Arda Fanfiction

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Der Abschied

von Christina

Kapitel 1

Du bist zurückgekommen.

Du bist zurückgekehrt, nach all den Tagen des Banges und Hoffens. Nach all den Wochen, die wir ohne ein Lebenszeichen von dir ausharrten, bist du zurückgekehrt nach Hause. Du sagst, du könntest nicht lange bleiben, doch was kümmert mich der Moment: Mein Sohn ist zurückgekehrt an meine Seite. Ich betrachte still dein schönes, strahlendes Gesicht, als du zu meinen Füßen sitzt und erzählst, lachst und scherzt. Voller Unbekümmertheit berichtest du von ausgestandenen Gefahren, voller Übermut von erlebten Abenteuern, voller Stolz von errungenen Siegen. 
Und obwohl ich es herausschreien möchte - Seht! Mein Sohn ist zurück! - obwohl mir das Herz schier zerspringen möchte vor lauter Glück, lausche ich nur ruhig deinen Worten.

Deine Freude an dem Erlebten ist überschäumend, fast kindlich, und wüsste ich es nicht besser, ich würde denken, du wolltest mich nur beruhigen und ablenken von den Beschwerlichkeiten und Ängsten, die du in Wirklichkeit durchstanden hast. Doch da ist kein Schmerz in deinem Gesicht, keine Sorge, keine Linien auf deiner Stirn.
Ich habe meinen Sohn auf eine lange und gefahrvolle Reise in ferne Länder geschickt. Ich verabschiedete ihn ernst und voller Stolz, wie es bei uns der Brauch ist. Ich umarmte ihn nicht. Ich blickte ihm nicht nach.

"Geht es Euch gut, Vater?"
Sorgenvoll siehst du mich an. Kann man sie sehen, die vielen Stunden ohne Schlaf, die qualvollen Tage des Wartens? Wärest du nur zwei Wochen später heimgekommen, ich bin mir nicht sicher, ob du noch den Vater, den du kennst, vorgefunden hättest. Die Diener glauben, ich könnte ihre Blicke nicht deuten, und doch ist klar - sie sind entsetzt ob meines ausgezehrten Gesichts und den dunklen Schatten unter meinen Augen.
Dein Gesicht jedoch ist glatt und ebenmäßig, deine Züge ruhig und entspannt, als hätte die hinter dir liegende Reise dich nicht erschöpft und ausgelaugt, sondern im Gegenteil noch gestärkt. Fast schäme ich mich - nicht ich bin es, der der Erholung und Ruhe benötigt, sondern du.
Sei unbesorgt, denn meine Seele ist nun geheilt, denn du bist zurückgekehrt.

Ich hoffe, du verzeihst mir, mein Sohn. Das Herzliche, das Gefühlvolle - es mag den Menschen von Gondor vielleicht weniger liegen als den anderen Völkern. Doch wisse, ich war mit meinen Gedanken stets bei dir. In jeder Minute jeder Stunde jeden Tages war ich mit meinen Gedanken bei dir und deinem Auftrag. In langen Nächten lag ich wach, und dachte an dich, und wie es dir wohl ergangen sein mochte, und ob du jemals zurückkehren würdest an meine Seite, um den Thron von Gondor einzunehmen. Du wärest sicher ein besserer König, als ich es jemals gewesen bin, gütiger und auch weiser.

"Ich muss Euch nun verlassen, mein Vater."
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Du blickst mich ernst an.
"Du gehst fort, Boromir? Gerade eben bist du doch erst nach Hause gekommen. Wohin gehst du?" Ich klinge schwach und ängstlich und hasse mich dafür.
"Ich gehe weit weg, Vater."
Und als ob du wüsstest um meine furchtbare Angst, lächelst du mich beruhigend an. 
Der Abschied ist herzlicher diesmal, und ich lasse mich von dir in den Arm nehmen und berge mein Gesicht an deiner starken Schulter, obwohl ich mich wie betäubt fühle.

~~~

Ich weiß nicht, wie lange ich noch vor mich hinsinnend in der Halle gesessen habe. Das Feuer ist heruntergebrannt, und ich friere. Ein Botschafter kommt herein. Ich möchte ihn mit einem Wink meiner Hand hinausschicken, möchte allein sein, doch dann sehe ich den seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht.
"Heil, Herr und Truchsess von Minas Tirith, Denethor, Ecthelions Sohn. Ich komme zu Euch mit dunkelster Botschaft in dieser schweren Stunde. Dies hat der Strom uns gebracht..."
Und er bricht hilflos ab und sieht mich an. In den Händen hält er Boromirs silberbeschlagenes Horn, geborsten und zerbrochen.
Benommen blicke ich auf das Horn.
"Mein Sohn war vor wenigen Stunden noch hier. Was soll das?", herrsche ich ihn an.
"Es tut mir leid, mein Herrscher", flüstert er und sieht mir dabei nicht in die Augen. 
Da zerbricht irgendetwas in mir und ich drehe mich um und verlasse die Halle.

Ende

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