Arda Fanfiction

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Dunkelheit über Ithilien

von Celebne

Faramirs Vision

Eldarion war ziemlich ungehalten darüber gewesen, dass sein Vater ohne ihn nach Emyn Arnen geritten war. Normalerweise nahm ihn Aragorn immer mit. Der Königssohn und Elboron waren dick befreundet, obwohl doch ein halber Tagesritt zwischen Minas Tirith und Emyn Arnen lag. Er sah mit säuerlicher Miene zu, wie sich seine Mutter mit seinen drei kleinen Schwestern abmühte.

"Warum hat Vater mich nicht mitgenommen?" beklagte er sich bei seiner Mutter.

Arwen lächelte nachsichtig.

"Aber du weißt doch, dass in Ithilien etwas passiert ist. Ein Elb wurde umgebracht. Wie leicht könntest du in Gefahr geraten. Und du bist doch der wichtige Thronfolger von Gondor!"

Eldarion hasste es, wenn seine Mutter so redete. Warum packte man ihn eigentlich nicht gleich in Watte? Immerzu hatte jemand Angst, ihm könne etwas passieren. Er war doch kein kleines Kind mehr! Außerdem war er furchtbar neugierig und wollte unbedingt wissen, was in Ithilien los war. Entschlossen ging er in seine Gemächer und suchte sich seinen kleinen Bogen und den Pfeilköcher zusammen. Heute nacht, wenn alles schlief, würde er sich heimlich davonmachen.

*

Als die Totenklage beendet war, suchten die beiden Elben Faramir und Aragorn auf, die im großen Kaminzimmer des Hauses auf sie warteten.

"Habt Ihr Hunger? Es steht etwas zu essen im Speisezimmer bereit", bot der Hausherr den Elben an.

Doch Legolas und Tuor schüttelten die Köpfe. Ihnen war jetzt nicht nach Essen zumute.

"Celdor hat eine sehr tiefe Wunde am Rücken erlitten", sagte Legolas bedächtig. "Vermutlich wurde er durch eine wuchtig geworfene Lanze getötet. Das deutet auf eine Flucht hin."

"Seine letzten Worte waren recht unheimlich", meinte Aragorn nachdenklich und strich sich über den Bart. "Bis jetzt weist nichts darauf hin, dass in Mordor irgendeine neue Gefahr entsteht. Das Land existiert praktisch nicht mehr nach Saurons Vernichtung. Selbst die überlebenden Orkbanden meiden das zerstörte Mordor wie die Pest."

"Was wisst Ihr von Celdor genau?" fragte jetzt Faramir neugierig.

"Ich habe Celdor seit über 1000 Jahren nicht gesehen", erwiderte Legolas mit einem verzerrten Lächeln. "Früher kam er öfters an den Hofe meines Vaters. Dann verschwand er plötzlich spurlos. Es kamen Gerüchte auf, dass er mit Dunkelelben paktiert."

"Das kann ich nicht glauben!" warf Tuor kopfschüttelnd ein. "Niemand in unserer Familie würde sich mit den Dunkelelben verbünden. Auch Celdor nicht, selbst wenn er als Sonderling verschrieen war."

Die Freunde schwiegen betroffen. Noch nie hatten sie davon gehört, dass sich ein Waldelb mit den unheimlichen Dunkelelben verbündete. Aber man musste mit allen Möglichkeiten rechnen.

"Wir sollten auf jeden Fall nachsehen an den Grenzen zu Mordor, ob irgendetwas faul ist", meinte Faramir schließlich stirnerunzelnd.

Die vier Männer ahnten nicht, dass jemand unter dem Fenster stand und sie belauschte: es war Elboron. Neugierig hörte er der Besprechung zu. Das Ganze klang schrecklich interessant. Er hatte schon oft genug die Geschichten vom Ringkrieg gehört und sich immer gewünscht, auch einmal ein ähnliches Abenteuer zu erleben. Und jetzt schien es soweit zu sein. Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihm. Es war Éowyn. Sie packte ihren ältesten Sohn am Ärmel und zog ihn vom Fenster weg.

"Was fällt dir ein, zu lauschen!" schalt sie ihn ungehalten. "Das gehört sich nicht. Als fast erwachsener Erbe des Hauses Húrin solltest du das wissen!"

