Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Täglich grüßt ein Lied

von E. E. Healing

Wie man einen König in den Wahnsinn treibt

Thranduil trat aus seinen Hallen hinaus, um die frische Luft des Morgens in seinen Lungen willkommen zu heißen. Er liebte diese Stille, die ihn umfing, wenn er allein war, nur von zwei seiner Krieger flankiert. Liebte es, dann das Licht des neuen Tages auf seiner Haut und in seinem Haar zu spüren. Dann war er frei, dann war er froh, dann lächelte der Elbenkönig.

So geschah es auch an diesem Morgen, bis… Ja, bis er seinen Kopf in den Nacken legte, um noch mehr dieser warmen Liebkosung auf seiner Haut zu fühlen. Es würde nicht mehr lang Zeit bleiben, bis die Tage wieder kürzer wurden, die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel stieg und dieser unsägliche Fluch wieder über ihn herein brechen würde. Er konnte es schon wieder in seinem Kopf hören, wie sie alle…. Nein, Thranduil würde nicht jetzt schon seine Laune den Temperaturen des Winters anpassen. Noch war es nicht so weit, noch war es warm, noch war Zeit…

Doch so sehr der Silberhaarige diesem Wunsch auch nachhing, so schnell verflüchtigte er sich, als er, mit geschlossenen Augen noch immer den Kopf im Nacken haltend, etwas auf seiner Stirn ausmachte, das dort nicht hingehörte. Voller Furcht hob Thranduil seine rechte Hand, legte den Zeigefinger auf seine Stirn und nahm es auf, betrachtete, was sich nun auf seinem Finger befand.

Langsam schmolz es dahin, war dem filigranen Gebilde selbst die unterkühlte Haut des Elben zu warm. Thranduil fluchte innerlich wüst, verwünschte die Natur, die so große Schönheit hervorbrachte, doch ihm selbst die größten Qualen bescheren würde. Es war eine Schneeflocke, die auf seiner Fingerspitze ihren Tod fand und sie war sicher nicht die letzte, die dieses Schicksal mit weit mehr teilen sollte.

Immer, wenn der Schneefall einsetzte, dann wollte Thranduil es den Tieren des Waldes gleichtun… in Winterschlaf verfallen und erst wieder erwachen, wenn der Frühling kam. Früher, da liebte er den Schnee, der so rein und leise fiel, der so wunderbar unter den Füßen knirschte und alles in einen zuckrigen, weißen Mantel hüllte. Früher… das war bis vor dreißig Jahren.

Damals, als der erste Schnee des Jahres 2941 des dritten Zeitalters fiel, damals wurde sein Leid heraufbeschworen. Damals, als Smaug geschlagen wurde, da entstand sie, diese … Qual für seine Ohren. Die Menschen aus Thal und die Zwerge… sie dichteten ein Lied für Thorin, den Zwergenkönig, der seit jenen Tagen in dem Berg hauste, den er nun sein Heim nannte. Immer, wenn seit jenem Jahr der erste Schnee fiel, stimmten sie alle diese Zeilen wieder an, bis der Schnee wieder schmolz.

Selbst die Elben kannten und mochten diese Worte und Melodien nun, sehr zum Leidwesen Thranduils. Kaum war dieser Gedanke zu seinem Ende gekommen, da hörte er auch schon seinen Sohn, wie er neben den König trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. Auch Legolas erkannte die Flocken, die sich durch die Blätter des Waldes stahlen. Ein Lächeln legte sich auf seine Züge.

     „Du weißt, was dies heißen soll, ada“, triumphierte der Blonde.
     „Muss es denn auch dieses Jahr wieder geschehen?“, fragte Thranduil voller Verzweiflung.
     „Oh ja, bei allen Valar, es muss.“

Kaum war dieser Satz aus Legolas´ Mund geflossen, hörte man ihn auch schon dieses Lied, wenn man es denn so nennen konnte, anstimmen. Doch nie ging es weiter, immer waren es nur die ersten vier Zeilen, ganz so, als wäre einer Drossel der Text abhanden gekommen.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“*

* aus dem Buch, minimal abgewandelt

     „Nein, ich halte das nicht mehr aus!“, schrie Thranduil und rannte wie ein kopfloser Ork wieder hinein in seine Hallen.

