Arda Fanfiction

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Das Ende

von Minya

Kapitel 1

Die weiße Hölle, ja, so möchte ich sie nennen. Gnadenlos peitschen mir die Schneekristalle ins Gesicht, ich spüre meine Haut schon kaum mehr, nur den bitteren Schmerz der Kälte. Vor mir sehe ich nur noch weiß... warum gibt es kein Ende? Keine Aussicht auf die Hoffnung des Erreichens? Aber was will ich noch erreichen... allein setze ich einen Fuß vor den anderen, versinke im Schnee, meine Schuhe sind durchnässt, die Haut an meinen Fingern spannt sich wie Leder über die weißen Knöchel. Blau... ich will das Blau eines klaren Himmels sehen. Doch ist alles grau... es ist so kalt, dass ich nicht einmal weinen kann, obwohl mein Herz schon blutet, mein Geist alles an Kraft verloren hat.

Der Wind wird stärker, wirbelt die oberste Schicht des Schnees auf und bläst ihn mir ins Gesicht, pfeift scharf durch einen näheren Bergpass. Ich kann nicht mehr... meine Knie geben nach, ich spüre es, meine Beine zittern.
Nein, ich kann es allein nicht schaffen. Es tut mir so Leid, mein Liebster, du, welcher von der weißen Hölle verschluckt worden ist, verzeih mir. Ich habe es dir versprochen, doch kann ich es nicht schaffen. Ich habe nichts zu essen. Ich habe dir das letzte in der törichten Hoffnung gegeben, dass du die Wunden überleben würdest. Oh, hätte ich gekonnt, so hätte ich dir mein Blut gegeben, meine Seele, du hättest mein Leben haben können. Aber ich konnte nicht, musste ansehen, wie du in meinen Armen dahinschwindest.

Ich habe nichts zu trinken, das Eis ist zu kalt um es in meinem Mund noch zu schmelzen. Wenn du mich nur jetzt sehen könntest, du würdest wieder lachen. Deine kleine Katze... sie ist gar nicht mehr so wild. Alles brennt an mir, mein Gesicht... an meinen Wimpern verfangen sich die Schneeflocken. Ich spüre meine Füße nicht mehr, mein Liebster... ich schaffe es einfach nicht, der Wind drückt meinen zitternden Leib zurück. Schneebedeckte Hänge, überall sehe ich sie... irre ich mich etwa? Was ist das, was glänzt da so? Sind da Menschen? Oh, bitte, all ihr höheren Wesen, lasst dort Leben sein! Die Axt eines Zwerges vielleicht? Oder die Pfeilspitze eines elbischen Kriegers? Es ist mir egal, dann sollen es die Orks sein, dann beenden sie mein Leid.

Aber was denke ich da... hassen würdest du mich, wenn ich so aufgeben würde. Aber... Liebster, erlaube mir doch eine Pause. Der Pass ist doch bald zu Ende, bestimmt, lass mich ruhen. Ich werde meine Augen auch nicht schließen, nicht einschlafen. Noch einige schwere Schritte zwinge ich mich voran. Das Glänzen, ich sehe es nicht mehr. Dort, der Pass... ja, da kann ich mich setzen, die Steinmauern schützen mich vor dem Wind. So habe ich auch neben dir geruht... weißt du noch?

Das kleine Feuer. Ich habe es für dich entzündet, habe dich gewärmt, mich an dich gelehnt. Meine Kehle bebt, ich kneif meine Augen zusammen. Ich will bei dir sein, ich vermiss dich so. Ich will mich an dich lehnen, spüren, wie deine Schultern sich unter deinem Atem heben und wieder senken. Dein Atem, warum kann er mich nicht wie sooft kitzeln, dein Duft.

Jeden Abend hast du eine Pfeife angezündet... warte, ich habe sie bei mir... Dort, der Stiel, ich ertaste ihn in meiner Tasche... ich bewahre sie für dich. Mein Liebster, ich bin so müde. Ja, immer bin ich müde, schimpfe nicht mit mir. Ich habe doch so wenig geschlafen. Du... du warst doch so verletzt... der Speer hatte sich doch so schlimm in deinen Oberschenkel gebohrt. Und ich hatte eine solche Angst den letzten Holzstumpf herauszuziehen. Geweint hab ich, als ich dich schreien gehört hab. Und nun soll dies das Ende sein? Ich habe dich solange geliebt, schon als du mir zum ersten Mal vor die Augen getreten warst. Deine schreckliche Arroganz...

Verleugne es nicht, mein lieber, eingebildeter Hahn. Aber du hast es gewusst, nicht wahr? Du hast sofort gewusst, dass ich dich über alles lieben würde. Und darum hast du mich so geärgert... aber denkst du, ich hätte es nicht bemerkt, wie du mich immer angeschaut hast... du hast mir das Gefühl gegeben, das kostbarste auf der ganzen Welt zu sein. Oh, hätte ich es dir doch schon früher gesagt, dann... ich liebe dich. In meinem Herzen will ich deine Frau gewesen sein, weil du es dir gewünscht hast, weil du mich geliebt hast.

Denn du wärst es gewesen, mit dir hätte ich mein Leben geteilt, dir meine Träume geschenkt und das wertvollste, die Liebe eines treuen Herzens. Noch immer bist du bei mir... ich danke dir. Lass es nicht das Ende sein. Nicht das meinige und nicht unseres. Ich schenke dir hier und jetzt mein Leben, nimm mein Herz, fühle mit mir, sehe durch meine Augen und berühre durch meine Hände. So viel Kraft hast du mir noch mit deinen letzten Worten gegeben, mir gesagt, ich soll leben. Ja, ich spüre meine Beine nicht mehr und ich habe keine Kraft mehr.

Aber ich schaffe es. Gib mir deine Kraft, Liebster, und wir werden den blauen Himmel wieder sehen. Es wird kein Ende geben. Nicht hier und nicht jetzt. Ich trage dich, wie du mich getragen hast. Dein Körper liegt noch in dieser Höhle, doch du bist bei mir. Hab ich doch geschlafen? Meine Augenlider sind verschlossen, doch was weckt mich dann? Es glänzt und glitzert... ich öffne meine Augen.

Die Sonne... ihre Strahlen durchdringen die herabhängenden Eiszapfen. Das Licht. Wie Elbengesang erklingt nun der Wind in meinen Ohren. Singt weiter! Ich muss aufstehen... ich werde mich vorwärts zwingen... der Berg ist bald zu Ende, die eisige Hölle hat ihre auch ihre Grenzen und ich werde sie überschreiten und leben, wie ich es dir versprochen habe. Hier gibt es noch kein Ende. Kein Ende...

ENDE

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