Arda Fanfiction

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Das Licht der Hoffnung

von Dairyû

Die Erinnerung

Schwer lag die Dunkelheit über dem kargen und toten Land, dessen schwarze Erde bedeckt war mit Staub, Blut und zerbrochenen Leibern. Nicht einmal die Geschöpfe, die sich an den Gefallenen laben gab es, und so lagen sie dort - Orks, Menschen, Elben ... im Tode vereint, ein grausiges Zeugnis der erbitterten und gnadenlosen Kämpfe, die ausgefochten worden waren. Doch auch das Leben regte sich noch, denn der Krieg hatte nun seinen Höhepunkt erreicht und wir Überlebenden fanden keine Zeit mehr, unsere Toten zu beweinen oder ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Die gemeinsamen Kräfte der Elben und Menschen hatten das gewaltige Heer des Lichts bis vor die Tore des Feindes geführt, der sich grollend und zögernd in seinem Turm verschanzte und abwartete, in der Gewissheit, dass es niemandem gelingen würde, Barad-dûr zu erobern. Aber ebensowenig gelang es ihm, die Belagerer zu vertreiben. Seine Heere waren gewaltig, jedoch, der wahre Kampfgeist war mit uns Elben und den Menschen, denn wir alle wussten, dass auf unseren Schultern das Schicksal der Welt ruhte. Und so schlichen sich Zweifel in das schwarze Herz des Dunklen Herrschers, wir Kundigen spürten es und gedachten, es uns zum Vorteil gereichen zu lassen ...