Vielleicht, wenn der König mehr Glück als ein Warg Verstand hätte, dann würde ihm nun noch bis zur Stunde des Mittagsmahls wenigstens in seinem Thronsaal noch etwas Ruhe vergönnt sein. Eventuell war es möglich, dass die Elben, die in der Küche standen, bis dahin nichts von den ersten, wenigen Flocken dieses Jahres, wussten.

Doch er hatte sich zu früh diesem Irrglauben hingegeben, denn schon drangen Gesänge an sein Ohr, die von den Wachen auf ihrem Rundgang zum Besten gegeben wurden.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“


***


„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Weil es so schön war und die Elben den Klang der Worte so gern hatten, kam Thranduil gleich noch einmal in diesen wundervollen … Genuss….

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“


***

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Ja, ganze vier mal, wenn er den Gesang des eigenen Sprosses nicht mitzählte, durfte sich der Elbenkönig an diesen Zeilen satt hören, bis die Wachen endlich den Weg fanden, der sie aus der Hörweite des Silberhaarigen trug. Er stöhnte innerlich auf und wünschte sich Watte, um sie in die Ohren stopfen zu können.
Doch zu seinem Leidwesen war der Verbrauch dieses Materials einzig und allein dafür vorgesehen, die Wämser der Kämpfer auszupolstern, damit die Rüstung nicht scheuerte. Niemals hätte der Rüstmeister auch nur ein Stückchen davon hergegeben, damit Thranduil es sich in die Ohren stecken durfte.
Der König versuchte nun, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren, die Schriften durchzugehen, die ihm aus anderen Königreichen zugesandt waren. Er wollte ausblenden, was die Elben von sich gaben, sich darauf beschränken, den Bestand an Wein zu kontrollieren, die Handelsabkommen mit den Fischern und Tuchmeistern zu überprüfen.

Doch leider bewirkten diese Zeilen auch immer noch etwas anderes. Sie zogen und zerrten nicht nur an den Nerven des Elbenkönigs, nein, sie beschworen auch Bilder vor seinem inneren Auge herauf, die er verbannen wollte. Im Frühjahr, Sommer und auch Herbst war der Elb frei davon, lenkte er sein Augenmerk auf das, was wirklich wichtig war, die Sicherung seines Landes. Dann waren seine Gedanken frei.
Nun aber gab es kein Entkommen mehr.
Er starrte auf die Pergamente vor seinen Augen, sah sie nicht. Was er wirklich sah war, wie die Worte verschwommen. Sie bildeten keine Buchstaben mehr mit Sinn und Verstand, nein, sie wurden zu Linien, schwarzen Linien, die augenblicklich ein Gesicht formten, umrahmt von schwarzen Locken, in die sich die ersten grauen Strähnen geschlichen hatten. Sie zeigten ein markantes Gesicht, das ein schwarzer Bart zierte, lächelnde Lippen, die dazu einluden, sie zu berühren.

„Verflucht seist du, Thorin Eichenschild!“, flüsterte Thranduil wütend, setzte sich auf seinen Thron und trank einen kräftige Schluck Wein.

Die Strapazen der vergangenen Wochen und der Wunsch, dieser Hölle der Gesänge entfliehen zu können, führten zusammen mit dem Saft der Reben dazu, dass Thranduils Gedanken davon segelten, in andere Gefilde als die Eigenen. Er hatte nun diese wunderbaren, himmelblauen Augen vor sich, die er seit drei Dekaden aus seinem Kopf zu verbannen suchte. Wie immer, wenn der Winter kam, dachte er nun doch daran. Wieso nur übten sie so eine Faszination auf Thranduil aus?

***

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Thranduil schreckte hoch, zuckte zusammen und sah sich verwundert um. Leise drangen die Worte an sein Ohr, von weiter weg, als er angenommen hatte. Das Glück war ihm zumindest ein wenig hold. Es war unmöglich, sich vorzustellen, was geschehen würde, sollte er dabei beobachtet werden, wie er, der Elbenkönig, auf seinem Thron saß und Gedanken nachjagte, die schon beinah als … sündhaft … zu betrachten waren. Hatte er nicht gerade noch davon geträumt, wie es wäre, mit seinen Fingern durch die sicher seidigen Locken Thorins zu fahren, seinen Kopf nach hinten zu beugen und ihn dann zu küssen?

