Arda Fanfiction

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Weihnachten in Bruchtal

von E. E. Healing

Thînaer mit Elladan

„Elladan ist heute wieder in Imladris angekommen. Er möchte thînaer(1) mit uns verbringen und dann in wenigen Tagen wieder nach Lothlórien aufbrechen.“

Ich starrte meine Freundin an und verharrte in meiner Bewegung. Ich war gerade dabei gewesen ein wenig lustlos ein Kleid für den Abend herauszusuchen. Arwen saß in einem bequemen Stuhl und wollte mir bei der Wahl helfen, denn ich war ein wenig überfordert.
Es war das erste große Fest, dass mein Bruder Fairiôn(2) und ich als erwachsene Elben begingen und ich wollte angemessen gekleidet erscheinen. Doch nun, da Arwen mir eröffnet hatte, dass ihr Bruder auch anwesend sein würde, befiel mich eine gewisse innere Unruhe.

     „Elladan ist hier?“, hauchte ich und setzte mich auf mein Bett.
Plötzlich wollten mich meine Beine nicht mehr tragen. Arwen sah mich erfreut an. Sie schien gehofft zu haben, dass ich so regieren würde. Ich hatte ihren Bruder vor etwa einem halben Jahr zuletzt gesehen. Damals war er noch nicht mehr für mich als Fairiôn, ein Bruder und Freund, so wie Arwen für mich eine Schwester und gute Freundin war.
Doch seit Fairiôn und ich einen Monat später, es war in Cerveth(3), unseren dreihundertdreiunddreißigsten Geburtstag begangen hatten, veränderten sich meine Gefühle für den Elben beständig. Ich dachte immer öfter zärtlich an den Älteren und träumte von seinem schwarzen Haar, den schönen dunklen Augen, seiner Stimme. Davon, wie sie mich sanft rief. Ich seufzte auf und Röte stieg in meine Ohren, als ich Arwen leise lachen hörte.

     „Träumst du schon wieder, Pathrodnan(4)?“
Arwen lag nun neben mir auf dem Bett, ohne, dass ich es gemerkt hatte. Sie stupste mich leicht in die Seite und lächelte mich an. Ich konnte meiner Freundin noch nie gut verbergen, was sich in meinem Innersten abspielte. Dafür waren wir uns einfach zu nah, war sie doch nur fünf Jahre älter als mein Zwilling und ich.
     „Ich träume nicht“, versuchte ich abzuwehren.
Doch ich sah in Arwens Augen, dass sie mir nicht glaubte.
     „Hast du schon mit ihm gesprochen?“, lenkte ich nun wenig elegant ab.
     „Ja, er ist sehr zufrieden. Die Kampfkünste unserer Verwandten sind beeindruckend, so sagte er mir. Auch, dass er sich freut, sie schon bald weiter zu studieren. Er sollte nana liebe Grüße von Herrin Galadriel ausrichten. Sie war sehr froh, wenigsten einen ihrer Enkel einmal längere Zeit in ihrem Wald beheimaten zu dürfen.“
Arwen sah mich an, als wolle sie mich ergründen, während sie mit mir sprach.

     „Ich nehme an, dass Herrin Celebrían dennoch froh ist, dass ihr Sohn für dieses Fest wieder unter unserem Himmel schreitet“, gab ich zu bedenken.
     „Er ist es ebenso. Elladan erzählte mir, dass er uns alle sehr vermisst hätte.“
     „Wirklich uns alle?“, fragte ich hoffnungsvoll.
     „Ja, uns alle, unsere Eltern, seinen Bruder, mich und auch seine zweite kleine Schwester.“ Ich runzelte die Stirn, bevor ich begriff. Elladan sah in mir ebenso die kleine Schwester, wie ich bis vor wenigen Monaten in ihm den großen Bruder.
Enttäuschung nahm mein Herz gefangen. Ich hätte mir gern meine Decke über mein Gesicht gezogen. Doch Arwen zog mich hoch, stellte sich vor meinen recht übersichtlichen Kleiderschrank und kramte darin herum. Dann hielt sie mir noch mehr Kleider vor den Leib, schien mit keinem zufrieden zu sein.
     „Wenn wir erreichen wollen, dass er auch die Frau in dir erkennt, dann brauchst du etwas anderes. Welch ein glücklicher Umstand es doch ist, dass ich heute erst ein neues Kleid abholte, dass mir zu eng ist, auf deinen schmalen Leib jedoch perfekt passen wird.“
     „Arwen, du hast doch nicht etwa….?“, jauchzte ich auf.
     „Doch habe ich. Adar hat sicher nichts dagegen, wenn er das Ergebnis sehen wird. Nun warte einen Augenblick, ich bin bald zurück.“
Ich legte mich erneut auf mein Bett und hing meinen Gedanken nach. Ich hätte beschworen, dass Arwen schon länger etwas plante.