~*~

Mit schnellen Schritten gehe ich durch das Heerlager, das vor mehr als einem Mond auf der weiten Ebene vor dem Dunklen Turm errichtet worden war - außer Reichweite des Feindes, aber gut zu sehen, als wortlose Drohung und Zeichen der Stärke, auf dass Sauron erfuhr, was es hieß, einem mächtigen Gegner ins Angesicht zu blicken. In den beinahe sieben Jahren, die wir nun schon im Lande des Feindes weilen, seine Heere bekämpfen und nun endlich seine Festung belagern, ist viel geschehen; und doch glich ein Tag dem anderen und jede Nacht der vorangegangenen. Niemals schien die Sonne über uns und die Sterne verbargen ihr Antlitz vor Leid und Tod. Aber wir haben standgehalten und werden es weiterhin. Zufrieden sehe ich über das Lager hinweg. Es ist auf das Beste geordnet und hätten wir uns nicht im Schatten des Bösen befunden, dann hätte man meinen können, die Fürsten der Elben und Menschen wären zusammengekommen, um in Frieden und Freundschaft alte Bündnisse zu erneuern. Im Grunde genommen tun wir genau dies, aber ich wünsche mir, dass der Anlass ein anderer gewesen wäre. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass die friedlichen Zeiten, die uns die Vergangenheit bescherte, von Dauer sind; tröstlich ist allein, dass wir alle die schweren Jahre ertragen müssen. Freundlich grüßen mich meine Brüder und ebenso freundlich sind die Menschen. Ich danke es ihnen mit einem Lächeln, denn ich weiß, dass sie darauf warten und es freut mich, wenn ich ihnen allen Kraft geben kann, damit ihre Herzen zuversichtlich bleiben. Es ist eine wundervolle Gabe, die mir geschenkt wurde; ebenso wie die Gabe der Heilung - beides durfte und musste ich in den vergangenen Tagen und Wochen so oft einsetzen wie nie zuvor in meinem Leben. Wenn der Segen Ilúvatars mit uns ist, dann werden meine Fähigkeiten nicht mehr lange gebraucht. Ich hoffe es aus tiefstem Herzen. Meine Schritte bringen mich zu einem großen Zelt, an dem viele Banner im rauen Wind flattern, sie sind stumme Zeugen von der Gemeinschaft der Elben und Menschen. Ich sehe ein Banner, das für Größe, Macht und Gerechtigkeit steht - ein weißer Baum, gekrönt von sieben Sternen, daneben ein Banner in schlichtem Silber, auf dem weiße Sterne funkeln; beide sind sie Sinnbild für ein schicksalsträchtiges Bündnis, und mein Herz wird immer aufs Neue erfreut, wenn ich diese Zeichen sehe. Die beiden Krieger vor dem Eingang neigen ehrerbietig die Köpfe, als ich an ihnen vorbeischreite. Hier nun bin ich wieder Fürst Elrond, der Bannerträger und Herold meines Königs, der mich zu sich gerufen hat. Ich trete in das sanfte Dämmerlicht des Zeltes, denn es brennen nur wenige Fackeln, um das Innere zu erhellen. Das Zelt dient einzig dem Zweck der Zusammenkunft der Heerführer und so ist nichts weiter darin als einige einfache Stühle, schnell gezimmert aus den kläglichen Hölzern, die man im Land des Feindes fand. Alles in unserem Lager ist auf den zweckmäßigen Gebrauch ausgerichtet, selbst die hohen Fürsten der Elben und der Menschen ruhen auf dem harten Boden, wie die geringsten Krieger. Schnell haben meine Augen sich an das Licht gewöhnt. Ich erblicke meinen König. Wie immer ist Gil-galads Angesicht ernst und würdevoll, doch seine Augen strahlen und ein Lächeln liegt in ihnen. Bei ihm ist Elendil, der Hohe König von Arnor und Gondor. Auch er sieht mich freundlich an. Ich habe schon vor langer Zeit Gefallen an dem Menschen gefunden. Sehr groß und schlank ist er und besitzt nicht weniger Würde als Gil-galad, Ruhe und Gelassenheit gehen von ihm aus und er ist ein wahrhaftig guter Herrscher, den seine Krieger verehren, so wie er es verdient hat. Das Blut Númenors ist stark in ihm und er ist aufrechten Sinnes. Da nimmt es nicht Wunder, dass meinen Fürst mit dem Menschen eine tiefe Freundschaft verbindet - von dem Tage an, als Elendil mit seinen Söhnen und wenigen Getreuen von einem gnädigen Wind an die Gestade Mittelerdes getrieben wurde. Elendil verschlug es an Lindons Küste und Gil-galad nahm ihn freundlich auf. Ich ehre beide Könige mit einer tiefen Verbeugung und trete dann zu ihnen. "Seid uns willkommen, Elrond!" begrüßt mich Gil-galads melodische Stimme. "König Elendil und ich sprachen über unser weiteres Vorgehen." Ich nicke. Seit zwei Tagen schon sind die beiden Fürsten in Beratungen versunken. Der Feind hat uns eine