     „Nein!“, stöhnte der Silberhaarige voller Leid auf.
     „Was ist das nur?“

Nie zuvor hatte er an einen Mann in dieser Weise gedacht, nie wieder an einen anderen. Es war immer nur dieser störrische Zwergenkönig, von dem er wusste, dass er sehr wohl dem eigenen Geschlecht zugetan war, aber bis zum heutigen Tage weder Verlobung noch Hochzeit gefeiert hatte.


„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“


Der Wahnsinn begann erneut. Diese Zeilen… sie brachten Thranduil dazu, sich weit weg zu wünschen, in einen Berg hinein, in dem er sie nicht mehr ertragen musste. Zu seinem Pech wurden sie nun lauter vorgetragen.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Sie kamen näher. Hörte er seinen Sohn etwa lauthals mitsingen? War sein Heerführer und auch der Seneschall unter denen, die diese Zeilen vortrugen?

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Fast das gesamte Gefolge des Königshofes fand sich ein. Es waren um die fünfzig Elben, die gerade in den Thronsaal stolzierten, angeführt von… Legolas, dem Elbenprinzen. Er lächelte spitzbübisch, als er sah, wie sich Thranduil die Schläfen rieb, nur um danach seine Finger in den Ohren zu versenken.
Gepeinigt schloss er seine Augen, nur um sie wieder aufzureißen, denn sofort hatte er blaue Kristalle umrahmt von langen, schwarzen Wimpern gesehen. Wie nur sollte er so die nächsten Monate aushalten können? Es war doch erst der erste Tag, an dem Schnee fiel. Noch viele weitere würden folgen und Thranduil wusste, dass jeden Morgen mehr Elben bereit sein würden, diese Qual zu besingen.

Thranduil hob seinen Kopf, als er bemerkte, dass dieses … Gejaule … endlich aufgehört hatte. Was war geschehen? Hatten sie bemerkt, dass der Kopf des Königs gefährlich nahe daran war, einfach zu platzen? Was auch immer es war, gut konnte es nicht sein, wenn er bedachte, wie sein Sohn ihn angriente. Es schien so, als habe er etwas vor, etwas, das Thranduil sicher nicht gefallen würde.

     „Es ist Zeit für das Mittagsmahl, ada. Der Hofstaat möchte dich, zu ehren des ersten Schnees in diesem Jahr, vollständig dazu begleiten.“
     „Hannon le, iôn nîn.“
     „Danke mir nicht zu früh…“, fügte der Blonde kryptisch hinzu.

***

Der Elbenkönig stöhnte auf, als er die Festtafel sah, die seine Köche für ihn vorbereitet hatten. Nicht nur, dass auch sie sangen, nein es waren keine alltäglichen Speisen aufgetischt. So, wie jedes Jahr, wenn der erste Schnee fiel, wurden auch dieses Jahr die ersten winterlichen Pasteten und warmer Apfelwein kredenzt. Auch dies war nichts, dass Thranduil wirklich neu war, doch als er sah, in welcher Form die Speisen auf den Tisch drapiert waren, schloss er wieder einmal seine Augen, rieb sich über die Schläfen und eine Ader an seiner Stirn füllte sich bedrohlich.

     „Wieso?“, knirschte er zwischen den Zähnen.
     „Wieso was, ada?“, fragte Legolas gleichermaßen vergnügt.
     „Wenn ich es richtig sehen kann, dann stehen hier Pasteten und Kuchen in Form von Zwergenäxten und Zwergenschilden auf meinem, elbischen Festtisch! Wer ist dafür verantwortlich?“
     „Oh, ich glaube, dies könnte eine Idee sein, die in meinem Kopf geboren wurde, mell adar.*“
     „Was?“, begehrte Thranduil auf.
     „Ich dachte, nachdem nun dreißig Jahre vergangen sind, wäre es angebracht, der Tage jener glorreichen Schlacht zu gedenken. Wie könnten wir dies besser vollbringen, als mit diesen Zeichen?“
     „Was hat Thorin davon, wenn wir ihn ehren, er aber nicht bei uns ist?“

Legolas sagte keinen Ton mehr, lächelte nur immer weiter so, als habe er nie etwas anderes getan und setzte sich an den für ihn bestimmten Platz. Schweigend nahmen sie ihr Mahl, ehe Thranduil sich in seine Gemächer zurück zog, da die Elben, die den Tisch abräumten, schon wieder dieses … Lied anstimmten.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