(1) heilige Nacht => Weihnachten
(2) ~iôn => Sohn; fair => rechte Hand
(3) Juli
(4) pathred => Fülle; Rodon => Gott; nan => mein

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Ich stand nervös vor dem großen Festsaal.
Ich war wohl der letzte Gast, der noch fehlte, denn das Stimmengewirr, dass an mein Ohr drang, war gewaltig. Ich hatte die Zeit ein wenig verpasst, denn ich musste mich wieder und wieder im Spiegel betrachten.
Arwen hatte ein wahres Meisterwerk aus meinen Haaren gezaubert. In meinen braunen Locken glitzerten kleine Steinchen an dünnen Silberfäden, meine Stirn zierte eine kunstvolle Tiara und Teile meines Haares bildete eine wundervolle Flechtform.
Auch das Kleid, dass ich nun trug, war einfach traumhaft. Arwen hatte für mich einen Traum aus eisblauer Spitze anfertigen lassen. Auch daran glitzerten und funkelten Steinchen. Sie erzeugten zusammen mit dem Schnitt des Kleides den Eindruck einer Schneeflocke, die im Wind schwebte, wenn ich mich bewegte.

Da ich selbst von Fairiôn, als dieser mich kurz störte, gesagt bekommen hatte, ich wäre heute besonders hübsch, musste ich wohl wirklich schön sein. Mein Bruder hatte nur sehr selten nette Worte für mich übrig. Ich atmete ein letzte Mal tief durch, straffte mich und betrat den Saal.
Als ich eintrat war ich überwältigt. Ein großer, schön geschmückter, grüner Baum stand in einer Ecke, darunter waren Geschenke verteilt. In der Mitte des Raumes befand sich eine freie Fläche, auf der einige Elbenpaare sich zu leiser Musik bewegten.
Zu meiner linken sah ich eine lange Tafel, auf der allerlei Köstlichkeiten zu finden waren. Wie hatte Herr Elrond es geschafft, in dieser Jahrezeit Erdbeeren zu bekommen?
Ich wurde abgelenkt, als ich Arwen am Ende des Saales bemerkte. Sie war in ein Gespräch mit ihren Brüdern vertieft, die mit ihren Rücken zu mir standen. Gerade schien sie etwas zu Elrohir zu sagen, dass diesen auflachen ließ. Sein Körper zuckte unter der Bewegung.

Auch sein Bruder grinste spöttisch, soweit ich es beurteilen konnte. Er sah gut aus, wenn er lachte. Doch leider tat er dies nicht oft genug. Elladan war eben der strengere von beiden.
Während Elrohir schon so manches Fass Wein allein geleert hatte, sah man Elladan nie betrunken. Ich empfand dies als gutes Zeichen. Er wusste sich zu beherrschen. Ich betrachte fasziniert den Rücken des Mannes, der mich so beeindruckte.
Er schien mehr Muskeln zu haben, seitdem ich ihn zuletzt sah.

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~~ Blickwechsel~~

Ich lachte gerade mit Elrohir über eine Begebenheit, die meine kleine Schwester zum Besten gab, als ich mich umsah und fasziniert inne hielt.
     „Wer ist das, Arwen?“
     „Wen meinst du, Elladan?“
     „Dieses bezaubernde Wesen, das so verloren im Raum steht.“
     „Erkennst du sie nicht? Das ist Pathrodnan.“
     „Das soll meine kleine Ziehschwester sein? Sie sieht so…. anders aus, so…. erwachsen.“
     „Das mag daran liegen, dass sie nun erwachsen ist, mein lieber Bruder. Sie ist sehr schön, findest du nicht auch?“
Ich konnte nur nicken. Pathrodnan stand in diesem Raum und war auf einmal so anders, als früher. Sie war wunderschön und wirkte doch ein wenig haltlos.
     „Geh zu ihr, sie wird sich freuen dich zu sehen.“

