Legolas ging unruhig auf und ab. Seine Gefährten schliefen, doch er brauchte nicht viel Schlaf, seit sie in Lórien angekommen waren. Der Wald hatte so eine beruhigende Wirkung, dass er auch während er wach war genug Kraft schöpfen konnte. Doch in dieser Nacht grübelte er mehr als sonst. Und seine Gedanken kreisten um den Zwergen Gimli.
Seit sie im Goldenen Wald angekommen waren, hatte er sich verändert. Noch in den dunklen Mienen von Moria hatte er sich sichtlich wohl gefühlt. Stets hatte er als letztes den Mut verloren und nichts schien ihm die Stimmung trüben zu können. Natürlich nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie den Balrog getroffen hatten und Gandalf in den Schatten gestürzt war.
Doch jetzt war er anders. Lórien war wunderschön und sie wurden hier bestens versorgt, doch Gimli schien sich dennoch nicht wohl zu fühlen. Caras Galadhon war eine Stadt der Elben und ganz Lothlórien trug ihren Zauber. Dem Zwergen jedoch schien das Volk der Erstgeborenen fremd zu sein.
Zwerge waren in ihrer Art von den Elben grundsätzlich verschieden. Und in den meisten Fällen führte das nicht gerade zu guter Freundschaft zwischen den beiden Völkern. Gimli jedoch schien keine Abneigung gegen die Elben zu haben, auch wenn er Legolas gegenüber öfters große Töne spuckte.
Es schien viel mehr, als würde er sich hier in dem Land, was für Legolas nach dieser Reise geradezu ein Paradies zu sein schien, sehr verloren vorkommen. Natürlich nahm auch er den Zauber wahr, der alles umgab, was zu Lothlórien gehörte, doch er verstand ihn nicht. Sein Herz konnte sich diesen Dingen nicht in der Weise öffnen, so wie es die Herzen der Elben und sogar der Menschen taten, wenn sie Lórien betraten.
Genauso wenig konnten die Elben nachvollziehen, was die Zwerge an den Höhlen und unterirdischen Tunneln so in den Bann zog. Sie betraten solche Gefilde nur äußerst widerwillig. Legolas lief immer noch ein kalter Schauer über den Rücken, als er sich an Moria erinnerte.
Gimli schien hier sehr in sich zurückgezogen zu sein, doch Legolas hatte ihm einmal in einem unbewachten Moment in die Augen gesehen. Und was er gesehen hatte, ließ ihn jetzt nicht mehr los.
Keine Spur von dem Hochmut, den Zwerge Elben gegenüber oft zeigten, war in ihnen zu sehen gewesen. Nur der bloße Wunsch, wieder etwas Heimatliches zu Gesicht zu bekommen.
Er tat Legolas leid. So gerne wollte er dem Zwerg helfen, doch er wusste nicht, wie er es anstellen sollte. Schließlich war er selbst ein Elb und verkörperte genau das, was Gimli in diesem Moment so unbehaglich erschien. So gerne wollte er ihm aber zeigen, wie wundervoll Lórien sein konnte. Zu gern hätte er ihm die Augen geöffnet.
Doch was ihn überrascht hatte, war, dass der Zwerg so verzaubert von Galadriel war. All dieser Zauber ging schließlich von ihr aus und all das konnte Gimli nicht berühren, doch sie konnte es. Er liebte genau das an ihr, was auch die Elben liebten. Doch warum der Zwerg von ihr so angezogen wurde, konnte sich Legolas nicht erklären.
Vielleicht konnte er noch viel von Gimli lernen, so wie auch Gimli viel von ihm lernen können würde. Das Volk der Zwerge war Legolas fremd und dennoch interessierte es ihn.
Er beschloss, Gimli am nächsten Tag einmal anzusprechen und er wünschte sich ihm helfen zu können und ihn aus seiner Einsamkeit zu locken. Auch wenn sie sehr verschieden waren, so spürte Legolas, dass sich zwischen ihnen eine enge Freundschaft entwickeln könnte, wenn nur beide es zuließen…
ENDE