Arda Fanfiction

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Adventsvierteiler - Eine wundersame Nacht

von Celebne

1. Advent

Es war der fünfte Winter nach dem Ringkrieg. Fast bis nach Pelargir hinunter erstreckte sich eine dicke Schneedecke. Selbst der Anduin war teilweise zugefroren. Nicht einmal die ganz alten Leute konnten sich an so einen harten Winter in Gondor erinnern.
Im Fürstenhaus von Emyn Arnen herrschte geschäftiges Treiben: alles bereitete sich auf das Wintersonnenwendfest vor, das am 24. Dezember stattfinden würde. Diesmal kamen alle hohen Herrschaften nach Emyn Arnen: das Königspaar von Gondor ,das Königspaar aus Rohan und der Fürst von Dol Amroth mit seiner Familie.
Faramir hatte alles genau ausgerechnet: bis auf die letzte Kammer würde sein großes Haus belegt sein, wenn jede hohe Dame ihre Kammerzofe mitbrachte und die Könige und der Fürst ihre Leibgarde. Elboron sprang aufgeregt in der großen Empfangshalle des Fürstenhauses herum. Dort war alles mit Tannenzweigen geschmückt. Dieser Brauch stammte aus Éowyns Heimat. Ab und zu stahl sich der vierjährige Junge in die Küche und stiebitzte dort irgendeine kleine Leckerei. Die dicke Köchin Altariel konnte niemals nein sagen, wenn der kleine Fürstensohn sie mit seinen großen blauen Augen bittend ansah.
Éowyn kam gerade hinzu, als Elboron ein weiteres Kuchenstück vertilgte.
"Jetzt ist es aber genug, mein Kleiner", schalt sie ihn. "Du wirst noch Bauchschmerzen von dem vielen süßen Gebäck kriegen."
"Aber das Wintersonnenwendfest ist doch nur ein Mal im Jahr", maulte der Kleine empört.
Doch Éowyn sah ihren Sohn streng an und schon verstummte er. Widerwillig folgte er ihr die Treppe hinauf. Oben lief gerade Faramir von Zimmer zu Zimmer und sah sich um, ob auch alles in Ordnung war.
"In wenigen Stunden werden die ersten Gäste auftauchen", meinte er besorgt zu Éowyn. "Und in den meisten Zimmer ist der Kamin immer noch nicht angeschürt worden. Ich will nicht, dass irgendjemand frieren muß."
"Aber um diese Aufgabe hat sich doch Rhivad zu kümmern und nicht du", schalt ihn die Fürstin ein wenig.
Faramir lächelte, als ihn seine geliebte Gattin so vorwurfsvoll ansah.
"Der arme Rhivad hat momentan mehr als genug zu tun. Und der Jüngste ist er ja auch nicht mehr", meinte er sanft.
Elboron lugte hinter den Röcken seiner Mutter hervor und grinste seinen Vater schalkhaft an.
Faramir wusste sofort, dass er wohl wieder in der Küche genascht haben musste. Dafür war seine Gabe, in den Herzen der Menschen zu lesen, gar nicht nötig. Er fuhr über Elborons flachsblonden Schopf und ging in die Hocke.
"Er hat wieder von Altariels Gebäck probiert", meinte Éowyn kopfschüttelnd. "Ich habe Angst, dass er am Fest krank ist, wenn er die ganze Zeit Süßes isst."
"Elboron, was höre ich da?" fragte Faramir mit gespielter Strenge. "Du möchtest dauernd Süßigkeiten essen? Das ist doch etwas für kleine Mädchen."
Der kleine Junge wurde rot und senkte den Blick.
"Ich glaube, ich mag keine Süßigkeiten mehr", sagte er schließlich.
Faramir streichelte seinen Sohn über die Wange und tauschte dann mit Éowyn heimlich belustigte Blicke aus.
"Das ist eine gute Entscheidung", lobte er schließlich den Kleinen.
Elboron lächelte endlich erleichtert und rannte in sein Gemach zu seinem Spielzeug.

