Cuivienen, der See des Erwachens auch genannt.
Lange, lange ist es her seitdem ich an dem unendlich scheinenden Ufer Cuivienens weilte. Als ich die Pracht der Welt zum ersten Mal erblickte, in all ihrer Schönheit. Als alles noch gut erschien und die Sonne einen freundlich zulächelte und nichts einem die Freude trügen konnte. Und sie noch an meiner Seite war… Jeder Tag war zu dieser Zeit noch etwas Besonderes, etwas Einzigartiges.
Aber nun, nun wandele ich schon lange, viel zu lange durch diese Welt. Durch dunkle, wie auch strahlend helle Zeiten der Freude und Zuversicht, Zeiten der großen Elbenkönigreiche, als noch alles gut erschien, als das Böse noch schlief.
Später, ja später kam erst die Dunkelheit und mit ihr kam der nicht enden wollende Schrecken, der mich in die Tiefe stürzte, in einen nie enden wollenden Sog des Leides, aus den ich bis heute nicht entkommen bin. Doch bald, bald ist es so weit und meine Qualen werden ein Ende haben.
Wie lange ich schon auf dieser Welt verweile um all dies erfahren zu haben? Nun wer weiß dies schon? Zeit besitzt keine Bedeutung, nicht für uns. Nicht für uns Elben und doch, manchmal fliest die Zeit zäh vorbei und manch ein anderes Mal fliegt sie gerade zu vorbei. Ja die Zeit lässt sich nicht steuern. Niemand, nicht einmal die Valar, kann die Zeit beherrschen. Ein Strudel aus Geschehnissen und Empfindungen und nichts Anderes stellt sie dar. Aber übrig, übrig bleiben nur Erinnerungen. Sowohl die schmerzenden, die sich tief in mein Herz graben, als auch die, die mein Herz zum lachen bringen.
Soll ich dir meine Geschichte erzählen? So unglaublich sie auch klingeln mag? Von den Schmerz den ich erlitt? Als mir mein Herz ausgerissen wurde durch den Tot meiner geliebten Frau? Meiner Frau die zweit Seele meiner selbst, die stets zu mir stand, die ich so sehr geliebt habe, dass es schon schmerzte? Die mich sehnsüchtig erwartet an den Ufern Valinors.
Ungezählte Stunden ziehe ich durch ferne Länder, aber nie finde ich den Frieden, den mein Herz so dringend sucht. Ich hoffe auf Erlösung, die ich nur durch Rache finden werde, Rache für all den Schmerz den meine Geliebte erfuhr. Mein Herz schmerzt denn sie ließ mich allein in dieser trostlosen Welt, wo ich doch nicht fort kann von hier. Noch nicht! Nicht ohne mich gerächt zu haben an denen die Schuld sind an meinem Leid und ihrem unendlichen Schmerz. Ich weiß, dass sie hier nie wieder Frieden gefunden hätte und doch schmerzt es mich noch immer sie gehen gelassen zu haben.
Doch sie hat Frieden gefunden in Valinor, denn dort währt kein Schmerz, egal wie schwer er sein mag, und nur ich fehle ihr noch. Nur wenn ich an ihrer Seite verweile wird sie wieder strahlen wie einst. Doch für mich währt dort kein Friede. Ich spüre es in den tiefen meines Herzens, weiß, dass ich solange ich mich nicht gerächt habe, keinen Frieden finde werden, auch nicht in den Armen meiner Geliebten.
Ich sehe sie vor mir, an den Tag unserer Hochzeit, als ihr Lächeln strahlender war als je zuvor. Ihr unvergleichlicher Duft nach Blumen umgab sie. Wie sie auf mich zu geschritten kam in ihrem schneeweißen Kleid. Sie schwor mir die ewig Treue und nie wieder fühlte ich mich glücklicher als an diesem einen Tag, den für immer unvergessen Tag unserer Hochzeit. Viele Jahre lebten wir noch glücklich zusammen, waren glücklich, denn wir hatten beide die andere Seite unserer selbst gefunden. Nichts konnte unsere unsterbliche Liebe zerstören, so dachten wir zumindest.
