Arda Fanfiction

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Memories

von Feael Silmarien

Kurzgeschichte

Strahlend weiße Blumen bedeckten die Erde wie eine dichte Schneedecke. Aus dem Meer voller duftender Wellen ragten dunkle Baumstämme empor. Die Äste waren mit weiß und rosa angehauchten Kirschblüten gekrönt. Es war Frühling in den Gärten von Emyn Arnen, doch der Winter weilte in diesem Jahr hartnäckig über Ithilien und jagte seine kalten Winde über das ganze Gebiet zwischen dem Anduin und dem Schattengebirge. Diese Gärten des schönen Fürstenhauses blieben von diesen starken Winden nicht unberührt und so fegten heftige Stürme über die blühende Wiese, umringt von prächtigen Kirschbäumen. Helle Blüten schneiten anmutig von den Ästen.

All of my memories keep you near.
In silent monents imagine you here.
All of my memories keep you near.
Your silent whispers, silent tears.

Es erinnerte ihn an Éowyn. Eine weiße Schildmaid, eine Alfirin oder Simbelmyne war sie gewesen, strahlend, zerbrechlich und kühl, so schien es. Doch, verborgen in den tiefsten Kammern ihres Herzens, hatten in ihr immer Stürme der Unrast getobt. So hatte er sie zum ersten Mal erblickt, damals, in den Gärten der Häuser der Heilung. In jenen Tagen, als sie einsam auf den Mauern von Minas Tirith gestanden waren und nach Osten geblickt hatten, war es auch so kalt gewesen. Sie, die weiße Blume Rohans, hatte sich in den Umhang seiner Mutter gehüllt und war so zu einem Geheimnis geworden, zu einem Widerhall der Altvorderen, verhüllt in den Wogen des Meeres, welches Númenor verschlungen hatte.

Er hatte sie damals nicht einmal richtig gekannt. Und doch... war sie ihm vertraut gewesen. Es war, als hätte er sie schon früher getroffen... Nur wo? War sie der Ursprung einer Erinnerung gewesen, die er sein ganzes Leben lang im Unterbewusstsein getragen hatte? Viele Fragen waren in seinem Kopf aufgetaucht, als er ihr zum ersten Mal begegnete. Und nach einigen Tagen hatte er die Antwort gefunden: Er liebte sie. Und es hatte sich nicht geändert, als sie gealtert war. Sie hatten weniger wie ein Ehepaar als Mutter und Sohn ausgesehen, denn in seinen Adern floss das fast reine Blut Númenors, das ihn nur langsam altern ließ, während ihre Jugend und Schönheit mit der Zeit dahinschwanden. Doch für ihn war sie immer die weiße Schildmaid geblieben.

Together in this memories
I see your smile.
All this memories I hold dear.
Darling, you know, I will love you
Until the end of time.

Er stand da, am Rande des Winterreichs im Frühling, einen schwarzen Umhang fest um sich gewickelt, das Gesicht weder jung noch alt, die Augen grau und unendlich tief wie die See. Duftende Tropfen des Blütenregens verfingen sich in seinem grauen Haar, das seine einst pechschwarze Farbe noch nicht ganz verloren hatte. Der Wind heulte, tobte, schlug ihm ins Gesicht, raubte ihm den Atem. Er fror. Ein schwarzer Schatten, mitten in weißer, kalter Pracht.

In this world you tried
Not leaving me alone behind.

Obwohl sie sich für das Leben einer Ehefrau entschieden hatte, erlosch das Feuer in ihr nie. Da es keine Schlachten mehr gab, in denen sie Ruhm ernten konnte, hatte sie beschlossen, in andere Länder zu reisen. Sie hatte Faramir durch drei Viertel von ganz Mittelerde geschleift und er wunderte sich, wieso sie ihm durch das ständige Zerren nicht die Arme lang gezogen hatte. Sie hatte ihn immer lachend in Trab gehalten und somit dafür gesorgt, dass er mit seinen hundertzwanzig Jahren noch recht jung wirkte.

