Arda Fanfiction

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Hoffnung

von Narnaith

Kapitel 1

Das Scharren der Pferdehufe vor der Hütte weckte freudige Erwartung in Gilraen.

Endlich kam Arathorn nach so vielen Tagen wieder zurück. Ungeduldig sprang sie auf, um ihm entgegen zu gehen, aber schon einen Augenblick später sah sie mit einem Anflug schlechten Gewissens zur Wiege hinüber. Beruhigt stellte sie fest, dass ihr kleiner Sohn noch immer fest schlief, ungeachtet der Unruhe seiner Mutter. Im Schlaf hatte er seine Decke fest über sich gezogen und oben am Kissen waren nur noch einzelne Strähnen der schwarzen Haare zu sehen. Gilraen nahm sich noch die Zeit, die Decke vom Gesicht des Kindes zu ziehen und eilte zur Tür, um ihren Mann zu begrüßen.

Sie öffnete die Tür und sah sich einigen Waldläufern gegenüber. Vergebens suchte sie ihren Mann unter ihnen. Sie ließ ihren Blick über die Gruppe schweifen, jedoch ohne Erfolg. Mit einem Mal fiel ihr auf, dass die Männer vor ihr unruhig mit den Füßen scharrten und immer wieder ihren forschenden Blicken auswichen. Eine böse Vorahnung stieg in ihr auf. Gilraens Gefühl sagte ihr, dass hier etwas nicht stimmte.

Schließlich trat einer der Männer aus der Gruppe vor. Gilraen erkannte, dass es Earnil war, einer der Dúnedain, die gemeinsam mit Arathorn kämpften.

Nervös fingerte er an seiner Tunika herum, räusperte sich und setze endlich zum Sprechen an. „Meine Herrin, wir haben eine schlechte Nachricht für Euch.“ Er brach ab und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Nach einer Weile, die Gilraen wie eine Ewigkeit erschien, fuhr er endlich fort. „Wir gerieten vor zwei Tagen bei den nördlichen Höhen in einen Hinterhalt der Orks. Sie waren uns zahlenmäßig weit überlegen.“ Wieder zögerte er. „Euer Gatte… er… Einem mit einem Bogen bewaffneten Ork war es gelungen, unbemerkt näher zu kommen. Bevor wir ihn entdeckten, hatte er schon… Elronds Söhnen gelang es zwar, den Ork zu erschießen, aber…

Meine Herrin, es tut mir sehr leid, aber ich muss Euch mitteilen, dass Arathorn in der Schlacht gefallen ist. „

Gilraen hatte das Gefühl, dass ihr plötzlich der Boden unter den Füßen fort gezogen wurde. Sie nahm nicht wahr, dass Earnil vor ihr unbeholfen auf sie zu ging und sie in den Arm nahm. Sie hörte auch nicht, wie er ihr leise tröstende Worte zuflüsterte. Alles in ihr fühlte sich plötzlich so leer an. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als Rían, Earnils Frau, aus dem Nichts auftauchte und sie zurück in die Hütte führte.

Sie bemerkte auch nicht, dass Aragorn inzwischen aufgewacht war. Er saß aufrecht in seiner Wiege und betrachtete seine Mutter mit großen Augen.

„Das kann nicht sein. Er kann nicht tot sein. Er hat mir versprochen, wieder zurückzukommen. Als er vor fünf Tagen mit Elladan und Elrohir aufbrach, hat er mir versprochen, dass er zurückkommt.“ Gilraens Stimme klang fest, als wolle sie sich an dieses Versprechen Arathorns klammern. Er hatte seine Versprechen immer gehalten!

Rían stellte einen Becher mit Wasser vor ihr auf den Tisch. „Hier, trink erst mal etwas.“

Gilraen nahm einen tiefen Schluck und unversehens existierte nur noch ein Gedanke in ihrem Kopf: „Arathorn ist tot!“

Schluchzend sank sie auf dem Tisch vor sich zusammen.

„Wo ist er jetzt?“

„Elronds Söhne haben ihn nach Bruchtal gebracht. Dort soll er seine letzte Ruhe finden“, lautete Ríans Antwort.

Unerwartet meldete sich ein leises Stimmchen aus dem hinteren Teil des Raumes: „Mutter wehtan? Warum weint?“

Beim Anblick ihres Sohnes meldete sich plötzlich eine ganz andere Stimme in ihrem Kopf. „Du musst jetzt stark sein! Für deinen Sohn. Er braucht dich jetzt mehr als zuvor. Er ist jetzt der letzte lebende Erbe Isildurs in Mittelerde.“

Sie ging hinüber und nahm Aragorn auf den Arm.