* lieber Vater

***

Der silberhaarige Elbenkönig wollte nicht viel, als er sich abends in die heißen Quellen begab. Ein wenig Ruhe und Frieden hätten ihm schon gereicht. Natürlich war es ihm nicht vergönnt. Nein, wie sollte es denn auch anders sein, als dass er wieder diese vermaledeiten Zeilen vernahm, die die Ader an seiner Stirn bedrohlich nahe an den Rand des Platzens brachten…

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

     `Wer, bei allem, was mir heilig ist, ist da drin und vollbringt es, mir nun auch mein Bad zu verderben?´

Doch Thranduil war nicht gewillt, herauszufinden, dass sein eigener Sohn schon wieder das Liedchen erst sang, dann summte und wieder anstimmte. Legolas ließ sich zufrieden tiefer in das warme Wasser gleiten, als er die Schritte vernahm, die sich von ihm entfernten.

     `Vielleicht gelingt es dieses Jahr…´

***

Tief in Gedanken darüber, wie er diesem ganzen Irrsinn entkommen würde, wich Thranduil instinktiv immer wieder aus, wenn er auch nur leise vernehmen konnte, dass ein Diener, Krieger, Koch oder Heiler, oder wer auch immer, sich anschickte diese Melodie zu summen, trällern oder – die Valar sollten gnädig sein – wieder sang.
Erst, als es neben ihm vertraut schnaubte, hob Thranduil seinen Blick und erkannte, dass er in die Stallungen gewandert war. Sein Hirsch, Sohn des im Krieg gefallenen Araud, stieß ihn sanft mit der Nase an, so als würde er sich einige Streicheleinheiten erbitten. Der Elbenkönig trat näher, legte seine Hand auf das weiche Fell und tat ihm den Gefallen.

     „Was soll ich nur tun, um dem zu entkommen, Nimras?“, seufzte er.
     „Bist du jetzt vom Baumkuschler zum Hirschflüsterer geworden, Thranduil?“

Erschrocken drehte sich der Silberhaarige in die Richtung, aus der diese Stimme ertönte. Als er erkannte, wer da so ohne jeglichen Respekt zu ihm sprach, schnappte er hektisch nach Luft, die er dann ebenso schnell wieder ausstieß, während er den Neuankömmling mit hartem Ton in der Stimme strafte.

     „Wie kommst du dazu, mich so zu beleidigen? Es ist immerhin deine Schuld, dass mit seit dem Morgen die Ohren bluten!“
     „Was sollte ich mit deinen Elbenöhrchen zu schaffen haben?“

Der Andere zuckte mit den Schultern, als er näher trat, wie, um sich davon zu überzeugen, dass Thranduil die Wahrheit sprach.

     „Ich kann nichts erkennen.“
     „Was willst du in meinem Reich?“, überging der Größere diesen Einwand.
     „Ich ersuche um die Gunst, einige Tage in der Ruhe deiner Hallen verbringen zu dürfen.“
     „Wie kommt es dazu?“

Man konnte das Misstrauen hören und sehen, beinah sogar greifen. Der Kleinere seufzte unwillig, zuckte dann mit seinen Schultern.

     „Darf ich etwa nicht mehr das nachbarliche Königreich besuchen?“
     „Sicher. Doch tatest du dies nie, ohne Wochen vorher darüber zu debattieren, wann es denn der beste Zeitpunkt wäre. Ich meine ebenso, mich daran erinnern zu könne, dass du den Stein nur noch ungern verlassen hast, seit du diesen Haufen zurück bekamst.“
     „Wage es nicht noch einmal, mein Königreich so zu nennen, Elb!“
     „Und wie ich es wagen werde! Seit jenem Tag habe ich…“, nur mühsam schluckte Thranduil die letzten Zeilen wieder hinunter.

Niemals würde er preis geben, wie sehr er unter den Zeilen litt, die selbst sein ganzes Heer sang, wenn es zu den morgendlichen Übungen antrat. Er erzitterte schon innerlich, wenn er daran dachte, dass dies nun eine lange Zeit jeden Morgen so sein würde. Zur gleichen Zeit war er nicht gewillt, seinem … Gast … zu offenbaren, wie gern sein Volk diese Melodie tagein, tagaus summte und trällerte.