Together in this memories
I see your smile.

Wenn das Paar nicht unterwegs war, war Faramir durch seine Pflichten gezwungen gewesen, zwischen den Emyn Arnen und Minas Tirith hin und her zu pendeln. Ungern verließ er seine mächtige Kriegerin und schnell wie der Wind stürmte sein Ross, wenn er zu ihr zurückkehrte. Immer, wenn ihn die Nachtricht erreichte, dass etwas passiert war, hatte er alles stehen und liegen lassen, um bei ihr zu sein. Sie war oft krank gewesen und er hatte den Verdacht, dass sie sich absichtlich ansteckte, damit er Tag und Nacht bei ihr war, ihre Hand hielt, ihre Stirn küsste, ihr liebevolle Worte zumurmelte. Damit er an nichts Anderes dachte als an sie. Sie liebte es, wenn er sich um sie sorgte, auch wenn diese Sorge meistens fast übertrieben war. Ihre schönste Zeit mit ihm hatte sie erlebt, als sie erstmals schwanger war. Er war nicht von ihrer Seite gewichen, egal wie wichtig die Staatsangelegenheiten auch sein mochten. Einmal hatte sie gesagt, er mache den Eindruck, das Kind selbst austragen zu wollen.

The memories ease the pain inside …

Sie hatte immer hell und fröhlich gelacht und meinte, es sei Faramir gewesen, der ihr beigebracht hatte, wirklich glücklich zu sein, so, wie sie es während ihrer über fünfzig Jahre andauernden Ehe gewesen war. Mit ihrem Lachen hatte sie ihn angesteckt, sodass sie selbst in den düstersten Momenten des Lebens sich gegenseitig von dem Dunkel heilen konnten, wie sie es damals in den Häusern der Heilung getan hatten.

All this memories I hold dear.

Sie erlebten viele Abenteuer, und das nicht nur während ihrer Reisen in fremde Länder. Einmal hatte sie ihn einfach aus der Tür gezerrt und gemeinsam waren sie durch die Wälder Ithiliens spaziert. Sie gerieten in ein Gewitter und holten sich beide eine Erkältung. Er hatte sich oft an dieses Erlebnis erinnert wenn er nachts aufwachte und Eówyn, die in seinem Arm lag, seine Schulter als Kissen missbrauchend, beim Schlafen beobachtete.

Now, I know why.

Er verglich sie mit dem Wasser. Sie ging stets ihren eigenen Weg und bahnte ihn sich sogar durch Fels und Stein. Immer lebendig, immer lachend, kühl und rein. Auch wenn sie gescherzt hatte, er sei der Damm, der das Wasser im Zaum hält, war er für sie die Sonne gewesen, dank der Leben überhaupt möglich ist. Was wäre Wasser ohne Leben?, sagte sie zu ihm, Es wäre kalt und hart wie Gestein.

Darling, you know, I will love you
Until the end of time.

Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Er, die Sonne, lebte noch, also lebte auch das Wasser, liebevoll eingeschlossen in seinem Herzen. Er stand gerade, und trotzte stolz dem Sturmwind. Dann warf er den schwarzen Umhang von seinen Schultern und enthüllte ein scheeweißes Gewand, das sich mit sanfter Freude mit der weißen Welt um ihn herum vereinte. Der Wind trug den Umhang davon.

Es wird Zeit, Faramir.

Er tauchte in das Blütenmeer und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Stamm.

Ja, ich bin bereit.

Sein Lächeln wurde breiter und er schloss die Augen. Er sah seine lachende Éowyn, jung, schön, in Weiß gekleidet, kühl, wie er ihr in den Häusern der Heilung begegnete. Sie streckte ihre anmutigen Arme nach ihm aus und er folgte ihr. Seine Herzschläge verhallten in unerreichbarer Ferne.

ENDE

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