"HÖRT ENDLICH AUF!", brüllte Éowyn, doch ihre Stimme ging im Geschrei von Théodred und Éomer unter.
Sie hatte mit ihrem Streit nichts zu tun, doch er zerfetzte auch ihre Nerven, weshalb auch sie zornig war. Schließlich konnte sie es nicht mehr ertragen und verpasste den beiden zwei gepfefferte Ohrfeigen.
"Ihr seid ja wie zwei an einander nagende Werwölfe!", schrie sie ihren Bruder und ihren Vetter an.
Die beiden starrten sie an.
"Éowyn, das ist unsere Sache", sagte Éomer streng.
"Aber müsst ihr denn auch allen in eurer Umgebung wehtun!", heulte Éowyn und stampfte wütend aus dem Raum, um das Gebrüll der ehemaligen Freunde nicht mehr ertragen zu müssen.
Auf dem Gang begegnete sie Gríma.
"Wie dumm, dass die beiden sich streiten...", sprach er langsam und genüsslich. "Gerade ist eine Nachricht aus der Westmark gekommen: Durch den Verrat Eures Bruders hat sich der Kampfgeist der Orks vergrößert. Sie marschieren direkt auf Edoras zu."
"Liegt Euch nichts mehr an Eurer Heimat, Schlangenzunge?", fragte Éowyn hasserfüllt.
Ihr entging nicht, dass Gríma einen leicht beschämten Blick auf den Boden warf.
"Die Riddermark hat sich von Euch abgewandt", fuhr Éowyn fort. "Und das nicht ohne Grund. Hättet Ihr nicht diese gespaltene Zunge und die verfluchten Giftzähne, wäret Ihr noch immer ein Mann Rohans."
Éowyn schlief schlecht. Sie träumte von zwei großen Burgen mit unvorstellbar dicken Mauern. Sie beschossen sich mit brennenden Pfeilen und Katapulten und beide standen in Flammen, doch keine wollte nachgeben. Sie war klein und hilflos. Doch plötzlich kam ein Dunkel und eine der Burgen zerfiel zu Staub.
Ihr Traum gab ihr dunkle Vorahnungen. Der Streit zwischen Théodred und Éomer würde bald eine Katastrophe auslösen. Und es hatte bereits begonnen, denn das Heer war gespalten und daher sehr verletzlich. Rohan war den Orks nun schutzlos ausgeliefert.
Doch das schien die beiden Streitenden nicht zu kümmern. In ihrem blinden Zorn sahen sie nur noch ihren Hass gegen einander. Ganz Edoras war unruhig und sogar unter den Frauen kam es oft zu Streitereien.
Théoden schien wie immer von alldem nichts mitzubekommen. Er saß die ganze Zeit lang in Pelze gehüllt auf seinem Thron und lauschte dem Geflüster von Schlangenzunge.
Als Éowyn ihrem Bruder von ihrem Traum erzählte, sagte er nur, es sei bloß ein Alptraum gewesen.
"Éomer! Dieser Streit bringt euch beide um den Verstand!", rief Éowyn empört. "Habt ihr denn die Riddermark vergessen? Es ist Krieg!"
"Und ich werde Rohan verteidigen", versprach Éomer. "Ich habe die Erlaubnis bekommen, gegen das Orkheer kämpfen zu dürfen. Als einfacher Soldat, allerdings."
"Wer hat dir die Erlaubnis gegeben?", flüsterte Éowyn entsetzt. "Schlangenzunge? Er will dich doch nur umbringen!"
"Dann muss ich zumindest nicht miterleben, wie Théodred noch mehr Lügen über mich verbreitet", knurrte Éomer.