     „Du kannst hier nicht bleiben! Geh´ wieder!“ - `Und nimm´ mich mit…´
     „Aber… du willst mir einen Wunsch verweigern, um den ich dich demütig bitte?“
     „Ja.“
     „Was muss ich tun, um bei dir bleiben zu dürfen?“
     „Da gibt es nichts!“ - `Außer einem Kuss vielleicht…´
     „Ich tue alles!“
     „Dann sag mir, was dich aus deinem Berg getrieben hat, Thorin, Zwergenkönig!“
     „Wenn es denn sein muss…“

Der Schwarzhaarige straffte sich, stellte sich in die Mitte des Raumes und begann, eine Melodie anzustimmen, die Thranduil nur zu gut kannte.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal. …


***


Thranduil stöhnte auf, als er das Lied erklingen hörte. Doch dieses Mal stimmte er in die letzten beiden Zeilen zur Verwunderung des Zwergen mit ein.

… Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

     „Du kennst dieses Lied?“, fragte Thorin ungläubig.
     „Zu meinem Leidwesen, ja.“
     „Ich ersuche dich um die Gunst, diesem Lied für ein paar Tage entfliehen zu können.“
     „Dann musst du wohl in eine Trollhöhle gehen.“
     „Wie kommst du auf diesen Gedanken?“
     „Mein Sohn stimmte es vor drei Dekaden zum ersten Male an. Seither hat es sich in meinem Reich in Windeseile verbreitet und quält mich, sobald der erste Schnee erscheint jedes Jahr auf neue Weise. Immer habe ich dann dein Gesicht vor Augen, Thorin, dein Haar, deinen Mund. Ich kann es nicht mehr ertragen!“

Wie, als habe man ihm einen Schlag versetzt, taumelte Thorin einen Augenblick. Er erahnte, was es für dein Gegenüber bedeuten mochte, wenn er solche Worte sprach.

     `Ist es möglich, dass auch er immer an mich denkt, so wie ich an ihn? Es war wohl kein guter Rat von Fíli, mein Glück bei den Elben zu suchen. Fíli… ob er es etwa ahnte, dass ich Thranduils Augen nie vergessen konnte? Schon lang habe ich den Verdacht, dass er mit dem Elbenprinzlein unter einer Decke steckt, wohl im wahrsten Sinne…´
     „Wenn wir beide gehen, dann werde ich dir auch in eine Trollhöhle folgen“, versuchte Thorin lieber zu scherzen.

Thranduils Kopf flog zu Thorin herum, als er dessen Worte hörte. Dann hob er ihn wieder in eine andere Richtung.

     „Oh nein!“, stöhnte er verzweifelt.

Schnell schwang sich der Silberhaarige auf seinen Hirsch, hielt dem anderen König die Hand entgegen. Dieser sah ihn verwundert an.

     „Wenn du diesem Wahnsinn entkommen willst, dann gib mir deine Hand. Ich höre meinen Sohn, wie er singend in unsere Richtung patrouilliert. Schnell!“

Ohne weiter zu überlegen, packte Thorin die dargebotene Hand, kam sicher vor Thranduil zum Sitzen und lehnte sich einen Moment an dessen feste Gestalt. Beide unterdrückten einen sehnsüchtigen Laut, als sie den anderen Körper so nah wahrnahmen.

Schon sprengte Nimras davon, hinaus in den neuen Schnee, der die Welt in ein weißes Kleid zauberte. Es war gerade noch rechtzeitig, ehe Legolas singend um die Ecke bog.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Der König tritt in seinen Saal.
Zu End die Not, der Drache tot!
Den Freunden Gold, den Feinden Stahl.“

Als der blonde Elb sah, dass sein Vater nicht allein war, lächelte er glücklich. Seit dreißig Jahren schon versuchte er auf diesem Weg, seinem Vater begreiflich zu machen, dass er wohl in einen Zwerg verliebt war. Er hoffte, dass es dieses Jahr endlich gelang. So stimmte er vergnügt ein allerletztes Mal diese Melodie an, wenn auch mit einem leicht veränderten Text.

„Unter dem Berge, hoch und kahl,
Zwei Könige treten in den Saal.
Zu End die Not, die Lieb nicht tot!

Thorin das Herz, dass er Thranduil stahl.
Thranduil das Herz, dass er Thorin stahl.
Kommt zur Hochzeit, kommt zum Festtagsmahl...“

ENDE


Ich habe gezählt… 14x ist es drin, leider keine 30, aber so oft wollte ich euch dann doch nicht nerven. *gg*

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