Atempause gegönnt, denn seitdem ist kein Angriff mehr erfolgt. Sammelt Sauron seine Kräfte zu einem alles entscheidenden Schlag? Wartet er einfach ab, was wir tun werden? Oder ist er möglicherweise derart geschwächt, dass er seine Heere schonen muss und die Tore Barad-dûrs deshalb geschlossen bleiben? Genau diese Fragen stellen wir alle uns. Gil-galad und Elendil haben in den vergangenen Stunden viele Elben- und Menschenfürsten angehört, und nun ließ man mich rufen. Ich weiß, dass mein König meine Meinung schätzt, auch wenn sie nicht immer die seine ist. Doch diesmal glaube ich, dass wir das gleiche denken und seine nächsten Worte bestätigen meine Annahme. "Der morgige Tag wird die Entscheidung bringen, Elrond", sagt er feierlich. "Das hoffe und fürchte ich, mein Fürst", antworte ich vorsichtig und mit leiser Stimme. Gilgalad blickt mich an und das Lächeln schwindet aus seinen Augen. "Ihr teilt meine Einschätzung, wie ich sehe, aber der Grund ist nicht derselbe. Sagt mir, was Euch bedrückt." Bedächtig lasse ich mir mit einer Antwort Zeit. Es fällt mir schwer, meine Gefühle in Worte zu kleiden, denn nicht einmal ich weiß genau, was auf meiner Seele lastet. Es ist nur eine vage Ahnung und ich möchte nicht der Verkünder einer düsteren Zukunft sein. Die beiden Fürsten schauen mich an und es wäre unhöflich, noch länger zu schweigen. "Es ist nichts, mein König. Vielleicht bin ich des Kämpfens einfach müde ..." Gil-galad schüttelt kaum merklich den Kopf, aber er tadelt mich nicht ob meiner kläglichen Lüge. Er sieht mir nur tief in die Augen. "Mein Fürst", beginne ich von neuem, denn ich kann mich seiner stummen Aufforderung nicht widersetzen. "Eine innere Stimme spricht zu mir, doch das was sie sagt, ist rätselhaft. Sie verkündet uns den Sieg und zugleich verheißt sie uns den Untergang. Ich möchte das Erste glauben und wünsche, dass das Zweite nicht mehr als eine Warnung ist, damit wir nicht unbedacht gegen den Feind ziehen." Nachdenklich betrachten mich die beiden Könige. Gil-galad wägt meine Worte ab. Wieviel Gewicht mag er ihnen geben? Er weiß um meine Gabe, in die Zukunft blicken zu können; aber er weiß auch, dass ich mir ihrer schon lange nicht mehr sicher sein kann. Der Hauch des Bösen, der über allem schwebt, seit sich Sauron erhoben hat und Mittelerde mit Krieg bedrückt, lastet auch auf mir. Wie ein undurchdringlicher Schleier verhüllt er das Kommende. Elendil seufzt leise. Der Mensch hat viele Jahre durchlebt und nicht wenige waren leidvoll und haben Narben in seinem Herzen und in seiner Seele hinterlassen, einige noch zu frisch, um ganz verheilt zu sein - wenn sie es jemals sein werden. Es ist noch gar nicht lange her, da verlor er einen seiner Söhne. Hinterrücks wurde Anárion erschlagen, und das Wehklagen unter den Getreuen des Königs war groß. Elendil ertrug den Schmerz, wie man es von ihm erwartete. Doch die Trauer hat sein Herz nicht mehr verlassen. Sicherlich hat ihn das zu einem entschiedenen Verfechter eines harten und schnellen Vorgehens gegen Sauron gemacht. Ich kann es gut verstehen. Auch ich bin die vergangenen Jahrzehnte des Kampfes leid, der uns Schritt für Schritt an unser Ziel geführt hat. Aber dann wurden wir gezwungen zu verharren, für uns Elben sind die fast sieben Jahre eine geringe Zeitspanne, doch sie zermürbte uns ebenso wie die Menschen. Und vielleicht leiden wir mehr als sie, denn die Gegenwart des Bösen liegt wie ein immerwährender Schatten über uns, so wie der Schatten des Dunklen Turmes, der dräuend in den Himmel ragt. Saurons Festung ist die gewaltigste, die Mittelerde seit dem Sturze Morgoth' je gesehen hat. Es gibt für uns keinen Weg hinein, wenn man uns die Tore nicht öffnet - und das wird niemals geschehen, solange Sauron existiert. Wir können nur warten und darauf hoffen, dass der Feind sich zu einem unbedachten Handeln hinreißen lässt. So als habe mein König diese Gedanken gelesen, sagt er: "Wir müssen uns eine Blöße geben, die den Anschein erweckt, dass wir schwach geworden sind." Elendil lacht leise und bitter. "Ich glaube, das ist keine große Kunst, mein Freund", erwidert er darauf. "Schau dich doch um, und blicke in die Herzen der Krieger. Selbst ich, der ich kein weiser und weitsichtiger Mann bin, sehe, dass Elben und Menschen ein Ende herbeisehnen. Und wer kann es ihnen verdenken. Die Jahre