meuchelmörder umgegangen, und keiner wusste, wie es ihnen gelungen war Minas Ithil zu betreten; Tor und Zugbrücke waren unversehrt und die Wächter beteuerten bei allem, was ihnen heilig war, keine Seele die Stadt betreten gesehen zu haben.
Und auch die Späher auf dem Turm hatten des Nachts nichts erblickt, so gut ihre Augen auch waren, wenn sie die Dunkelheit durchforschten.
Aber die Augen der Sterblichen vermögen nicht alles zu sehen ...

So blieben nur die geheimen Pfade durch das Gebirge, von denen aus man die Stadt über verborgene Eingänge in den Kellern einiger Häuser betreten konnte; aber sie waren seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden, und als man nun einige Männer ausschickte, kamen sie wenig später mit der Kunde zurück, dass Staub und Spinnweben von Jahren die verborgenen Gänge bedeckten und säumten. Nichts konnte sie durchquert haben, ohne eine Spur zu hinterlassen, soviel war gewiss.

Mit Unbehagen erinnerte man sich des Wächters, der im Sommer des Jahres sein Leben gelassen hatte, unter Umständen, die genauso unerklärlich gewesen waren, und man begann von Geistern zu sprechen, die die Lebenden heimsuchten. Aber Geister töteten nicht auf die Weise, wie die Menschen sie vor Augen hatten. Sie hinterließen keine Anzeichen ihrer Gegenwart; und genau das war geschehen.

Die Ermordeten waren aus ihren Häusern geschleppt worden, sie lagen vor den Türen, die aus den Angeln gehoben waren, als hätten sie kein Gewicht, dabei waren zwei kräftige Männer nötig, um dies zu tun.
Mit Trauer und Furcht betrachtete man die Toten.
Seltsam geformte Klingen hatten sich in die Leiber der Unglücklichen gegraben und ihrem Leben ein jähes Ende bereitet. Vorsichtig nahm man die Toten, um sie zu verbrennen, wie es Brauch war in Minas Ithil, denn es gab keine Erde, in der man sie hätte bestatten können. Als man unter großen Klagen die Leichname zusammenlegte, schob sich die Sonne über das Schattengebirge, aber niemand begrüßte sie freudig und über die Stadt legte sich mit einem Male eine gespenstische Stille, wie gelähmt und willenlos waren alle.

Jedoch, die Ruhe und das Innehalten währten nur kurze Zeit, dann wurde beides jäh von dem Klirren eines Messers unterbrochen, das sich aus dem Herzen eines Kindes löste und auf den Boden aus Stein fiel.
Zaghaft und vorsichtig traten einige Menschen hinzu, der mutigste unter ihnen griff nach der Waffe.
Das mit Runen verzierte Heft war kalt wie Eis, wenn man es berührte und mit einem Male verging die Klinge im Lichte der Sonne, deren Strahlen nun den Platz zu erleuchten begannen und auch die Toten schwanden dahin, bis nur noch ihre Kleider und die Überreste der Waffen dort lagen, wo eben noch ihre Körper gewesen waren!

Entsetzt wandten sich die Menschen ab und flohen von der Stätte der Trauer, die zu einer Stätte des Grauens geworden war. Lange Zeit verbrachten sie in Furcht in ihren Häusern, wohl wissend, dass die starken Mauern keinen Schutz gegen das namenlose Böse boten, das die Stadt heimgesucht hatte. Hilflos fühlten sie alle sich, wie nie zuvor. Sie rüsteten sich, auch wenn sie nicht wussten, gegen wen sie ihre Waffen hätten erheben können. Aber ein jeder schärfte sein Schwert und übte sich in der Waffenkunst, damit er vorbereitet wäre, wenn es zum Ärgsten käme. Und der Frieden in der Stadt war dahin. Gar manch böses Wort fiel von nun an, denn wenn kein Feind von Außen kommen konnte, dann musste er doch unter ihnen selbst zu finden sein! Misstrauen hielt Einzug unter den Menschen und schwächte ihre Gemeinschaft.
Doch sollte es nicht lange dauern, da kamen sie wieder zueinander, weil der Feind sich zu zeigen begann.

Denn ein solcher Angriff kam nicht wieder, aber es fanden sich allmählich Orks im Lande und in der Nähe ein. Man konnte sie im Tal am Fluss sehen - winzige Gestalten, die ein Lager errichteten, dass von Dauer sein sollte. Sie wurden zahlreicher von Tag zu Tag, aber sie taten nichts, und die Menschen der Stadt begannen sie mit weniger Besorgnis zu betrachten, auch wenn sie ein wachsames Auge auf die häßlichen Gestalten behielten, die niemals Gutes verhießen.
Von Zeit zu Zeit kam eine Horde von ihnen die Straße hinauf, bis an die breite Felsspalte am Tor. Die Orks sparten nicht mit Geschrei und Beschimpfungen, verschossen dann und wann einen Pfeil und kehrten nach kurzer Zeit wieder um.

Als sie das erste Mal erschienen waren, sahen die Dúnedain mit Erstaunen ihre guten Schwerter und die sorgfältig gefertigten Schilde, auch trugen die Orks lederne Panzer und einige der Kreaturen Kettenhemden dazu. Sie waren keine Mitglieder der herumstrolchenden Banden, die in den vergangenen Jahren immer um das Gebiet Ithiliens herum zu finden gewesen waren; nein, sie waren Teile einer Streitmacht, die zusammentraf, und unschwer war zu erkennen, dass sie sich auf eine Belagerung Minas Ithils vorbereiteten.

Die Bewohner der Stadt versuchten, in dunklen Stunden Späher hinab zu schicken, um zu erkunden, wer die Orks führte, denn sie selber waren nicht klug genug ein Heer zusammenzurufen, aber die Kundschafter kamen nicht weit, ganz gleich, ob sie sich auf der Straße ins Tal bewegten oder auf gefährlichen versteckten Pfaden, die nur geschickte Kletterer meistern konnten - immer hielt sie ein Schatten auf und trieb sie mit Kälte und Furcht zurück. So ging es lange Zeit ...
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