Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Hände der Heilung

von Cúthalion

Chapter #1

Schon immer sind die Ställe meine Zuflucht gewesen... vor dem niederschmetternden Anblick, den das Elend meines Onkels bot, vor der Wut und Enttäuschung, eingesperrt in meinem Herzen und schon so lange unausgesprochen, dass die Worte sich hinter meinen zusammengebissenen Zähnen anstauten wie eine bittere, unermessliche Flut aus ranzigem Gift. Vor Grímas Augen, die jeder einzelnen meiner Bewegungen folgen, dem Flüstern seiner schweren, bestickten Mäntel auf dem Fußboden und der verstohlenen Heimlichkeit seiner Schritte hinter meinem Rücken.

Nun sitzt mein Onkel wieder mit klaren Sinnen unter dem Dach von Meduseld und bereitet sich auf einen Krieg vor, den trotz all des Terrors von Sarumans Truppen gegen die Dörfer der Westfold niemand vorhergesehen hat. Ein frischer Wind hat den Nebel der üblen Betrügerei und der bösen Verwünschung vertrieben, eine Sturmbö, die Gandalf dem Weißen und seinen fremden Gefährten auf den Fersen folgte.

Ich habe den Weißen Zauberer vor dem Thron stehen sehen, seinen Stab hochgehalten wie einen Blitzschlag in der Dunkelheit der Halle... und wie Klarheit und Vernunft in die Augen von Théoden zurückfluteten. Ich erinnere mich an meine Verblüffung und Furcht, und wie mein Versuch, an die Seite meines Onkels zu eilen, durch zwei schwielige Hände verhindert wurde, die sich um meine Oberarme schlossen und mich zurückhielten wie ein durchgehendes Fohlen.

In der darauf folgenden Nacht fand ich keinen Schlaf. Träume wirbelten in meinem erschöpften Geist… von Théodens wundersam erneuerter Stärke, von dem Zwerg, einer stämmigen Gestalt mit dunklen Augen unter schweren Brauen, von dem Elb, einem geheimnisvollen, leuchtenden Schemen im Hintergrund, schlank wie ein Speer… und von ihm. Seine Berührung hat etwas in meinem Herzen erweckt, eine Empfindung, für die ich keinen Namen habe, eine Blume, die mit einem Duft und in einer Farbe blüht, die ich nicht kenne.

Endlich ist der Morgen da, klar und kalt. Ich habe mich in die Ställe davongestohlen, um dort Frieden und Trost zu suchen, wie so häufig zuvor. Aber die Ställe sind in Aufruhr; der mit Stroh bestreute Gang zwischen den Pferdeboxen ist ein Durcheinander aus wirbelnden Hufen, fluchenden Männern mit Seilen und dem schrillen, durchdringenden Wiehern eines entsetzten Pferdes.

Das ist Brego, Théodreds Pferd… Theódred, der unter weichen, grasigen Hügeln voller Simbelmynë begraben liegt. Er wird ihn nie wieder reiten, und ich weiß nicht, wie viel von der Verwirrung und Panik des armen Tieres in seinem Schmerz wurzelt. Théo war da, als das kastanienbraune Fohlen ins Leben hinausrutschte, er wischte Blut und Schleim aus den zarten Nüstern und als die Mutter einem Fieber erlag, das in jenem Jahr den halben Pferdebestand der königlichen Ställe auslöschte, zog er es mit eigenen Händen groß. Théo war der erste - und der letzte – Reiter, den Brego je auf seinem Rücken akzeptiert hat, und jetzt hat er seinen Gefährten, seinen Herrn und all seine Hoffnung verloren.

Ich streichele Windfolas Nase; sie spürt Bregos Qual und tänzelt nervös unter meiner Hand. Und dann ist er plötzlich da, seinen Blick unverwandt auf den Hengst gerichtet, mit dieser grauen Intensität, die mich am Tag zuvor zu Stille und Reglosigkeit gebannt hat in seinem Griff, mit nichts als einem Hauch von Stahl und einem einzigen Wort, gesprochen mit dieser gesenkten, ein wenig heiseren Stimme.

„Der Hengst ist närrisch, Herr… es ist zwecklos. Lasst ihn!“

Das ist Frálaf, der Stallmeister. Es liegt mehr als ein Hauch von Trauer in seiner ruppigen, scharfen Stimme… um beide, den Herrn und das Ross. Er hat Théoden sehr geliebt, und er liebt all die Méaras in seiner Obhut ebenso sehr wie jedes Mitglied seiner eigenen Sippe.

