Arda Fanfiction

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Adventsvierteiler - Eine wundersame Nacht

von Celebne

2. Advent

Caen wusste, dass Lyga Schmerzen hatte. Doch zum Glück lag bereits das erste Haus der Siedling in den Emyn Arnen direkt vor ihnen.
"Warte hier, meine Liebe", sagte er zärtlich zu seiner Frau und stieg vom Pferd.
Er watete durch den hohen Schnee bis zur Haustür und klopfte an.
Mürrisch öffnete ihm Amdir, ein kräftiger Hufschmied. Als er den Mann mit den schwarzen Locken und der dunklen Hautfarbe erblickte, spuckte Amdir erst einmal verächtlich aus.
"Verschwindet hier!" befahl er barsch, bevor der junge Mann aus Harad auch nur ein Wort sprechen konnte. "Wir brauchen keine stinkenden Haradrim in Ithilien!"
Caen ahnte, dass es besser war, weiterzuziehen.

"Was hat er gesagt?" fragte Lyga gepresst, als er zu den Pferden zurückkam.
"Er hat keinen Platz mehr, wir sollen besser zum Nachbarn gehen", log Caen bedrückt.
Die junge Frau wusste genau, dass ihr Gemahl nicht die Wahrheit sprach. Er tat es, um ihr den Kummer zu ersparen. Lyga fragte sich, wie sie so einen liebevollen Ehemann verdient hatte. Das Kind, das sie unter dem Herzen trug, stammte ja noch nicht einmal von ihm. Trotzdem hatte er sie geehelicht, obwohl er bereits wusste, dass sie schwanger war. Noch nie hatte er sie gefragt, wer der Vater des Kindes war. Und sie war froh darüber, denn sie wusste es selbst nicht.
Die Leute in ihrem Heimatdorf in Nah-Harad hatten jedoch mitbekommen, dass sie bereits an der Hochzeit ein stattliches Bäuchlein hatte, und da es höchst unsittlich war, vor der Ehe den Beischlaf zu vollziehen, war dem jungen Ehepaar nichts anderes übrig geblieben, als das Dorf zu verlassen. In Anórien lebten entfernte Verwandte von Caen: dorthin wollten sie gehen und einstweilen Unterschlupf suchen. Caen hoffte, dass seine Verwandten ihm etwas freundlicher gesinnt waren, als die Menschen die sie bisher in Gondor getroffen hatten.
Obwohl nun schon einige Jahre Frieden mit Harad herrschte, wurde das junge Paar überall wie Aussätzige behandelt.
Caen seufzte leise, während das Paar zum nächsten Hof weiterritt. Er und Lyga wussten nicht, dass Amdir heimlich seinen Sohn Hilgond losgeschickt hatte, der rasch in der ganzen Siedlung verbreitete, dass ein Haradrim-Paar ein Nachtlager suche. Hilgond hatte die ganze Sache recht ausgeschmückt: er erzählte von zwei grimmigen Männern, die angeblich Räuber waren.
Inzwischen hatten Caen und Lyga den Hof des Bauern Mardil erreicht. Wieder klopfte der junge Mann an der Haustür und bat um ein Nachtlager. Der Bauer jedoch, von Hilgond vorgewarnt, kam gleich mit einem Stock herbei, den er drohend schwang. Caen sprach nicht weiter, sondern verschwand auf der Stelle. Fast wäre er in den kniehohen Schnee gefallen.
Lyga hatte Tränen in den Augen, als er zurückkam.
"Was sind das für Menschen hier in Gondor?" fragte sie leise. "Wissen sie nicht, dass zwischen unseren Völkern Frieden herrscht."
"Der Frieden besteht nur auf dem Papier!" presste Caen unglücklich hervor. "Am liebsten möchte ich diese ganze Bande hier auf den Hügeln verfluchen."
"Vielleicht gibt es doch einen Menschen hier oben, der Erbarmen zeigt", hoffte Lyga zuversichtlich.
"Ich wünschte, ich hätte so viel Vertrauen wie du, meine Liebe", seufzte Caen traurig.
Müde schwang er sich wieder auf sein Pferd.
Der nächste Hof lag weiter oben, auf dem nächsten Hügel. Lyga betrachtete die hellerleuchtete Burg mit ihren Zinnen und Türmen auf dem obersten Hügel.
"Dort oben scheint ein Fest stattzufinden", meinte sie erstaunt.
"Sie feiern heute in Gondor das Wintersonnenwendfest", murmelte Caen schlechtgelaunt. "In Harad ist es Sitte, dass man bei einer Feier auch an die Armen denkt. Dieses Volk hier ist so stolz auf seine alte Kultur und auf seine Herkunft, dass es dabei alle anderen Menschen in Mittelerde vergisst."