Elboron wurde knallrot und trollte sich schnell ins Haus. Éowyn stemmte die Hände in die Hüften und sah ihm kopfschüttelnd nach. Innerlich musste sie schmunzeln. Auch sie hatte als kleines Mädchen immer heimlich bei den Beratungen in Meduseld gelauscht. Sie fragte sich, ob Faramir auch ähnliches getan hatte als Kind.

Die Männer berieten sich bis spät in die Nacht. Aber irgendwie schienen sie auf keinen gemeinsamen Nenner zu kommen. Aragorn wollte unbedingt selbst die Grenzen Mordors absuchen, aber als König durfte er sich nicht einfach an so ein gefährliches Unternehmen wagen. Es fiel Faramir und Legolas schwer, Aragorn davon abzubringen.

"Gut", seufzte der König schließlich bedrückt. "Dann werdet ihr beide losreiten. Tuor soll derweil die Bestattung Celdors in Süd-Ithilien vorbereiten."

*

Éowyn lag bereits schlafend im Bett, als sich Faramir endlich zu ihr gesellte. Er hauchte ihr liebevoll einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich auszog und auch ins Bett legte. Noch ahnte sie nichts von dem, was an diesem Abend beschlossen worden war. Faramir wusste, dass sich Éowyn ungeheuere Sorgen um ihn machen würde. Aber Aragorn wollte die zuverlässigsten Männer seines Reiches mit dieser Aufgabe betrauen: und da kamen nun einmal nur er und Legolas in Betracht. Seufzend legte er sich ins Bett und schloß die Augen. Es dauerte nicht lange, und er hatte einen Traum:

Faramir befand sich auf einer grünen Wiese unter einem stahlblauen Himmel. Eine Sonne war jedoch nicht zu sehen. Staunend ging er schließlich weiter. In der Ferne hörte er das Rauschen des Meeres. Schließlich gelangte er zu einem schneeweißen Strand. Plötzlich ertönte eine Stimme hinter ihm.

"Sei gegrüßt, Faramir!"

Erstaunt drehte sich der Truchseß um. Es war Gandalf, der gerufen hatte. Der Zauberer lächelte und sein weißes Haar wehte im Wind. Sein Gewand war so leuchtend weiß, dass es Faramir fast blendete.

"Das ist alles nur ein Traum, oder?" fragte Faramir staunend.

Gandalfs Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck ein.

"Du weißt, dass es kein Traum ist. Denke an deine Gabe, mein Freund. Ich bin zu dir gekommen, um dich zu warnen. Nimm dich in acht vor Malagant, dem blauen Istari, der mit den letzten Dunkelelben Mittelerdes einen entsetzlichen Pakt eingegangen ist. Es gibt auch bereits einige Lichtelben, die sich diesem Bündnis angeschlossen haben."

"Celdor!" stieß Faramir erschrocken hervor.

Gandalf nickte.

"Auch er gehörte dazu. Doch dann besann er sich und wollte euch warnen, was ihm jedoch leider nicht mehr richtig gelungen ist."

"Nun ja, wir wissen auf jeden Fall Bescheid, dass Gefahr droht", erwiderte Faramir unsicher und fuhr sich durch sein rotblondes Haar.

"Ihr wisst gar nichts", seufzte Gandalf mit bekümmerter Miene. "Malagant fehlt nur noch ein bestimmtes Artefakt, dann ist er fähig einen neuen Ring der Macht zu schmieden. Ihr müsst auf alle Fälle verhindern, dass er an dieses Artefakt kommt. Sonst ist Mittelerde verloren."

Faramir schluckte, als er das hörte. Sein Mund war ganz trocken.

"Du sprichst mal wieder in Rätseln, Gandalf", sagte er schließlich heiser.

"Bei dem Artefakt handelt es sich um Earendils Stern", meinte Gandalf jetzt etwas freundlicher. "Sicher hast du schon einmal davon gehört. Dein Onkel Imrahil bewahrt es in seinem Schloß auf. Ein altes Erbstück der Familie, vom elbischen Zweig her. Wenn Malagant dieses Erbstück einschmilzt, kann er daraus den Ring erschaffen. Du weißt jetzt also, auf was es ankommt. Unterschätze Malagant nicht: er ist ebenso mächtig und verschlagen wie seinerzeit Saruman. Und er hat die Dunkeleben auf seiner Seite. Das sind unberechenbare, starke Gegner."