Aber er – Aragorn – scheint ihn nicht einmal zu hören. All seine Aufmerksamkeit richtet sich auf den Hengst, und ich höre ihn sprechen… wieder mit dieser Stimme, die sich mir so tief eingeprägt hat, dunkel und besänftigend und voll unerwarteter Wärme. Und er spricht Elbisch… weiche Silben, die im schwachen Licht der Ställe funkeln wie Perlen auf einer Schnur, ein singendes Murmeln, eine zarte Liebkosung, aus Worten gemacht.

„Er heißt Brego“, höre ich mich selbst sagen. „Das war das Pferd meines Vetters.“

„Brego.“ Sein überraschter Blick begegnet dem meinen, und ich fühle, dass ich erröte wie ein vorwitziger Schüler vor einem weisen Lehrer. Er wendet sich zu dem Pferd zurück und liebkost den edlen Kopf. „Dein Name ist königlich“, wispert er; jetzt liegt ein Ton von Ehrerbietung und Respekt in seiner Stimme. Und Brego reagiert darauf wie ein verängstigtes Kind, das die Hand des geliebten Vaters spürt. Er beruhigt sich und lehnt sich dankbar in die unvertraute Berührung hinein.

„Ich habe von den Zauberkünsten der Elben gehört... doch hätte ich sie nicht bei einem Waldläufer aus dem Norden erwartet.“ Jetzt stehe ich neben ihm; Bregos warmer Atem zerzaust mir das Haar. „Ihr sprecht wie einer der Ihren.“

Seine Augen sind abwesend, und für einen Moment scheint er geradewegs durch mich hindurch zu sehen; ich verfluche meine brennende Neugier. Wieso habe ich so etwas gesagt? Ich fühle mich, als hätte ich gerade einen Stallburschen beschuldigt, sich als König auszugeben.

„Als Kind lebte ich in Bruchtal… eine Zeitlang.“

In Bruchtal... ich spüre, wie mir der Atem in der Kehle stockt, und doch bin ich nicht überrascht. Da ist etwas an ihm, etwas Großes, etwas Uraltes und Edles… die Männer, die Brego willig seiner Sorge anvertraut haben, spüren es, mein Onkel hat es gespürt, als er sein Schwert senkte und es unterließ, Gríma auf den Stufen von Meduseld zu erschlagen, weil dieser Fremde ihn zurückhielt. Ich spüre es, und ich fühle mich davon angezogen – und von ihm! – wie eine Motte von der Flamme. Es wäre so einfach… nur eine winzige Bewegung und unsere Finger würden sich über Bregos Nüstern berühren. Aber ich bin in Schüchternheit und Unentschlossenheit erstarrt, und dann ist der Augenblick vorüber. Er tritt zurück. Sein Gesicht ist eigenartig ausdruckslos, aber als er spricht, kann ich die bittere Erinnerung an hundert Schlachten in seinen Augen sehen.

„Stellt den hier frei. Er hat genug vom Krieg gesehen.“

Er nimmt den Sattel, den er beiseite gelegt hat und geht mit raschen Schritten davon. Brego schnaubt leise und fragend und ich schließe meine bebende Hand um den kühlen Metallring seiner Trense. Ich muss die Zähne zusammenbeißen, um ihn nicht zurückzurufen, und eine Welle aus Scham und Verwirrung spült über mich hinweg.

Hat er mich überhaupt wahrgenommen? Hat er mich so gesehen, wie ich gesehen werden möchte – eine Tochter von Königen, eine tapfere Kriegerin, eine vertrauenswürdige Schildmaid?

Ich glaube es nicht.


Aber noch immer brennt dieses seltsame Feuer in meinem Herzen… die Flamme einer Hoffnung, die neu entzündet wurde, als dieser Mann und seine Gefährten auf der Türschwelle der Goldenen Halle erschienen sind und mein Onkel aus seinen dunklen Träumen erwachte. Die Hoffnung, dass sich nicht nur ein verängstigtes Pferd beim Klang dieser Stimme aus Samt und Stahl beruhigt... und dass nicht nur Brego geheilt werden kann durch die Berührung dieser starken, sanften Hände.

ENDE
Rezensionen