*

Etwa 25 Meilen südlich von Emyn Arnen ritten zwei Menschen durch die dickverschneiten Wälder. Beide waren in lange Mäntel mit Kapuzen gehüllt, so dass man kaum ihre Gesichter sehen konnte.
"Ist es noch weit, Caen?" fragte die junge Frau müde, die sich kaum mehr im Sattel ihrer Stute halten konnte.
Der mit Caen angesprochene Mann biß sich auf die Lippen: nach Anórien war es tatsächlich noch weit. Sie würden es heute auf keinen Fall mehr schaffen. Er machte sich Sorgen um Lyga, die noch dazu hochschwanger war. Die Reise war viel zu strapaziös für sie.
Wir brauchen unbedingt eine Unterkunft für die Nacht , dachte Caen besorgt.
Doch das war gar nicht so einfach: in den letzten Tagen hatten sie durch einen glücklichen Zufall immer wieder Grotten oder Höhlen in den bewaldeten Felsentälern Süd-Ithiliens zum Übernachten gefunden.
Caen hielt seinen Rotschimmel an und stieg vom Pferd. Er ging hinüber zu seiner jungen Gemahlin, die ganz gebeugt auf ihrer Stute saß. Vorsichtig zog er ihr die Kapuze aus dem Gesicht. Ihre sonst olivfarbene Haut war ganz blaß. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
"Ich glaube, es geht bald los", wisperte sie ängstlich.
Caen nickte und tupfte ihr liebevoll den Schweiß mit einem kleinen Tuch vom Gesicht. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Die Gegend hier wirkte recht unbewohnt.
"Du musst noch ein wenig durchhalten, meine Liebe", sagte der junge Mann leise und stieg dann wieder auf sein Pferd.
Langsam ritten sie weiter und endlich lichtete sich der Wald. Auf einer nahen Hügelkette sahen sie eine kleine Ansiedlung von Häusern. Auf dem obersten Hügel lag eine Art Burg.
"Das ist Emyn Arnen", murmelte die junge Frau und lächelte zuversichtlich ihren Ehemann an.
Caen runzelte die Stirn: er wusste, wer dort oben residierte. Es war Fürst Faramir, der einstmals mit seinen Waldläufern erbittert gegen die Haradrim gekämpft hatte.
"Wir sind Haradrim, meine Liebe", sagte Caen verbittert zu Lyga. "Dort oben sind wir nicht erwünscht."
"Der König hat mit uns Frieden geschlossen", erklärte die junge Frau unbeirrt. "Wir sind jetzt Verbündete Gondors."
Caen wusste, dass er keine Wahl hatte: er würde die Menschen von Emyn Arnen um Unterkunft bitten müssen.

*

Immer mehr hohe Gäste trafen im Fürstenhof von Emyn Arnen ein. Zuerst das Königspaar aus Gondor, König Elessar und seine Gemahlin Arwen mit ihrem Gefolge. Nur eine Stunde später war Fürst Imrahil von Dol Amroth mit seinen drei Söhnen eingetroffen. Es fehlte nur noch König Éomer von Rohan mit seiner Gattin Lothiriel. Das Fürstenpaar war nun damit beschäftigt, die Gäste zu empfangen, zu bewirten und auf ihre Gemächer zu führen.
Faramir hatte sich mit Elessar, Imrahil und dessen Söhne in die kleine Bibliothek des Hauses gesetzt. Dort tranken die sechs Männer Wein und rauchten eine Pfeife.
"Ich möchte nur wissen, wo Éomer bleibt", seufzte der König und fuhr nachdenklich über seinen dunklen Bart.
"Die Anreise von Rohan ist sicher beschwerlich um diese Jahreszeit", meinte Faramir ein wenig besorgt.
Er hoffte, dass Éomer bald erscheinen würde, denn am gleichen Abend würde man das Wintersonnenwendfest feiern.
Éowyn, die mit Arwen in der Kemenate des Hauses saß und Stickereien betrachtete, war ebenfalls beunruhigt. Normalerweise war ihr Bruder immer der Erste, der bei Festen erschien. Aber dieser Winter war auch wirklich zu schneereich. Sicherlich waren die Straßen von Rohan nach Gondor schier unpassierbar.
Elboron klebte mit seiner Nase fast am Fenster des höchsten Turms. Endlich sah er in der Ferne einen großen Schlitten und daneben einige Reiter.
"Sie kommen!" brüllte aus Leibeskräften und rannte behände die Wendeltreppe des Turmes hinab.
Seine hohe Kinderstimme tönte fast durch das ganze Haus. Sogar Faramir und die anderen Herren konnten ihn schreien hören. Alle lachten herzlich auf.
"Mir scheint, dass mein Sohn dieses ungestüme Wesen von Boromir geerbt hat", meinte der junge Truchseß scherzhaft. "Von mir hat er das jedenfalls nicht."
"Vielleicht hat er aber es auch von deiner Frau geerbt", warf Elessar breit grinsend ein.
Inzwischen waren Éomer und sein Gefolge endlich im Hof eingetroffen. Elboron war jetzt nicht mehr zu halten: er stürmte zum Portal hinaus und sprang zu seinem Onkel hin. Éomer lachte laut vor Freude und stemmte Elboron übermütig in die Höhe.
"Du wirst ja immer größer und schwerer!" rief der König von Rohan erstaunt aus.
Éowyn kam jetzt auch aus dem Haus und lief zu ihrem Bruder hin. Die Geschwister umarmten sich freudig.
"Wir haben uns schon Sorgen gemacht, Bruder", sagte die Fürstin ein wenig tadelnd. "Wo wart ihr denn so lange?"
"Unser Schlitten steckte in einer Schneewehe fest", bemerkte Lothiriel erschöpft und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. "Es ist fast ein Wunder, dass wir doch noch vor Einbruch der Dunkelheit angekommen sind."
Faramir kam jetzt auch hinzu und begrüßte seinen Schwager und seine Base fröhlich.
"Kommt rasch ins Haus, bevor wir hier draußen erfrieren", mahnte er lachend.
Er packte sich Elboron huckepack auf die Schultern und die ganze Schar ging gutgelaunt hinein ins Warme.

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