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~~ Blickwechsel~~

Sah ich richtig? Kam Elladan wirklich zu mir? Sollte ich hier auf ihn warten oder lieber das Weite suchen? Ich wusste es nicht. Bevor ich mich entscheiden konnte, war er schon an meiner Seite. Ich merkte, wie meine Ohrspitzen unter seinem Blick heiß wurden. Unfähig, ein Wort zu sprechen, sah ich den Mann meiner Träume nur an.
     „Ich wünsche dir einen schönen Abend, Pathrodnan. Wie geht es dir?“
     „Gut.“
     „Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“
     „Doch.“
     „Warum umarmst du mich dann nicht so wie früher?“
     „Weil…. Ich weiß nicht.“
Schon lag ich in seinen Armen. Sein Duft war einfach wundervoll, einladend. Ich hätte ewig so stehen können, mich an ihn drücken und seine Wärme genießen. Räuspernd ließ Elladan mich wieder los und trat einen Schritt zurück.
     „Möchtest du etwas trinken?“
Ich nickte und er holte uns beiden etwas Wein. Dann erzählte er etwas von Lothlórien und seinen Erlebnissen dort. Als er endete wussten wir beide nicht mehr weiter. Betretenes Schweigen machte sich zwischen uns beiden breit, ich sah mich verzweifelt um.
     „Möchtest du tanzen, Pathrodnan?“
Glücklich nickte ich und wurde von Elladan auf die freie Fläche geführt. Die Klänge der Harfe waren leise und wunderbar. Er führte mich auf einmal unglaublich gut, viel besser als früher, wenn wir gemeinsam üben mussten. Ich fragte mich, wer ihm das beigebracht hatte.
     „Herrin Galadriel bestand darauf, denn sie feiert gern große Feste.“
Ich sah ihn irritiert an, bis ich verstand, dass ich wohl laut gedacht hatte. Ich ließ seine Hand los, bemerkte, dass ich errötete, und stürmte aus dem Saal auf einen kleinen Balkon, um die frische Luft zu genießen und mein Herz zu beruhigen.
     „Was ist denn los? Habe ich etwas Falsches gesagt oder getan? Dann entschuldige ich mich dafür.“
Ich hörte, wie Elladan näher trat. Seine Nähe wurde mir wieder schmerzlich bewusst.
     „Nein, das war es nicht. Es tut mir leid. Ich …. Ich kann nicht. Verzeih.“
     „Erkläre mir, was mit dir ist. Dann gibt es nichts zu verzeihen.“
     „Ich….. denke schon eine Weile nicht mehr von dir, wie von einem Bruder.“
Die Worte sprudelten aus mir heraus.
     „Ich fühle seit einiger Zeit anders für dich, wenn ich an dich denke, dein Gesicht, deine wunderbaren Augen“ - ´deine Lippen` - „Es ist, als würde es mich zu dir ziehen, ohne, dass ich es beschreiben kann. Deine Nähe ist wunderbar, doch es ist verstörend. Ich weiß, dass du nicht so fühlst und das schmerzt mich sehr. Bitte, geh wieder hinein und lass mich mit meinen Gedanken hier draußen.“
Verschämt sah ich zu Boden. Ich spürte, wie eine Träne über meine Wange rollte. Da war ein Finger, der sie davon streichelte. Ein weiterer legte sich unter mein Kinn. Ich sah auf und in die wunderbarsten Augen, die ich je gesehen hatte.
     „Wer sagt, dass ich nicht auch so fühle? Als ich dich vorhin sah, da verschlug es mir die Sprache. Du bist erst vor wenigen Monden volljährig geworden. Dennoch zieht es mich auch zu dir, seit ich dich wiedergesehen habe. Es ist vielleicht möglich, dass wir….. mehr für einander sind, als wir bisher sehen konnten.“
Langsam kam er näher, legte seine andere Hand sanft in meinen Nacken. Zart legte er seine Lippen auf meine und die Gefühle in mir schienen zu explodieren. Ich war überwältigt und berauscht von seinem Geschmack. Viel zu schnell löste er seinen Mund wieder von meinem. Ich sah ihm an, dass dieser Kuss auch an Elladan nicht spurlos vorbei gegangen war. Wir beide atmeten etwas schneller, hektischer.
     „Ich…. hat es dir gefallen, Pathrodnan?“
Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande. Ich wollte das noch einmal fühlen.
     „Ich glaube, wir haben gerade unsere nestafae(1) gefunden, melethril(2)“, lachte er.
     „Ja, das glaube ich auch, melethron(3)“, gab ich zu.
Dann verbanden wir unsere Lippen zu einem weitern wundervollen Kuss, dem noch viele weitere folgen sollten.


(1) Sin. Seelenheil
(2) Sin. Liebste
(3) Sin. Liebster

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