*

Die große Halle des Fürstenhauses war hellerleuchtet. Alle Tische bogen sich vor erlesenen Speisen und Getränken. Es gab alles, was das Herz begehrte. Die Köchin und ihre Helfer waren in den letzten Tagen sehr fleißig gewesen. Zusammen mit den Königssöhnen Eldarion und Elfwine lief Elboron von Tisch zu Tisch. Den drei kleinen Junge lief das Wasser im Munde zusammen. Sie konnten es kaum erwarten, dass das große Festmahl endlich begann.
Nun traten auch die Erwachsenen in die Halle. Alle trugen prächtige Gewänder: während Aragorn in rot gekleidet war, trugen Faramir und Éomer blaue und grüne Tuniken. Prinz Imrahil war in schwarz gekleidet. Doch nicht nur die Herren waren prächtige Erscheinungen. Die hohen Damen hatten sich ebenfalls in Schale geworfen: Arwen trug ein hellgrünes, kostbares Seidenkleid, das gut zu ihrem schwarzen Haar passte. Dazu ein Diadem und passenden Schmuck. Éowyn war in weiß gekleidet, was ihr vortrefflich stand. Ihr langes, hellblondes Haar fiel offen bis zur Hüfte herab. Faramir befand, dass sie mit jedem Tag schöner wurde. Und er strahlte vor Glück, als er sie in ihrem weißen Kleid erblickte. Lothiriel trug ein dunkelgrünes Kleid, passend zu ihrem feuerroten Haar.
Alle nahmen nun ihre Plätze an der langen Tafel ein und Faramir als Hausherr musste nun eine Tischrede halten. Verlegen fuhr er sich über den kurzgeschnittenen, roten Bart und erhob sich räuspernd.
"In diesem Jahr habe ich, Fürst Faramir von Ithilien, Herr von Emyn Arnen, und meine Gemahlin, Fürstin Éowyn von Ithilien, Herrin von Emyn Arnen, die Ehre, das Wintersonnenwendfest in meinen Hallen feiern und hohe Gäste aus Gondor und Rohan empfangen zu dürfen. Es ist nun schon der fünfte Winter nach dem Ringkrieg und wir haben das unglaubliche Glück, auch dieses Fest in Frieden begehen zu können. Dank des stabilen Friedens mit unseren Nachbarvölkern ist das möglich. Und dies haben wir der Gnade und Güte unseres Königs Elessar zu verdanken...."

Aragorn verdrehte ein wenig die Augen, als er soviel Lob erteilt bekam. Er fand, dass Faramirs Rede fast schon ein wenig auszuschweifen drohte. Schließlich hatten alle Hunger und Durst. Die Kinder rutschten bereits unruhig hin und her auf ihren Plätzen. Der König warf Éowyn einen vielsagenden Blick zu und diese nickte kaum merklich. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Faramir bekam plötzlich einen leichten Tritt ans Schienbein und geriet ein wenig aus dem Konzept ,was ihn dazu veranlasste, die Tischrede rasch zu beenden.
Alle Gäste klatschten erleichtert, als Faramir das Mahl für eröffnet erklärte.

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