Doch heute ist das einzige, was ich von ihr noch habe, ihr Ring, den sie mir zum Zeichen der Treue einst gab. Noch heute nehme ich ihren unvergleichlichen Duft wahr in den einsamen Stunden der Nacht. Noch heute glaube ich ihre Wärme zu spüren in den bitter kalten Tagen im hohen Norden. Nie werde ich sie vergessen! Nie wird der Schmerz mich verlassen sie nicht bei mir zu haben bis ich wieder bei ihr verweile.
Heute lebe ich hier nur noch in der Vergangenheit, versuche mich mit all den schönen Momenten unseres Beisammenseins zu trösten. Ich werde erst wieder leben nachdem ich sie wieder gesehen habe, werde mein Herz von ihr erneut erstrahlen lassen. Doch nun ziehe ich ewig umher in den trostlosen Landen, lasse den Schmerz tief in mein Herz ein, verschließe mich vor dem Hier und Jetzt. Ich warte auf meine Liebste, warte, dass sie mich erlöst, mich erlöst von meinem Schmerz, der mich ins Dunkel zieht .
Denn welchen Sinn hat mein Leben ohne sie? Nur Hass, nichts als Hass hält mich am leben, Hass auf ihren Peiniger, ihren Mörder. Ja, auch wir Elben können hassen. Ein Hass der so tief im Herzen sitzt dass er all unsere anderen Gefühle überschattet .Hass der nur noch Gefühle voll Leid zulässt. Ja, nur er hält mich noch hier. So bitter und tief sitzt er in meinen Herzen.
Dunkel waren die Zeiten immer, die ich ohne sie auf dieser Welt verbrachte. Immer zog ich allein umher, nie ging ich den Weg mit Meinesgleichen. Stets war ich allein, denn ich konnte die Gegenwart anderer nicht ertragen. Nur dich, Geliebte, nur dich hätte ich neben mir ertragen. Mit dir würde ich überall hin gehen. Doch so zog ich allein durch tosende Stürme, eisige Schneefelder und lebensfeindliche Wüsten, hielt mich fern von den schützenden Städten und Dörfer der Menschen und Elben.
Von Elben hatte ich mich schon lange abgewandt, sie würden nicht ertragen zu sehn, was aus mir geworden ist. Sie kennen diese Gefühle nicht, die drohen, mich hinfort zu reißen. Sie verstehen nicht, wie jemand so wie ich werden konnte, so kalt und voller Hass, verstehen nicht, dass die körperlichen Schmerzen der Folter nicht annähernd so schlimm waren wie die um Hilfe bittenden Schreie meiner Geliebten, dass ich niemals den Hass so tief in mein Herz gelassen hätte, wenn nur ich es gewesen wäre, der gepeinigt aufschrie.
Ich kann nicht verstehen warum sie fort ist, will nicht gehen, will nicht gehen ohne ein Wort der Rache an ihren Peiniger. Warum nur? Warum musste sie gehen? Warum ließ sich mich allein? Mein Stern. Meine Geliebte. Geh nicht, bleib! Bleib bei mir!
Dies war vor langer Zeit und nun am Ende des dritten Zeitalters ist auch meine Zeit gekommen endlich zu gehen, endlich Friede zu finden in den Armen meiner Geliebten.
Sauron ist gefallen. Mein Herz verstummt von dem stillen und ständigen Ruf nach Rache. Kein Hass hält mich mehr hier, ich bin frei, Nun ist es zu Ende. Ich werde nach Valinor ziehen, wo ewig Friede währt, wo sie auf mich wartet, wo golden die Sonne auf einen herab scheint, wo Schmerz vergessen ist. Ruhe, ja, Ruhe werde auch ich nun finden in den Armen meiner Geliebten. Bis in alle Ewigkeit.
Lebwohl mein Freund! Namárië!
ENDE