Das Kind streichelte ihr mit der kleinen Hand über die Wange und fragte: „Wo wehtan? Ich puste, dann nich mehr weh!“ Er beugte sich nieder und begann auf ihren Unterarm zu blasen, wie seine Mutter es nur vor ein paar Wochen bei ihm getan hatte, als er beim spielen dem Feuer zu nahe gekommen war. „Jetzt besser?“

Trotz ihrer tiefen Trauer um ihren Mann lächelt Gilraen. „Ja, jetzt ist es besser. Danke, mein Schatz.“

Rían, die sich das ganze vom Tisch aus angesehen hatte, trat auf Gilraen zu, die ihren Sohn gerade auf dem Boden absetzte, wo er sich sofort mit Feuereifer auf eine Handvoll Laub und Zweige stürzte, die er vom letzten Spaziergang mit heimgebracht hatte.

„Da ist noch etwas, das du unbedingt wissen musst. Earnil und die anderen gehen davon aus, dass die Orks genau wussten, wen sie da vor sich hatten und dass sie ausgeschickt wurden, um Arathorn zu töten. Und sie suchen nach Arathorns Nachkommen“ Sie behielt dabei für sich, was ihr Mann ihr kurz zuvor genau erzählt hatte. Nämlich dass einer der Orks nach dem Kampf kurz vor seinem Tod höhnisch gegrinst und zu den trauernden Elben und Waldläufern gesagt hatte, dass die Orks ihre Aufgabe erfüllt hatten, Isildurs Erben zu beseitigen und dass der Dunkle Herrscher auch jeden noch lebenden Nachfolger Arathorns finden und töten lassen würde egal wie alt er sei.

Erneut stiegen Tränen in Gilraens Augen. Sie zwang die Tränen zurück. „Sei stark, die Zeit, um Arathorn zu trauern wird kommen, aber jetzt musst du an deinen Sohn denken, sonst wirst du auch ihn verlieren!“

Sie begann mit grausamer Klarheit zu begreifen, was diese Nachricht auch für ihren Sohn bedeutete. Nicht nur, dass sein Vater wegen der Tat eines Vorfahren vor über 2900 Jahren auf grausame Weise von den Orks getötet worden war, sondern auch, dass Aragorn selbst, so klein er noch war, jetzt in großer Gefahr war. Es war bekannt, wo in Eriador noch Siedlungen der Dúnedain zu finden waren und so würde es den Dienern des Dunklen Herrschers nicht allzu schwer fallen, herauszufinden, wo Arathorn gelebt hatte und damit auch von Aragorns Dasein zu erfahren.

Die einzige Möglichkeit war, Aragorn von hier weg und in Sicherheit zu bringen. Doch wo sollten sie hin? Plötzlich erschien Elrond vor ihrem geistigen Auge. Der Elbenherr hatte die Dúnedain immer so gut er konnte unterstützt. Er würde ihr auch diesmal helfen, schließlich war Aragorn ein direkter Nachkomme von Elronds Bruder und Elrond selbst war ein guter Freund von Arathorn gewesen.

Rían hatte sie die ganze Zeit beobachtet. Schließlich ergriff sie das Wort: „Es ist das Beste, wenn du das Kind irgendwo in Sicherheit bringst. Lass es mich wissen, wenn du irgendwie Hilfe brauchst. Kommst du im Moment alleine zurecht oder soll ich noch etwas bei dir bleiben?“

Gilraen hatte ganz vergessen, dass Rían noch da war. „Nein, nein, geh ruhig. Ich wäre jetzt gerne etwas alleine. Danke für alles.“

Gilraen war klar, dass sie niemanden ins Vertrauen ziehen konnte. Zum einen wusste sie nicht, ob der Dunkle Herrscher nicht auch unter den Dúnedain des Nordens seine Spione hatte und zum anderen wollte sie keinen ihrer Freunde und Bekannte durch dieses gefährliche Wissen in Todesgefahr bringen.

Schweigend beobachtete sie ihren Sohn, wie er nichts ahnend versuchte, mit einem langen Zweig so viele Blätter wie möglich aufzuspießen. Wenn sie das Leben des unschuldigen Kindes retten wollte, musste sie so schnell wie möglich handeln.

Ruhelos schritt sie auf und ab. Was hätte Arathorn an ihrer Stelle getan?

Ein rascher Blick nach draußen zeigte ihr, dass die Sonne sich langsam dem Osten zuwandte.

Sie hielt inne in ihre rastlosen Marsch, lief zu einer Truhe in einer Ecke des Raumes und kramte einen Beutel nach draußen. Sie trug den Beutel zum Tisch hinüber und begann ihn mit Lebensmitteln zu füllen. Als das erledigt war ging sie wieder hinüber zu ihrem Sohn, und nahm ihn in den Arm. „Mein Kleiner, heute musst du früher ins Bett. Sei lieb und versuch, zu schlafen, in dieser Nacht wirst du wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen.“

Sie hatte beschlossen, schon diese Nacht die Flucht zu wagen.

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