Faramir wollte noch etwas zu Gandalf sagen, doch in diesem Moment begann sich alles um ihn zu drehen. Ehe er sich versah, lag er wieder in seinem Bett.

Éowyn beugte sich besorgt über ihn.

"Was ist passiert? Du bist vollkommen durchgeschwitzt und hast wirres Zeug geredet, mein Liebster."

Faramir setzte sich auf und sah Éowyn verstört an.

"Ich muß sofort Aragorn und Legolas wecken."

Spät in der Nacht versammelten sich die drei Freunde zusammen mit Éowyn im Kaminzimmer.

"Du träumst merkwürdiges Zeug, Faramir", meinte Aragorn zunächst ein wenig belustigt. "Wenn ich von Gandalf träume, kriegen wir meistens schlechtes Wetter."

"Mellon nin, das war eine Vision", mahnte Legolas ernst und sah den König vorwurfsvoll an. "Du müsstest doch wissen, dass Faramir diese Gabe besitzt."

"Was machen wir jetzt?" wollte der Truchseß beunruhigt wissen.

"Earendils Stern muß unbedingt nach Minas Tirith geschafft werden", sagte Aragorn jetzt ebenfalls ernst. "So schnell wie möglich. Dort ist das Artefakt wohl am sichersten. Und ihr beide werdet, statt zum Schattengebirge nach Dol Amroth reiten."

Faramir war ein wenig erleichtert, als er das hörte. Zu seinem Onkel ritt er weitaus lieber als Richtung Mordor.

"Ihr werdet morgen früh sofort losreiten, natürlich mit Soldaten", fuhr Aragorn fort.

Éowyn schwieg zu alledem. Am liebsten hätte sie ihren Mann begleitet. Aber das war natürlich nicht möglich. Faramir sah ihr an, wie es in ihr arbeitete. Er legte seine Hand sanft auf ihren Arm.

*

Um die gleiche Zeit etwa befand sich Eldarion nur noch wenige hundert Schritte vor dem Fürstenanwesen von Emyn Arnen. Langsam ließ er sein Pferd die Hügel hinauftrotten. Dann band er es im nahen Wald an. Er wollte sich anschleichen und erst einmal herausfinden, wer Wachdienst im Fürstenanwesen hatte. Auf leisen Sohlen schlich er zum Tor und fand den alten Soldaten Mador schnarchend vor. Eldarion unterdrückte ein Kichern. Was für ein zuverlässiger Wächter!

Nun konnte er unbehelligt den Hof betreten. Er wusste, wo sich Elborons Zimmer befand. Er nahm einen kleinen Kieselstein und warf ihn an die Fensterlade hoch. Es gab einen klackenden Laut. Eldarion hoffte, dass niemand sonst ihn hören konnte. Es dauerte ein wenig und die Fensterlade wurde geöffnet. Ein verschlafener blonder Junge guckte unwirsch heraus.

"Ich bin es, Elboron!" zischte Eldarion leise.

Elboron grinste. Rasch zog er sich an und kletterte geschickt zu seinem Freund herunter.

"Was machst du denn hier?"

"Ich will wissen, was los ist", erwiderte Eldarion ungeduldig. "Du weißt doch was, oder?"

Elboron verzog sich mit Eldarion in eine stille Ecke des Hofes und erzählte, was er alles belauscht hatte.

"Wir machen den Erwachsenen einen Strich durch die Rechnung", erklärte Eldarion stolz. "Wir werden selbst herausfinden, was in Mordor los ist. Du kommst doch mit, oder?"

"Natürlich!" gab Elboron zurück.

Rasch holte der Truchseß-Sohn seinen Bogen und sein kleines Schwert. Etwas Verpflegung hatte er auch noch schnell besorgt. Derweil hatte Eldarion dessen Pferd gesattelt. Nur eine Viertelstunde später verließen die beiden Jungen Emyn Arnen.

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