haben an unseren Kräften gezehrt. Es gibt niemanden, der nicht den Tod eines Freundes und Kampfgefährten beklagt, und viele fragen sich im Stillen, wann sie selbst den letzten Pfad beschreiten müssen. Wir sind in der Tat schwach geworden ..." "Aber immer noch stark genug für ein letztes Aufbäumen, das, wenn wir uns geschickt verhalten, die Entscheidung bringen wird", erwidert Gil-galad ruhig. "Morgen, wenn der Tag anbricht, sollen zwei Heere den Angriff vollführen - eines von Westen und eines von Süden her. Das Haupttor wird unser Ziel sein. Aber ich denke, so weit werden wir nicht zu gehen brauchen ..." "Du willst unsere Heere willentlich teilen?" Elendils Augen blitzen auf, als er Gil-galad unterbricht und stolz steht er da. Zorn umwölkt sein Gesicht und ein grimmiger Zug liegt um seinen Mund. "Mit Verlaub, Gil-galad, das ist töricht! Jeder noch so schlechte Heerführer würde so etwas nicht tun. Ein einziger geschickter Ausfall des Feindes kann uns zermalmen ..." Eine sanfte Geste meines Fürsten lässt den König der Menschen verstummen. "Elrond?" fragt er mich auffordernd. "Mein König. Ich ... muss dem Herrn von Arnor zustimmen. Doch ich glaube, ich verstehe Eure Absichten. Ihr setzt auf den Stolz und die Überheblichkeit Saurons ..." Ein feines Lächeln umspielt Gil-galads Lippen und bestätigt mir, dass ich Recht habe. "Ja, meine Freunde. Genau darauf hoffe ich. Wir werden dem Wolf die Kehle darbieten und wenn er zupackt, dann sind wir bereit. Lasst Sauron unsere unsinnige Handlung als Verzweiflungstat ansehen. Ich will ihn aus seinem Turm hervorlocken! Und er wird kommen. Um uns zu demütigen und zu verlachen und seinen Triumph auszukosten." "Aber mein Fürst ...", beginne ich. Diese Vorstellung erfüllt mich mit Schrecken. Es ist etwas anderes, einen Feind zu bekämpfen, der zwar einen Namen, aber keine Gestalt hat, als einen, der sich in all seiner Stärke zu zeigen vermag. Ich will Sauron nicht wieder begegnen; allein das Wissen um seine böse Gegenwart ist Pein genug. Doch scheint dies der einzige Weg zu sein, wenn wir nicht bis in alle Ewigkeit in diesem verfluchten Land ausharren wollen, immer schwächer und schwächer werdend, und am Ende gar besiegt. Gil-galad tritt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. "Glaubt mir, Elrond, gäbe es eine andere Lösung, wäre ich der Erste, der sie beim Schopfe packen würde. Doch ich sehe keine andere Möglichkeit. Wir müssen Sauron selbst gegenübertreten." "Ohne die geringste Aussicht auf ein gutes Gelingen?" König Elendils Stimme ist heiser. "Was kann ein Sterblicher wie ich gegen ein Wesen wie Sauron ausrichten? Findest du es nicht vermessen, auch nur daran zu denken, dass wir bestehen könnten? Vielleicht trifft das auf euch Elben ja sogar zu, aber wir Menschen sind ein Nichts gegen ihn." "Menschen haben seit jeher viel vermocht, Elendil", antwortet Gil-galad sanft. "Du hast ein gutes Schwert und ungeheuren Mut ..." Nachdenklich setzt der König sich. Er ist noch immer aufgewühlt und von Zorn und Unsicherheit erfüllt, denn der Vorschlag Gil-galads birgt Gefahren in sich, die jeder von uns nur zu gut abzuschätzen vermag. Wir führen viele tapfere Krieger in den sicheren Tod, ganz gleich ob Sauron sich zeigt oder nicht. Doch wenn Gil-galads Plan Früchte trägt, glückt es uns, den Feind aus seiner Festung zu locken - ein zweifelhafter Erfolg, in meinen Augen. Denn was geschieht dann? Wer vermag einem Maia, der dem Bösen verfallen ist, die Stirn zu bieten, ohne es bitter zu bereuen? Ich wünschte, ich könnte so viel Zuversicht mein Eigen nennen, wie Gil-galad, aber es gelingt mir nicht dem morgigen Tag ohne einen Schauer entgegen zu blicken, der langsam durch meine Glieder kriecht und nichts als Kälte zurücklässt. Ich bin nicht der Einzige. "Eine grandiose Strategie, mein Freund", höre ich Elendil flüstern, während sein Blick in die Ferne schweift, so als hoffe er, dort den Lauf der Zukunft zu erkennen. Gil-galad gibt mir ein Zeichen und mit einer tiefen Verbeugung ziehe ich mich zurück. Ich kenne meinen König, er wird Elendil überzeugen, und auch wenn der Mensch nicht mit dem Herzen hinter dem gewagten Plan steht, wird er morgen ohne ein weiteres Wort folgen. So wie ich. Bis dahin werde ich die warnende Stimme zum Schweigen gebracht haben ...

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