Arda Fanfiction

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Adventsvierteiler - Das Amulett

von Celebne

Reichtum und Armut

Tagelang hatte es in Gondor ununterbrochen geschneit. Jetzt endlich hatten sich die grauen Schneewolken verzogen und  einem frostigen, blauen Himmel Platz gemacht. Faramir sah an diesem Wintermorgen begeistert zum Fenster hinaus. Schon seit Tagen wollte er mit seinen Freunden Aragorn und Legolas auf die Jagd gehen. Der König hatte versprochen, er würde nach Ithilien kommen, wenn es zum schneien aufhörte.

Bereits am Mittag tauchte Legolas mit seinen Leibwächtern im Anwesen von Emyn Arnen auf. Neugierig liefen die Bediensteten im verschneiten Hof zusammen, denn das Schöne Volk von Mittelerde bot einen atemberaubenden Anblick, den man nicht alle Tage hatte. Der Prinz von Eryn Lasgalen hatte Pfeil und Bogen dabei und war fast ebenso aufgeregt wie Faramir.

Éowyn reagierte etwas verständnislos über den Jagdtrieb der Männer. Sie konnte dem Jagen nach Tieren nichts abgewinnen, vor allem wenn es keine Tiere waren, die auf dem Esstisch landeten, denn die drei Freunde wollten auf Fuchsjagd gehen. Vom warmen Kaminzimmer aus beobachtete sie, wie Faramir und Legolas draußen im kalten Hof fröhlich sich im Bogenschießen übten. Es erfüllte sie mit Stolz, dass Faramir dem Elben durchaus das Wasser reichen konnte. Seine Pfeile verfehlten ihr Ziel nie.

Am späten Nachmittag ertönte plötzlich Hundegebell und das Läuten von Schlittenglöckchen. Der König kam! Und so wie es aussah, brachte er auch seine schöne Gemahlin mit. Als der königliche Schlitten in den Hof einfuhr, geriet Éowyn in Hektik, denn sie hatte nicht gewusst, dass die Königin auch mitkam. Sie scheuchte die Bediensteten durch das Haus, damit sofort auch für Arwen Undómiel ein Frauengemach hergerichtet wurde. Währenddessen begrüßten Faramir und Legolas draußen das Königspaar. Arwen saß in Pelzen gehüllt auf dem Schlitten und neben ihr Aragorn. Dieser half seiner Gemahlin galant aus dem Gefährt. Beide wirkten trotz der warmen Pelze etwas durchgefroren. Sie freuten sich schon auf das warme Kaminzimmer des Fürstenpaares und auf heißen Heidelbeerwein.

Éowyn legte hastig einen warmen Schal um und beeilte sich in den Hof zu kommen.
„Was für eine Überraschung!“ rief sie entzückt aus und lief zu ihrer Freundin, der Königin.
Die beiden eng befreundeten Frauen umarmten sich. Dannach begrüßte Éowyn den König.
„Kommt rasch ins Haus und wärmt euch auf“, meinte die Fürstin einladend. „Es gibt heißen Wein und Zimtkekse.“



Während die Freunde am Kamin saßen, heißen Wein tranken und sich unterhielten, senkte sich langsam die Dunkelheit über das Land. In den Wäldern Ithiliens begannen die ersten Wölfe zu heulen. Kein Mensch ging um diese Zeit noch vor die Tür, wenn es nicht unbedingt sein musste. Es würde eine klare, frostige Nacht geben.
Einige Meilen weiter nördlich fuhr langsam ein Planwagen auf der verschneiten Straße entlang. Da der Schnee schon recht tief war, mussten sich die beiden Zugpferde sehr anstrengen. Hinter dem Planwagen saßen zwei junge Männer auf ihren Pferden und ließen die Köpfe müde hängen.

Plötzlich blieb der Wagen stehen. Eines der Räder war in einer Schneewehe steckengeblieben. Fluchend sprang ein kräftiger Mann vom Kutschbock, um das Rad wieder freizuschaufeln.
„Heda, ihr zwei da hinten!“ rief er den Reitern aufgebracht zu. „Ihr könnt auch ruhig mithelfen. Wozu füttere ich euch durch?“
„Ich bin Feuerspucker und kein Sklave“, meinte der eine Reiter beleidigt, welcher Caranthir hieß. „Meine Hände brauche ich für andere Dinge.“
Der Mann vom Kutschbock spuckte kräftig aus.
„Und ich bin Puppenspieler“, schrie er Caranthir wütend an. „Ich brauche meine Hände also auch für andere Dinge als Schneeschaufeln!“

Die fünfzehnjährige Melian, die hinten im Wagen bei ihrer kranken Mutter saß, hielt sich die Ohren zu. Sie hasste es, wenn ihr Vater mit den anderen von der Gauklertruppe herumstritt. Alle waren hungrig und schlechtgelaunt, weil es zur Zeit kaum Einnahmen für sie gab. Im Winter blieben die Leute lieber am warmen Ofen sitzen, statt sich Gaukler auf dem Dorfplatz anzusehen. Melians Mutter Lailath bekam einen schweren Hustenanfall und krümmte sich ganz auf ihrem schmalen Lager im Wageninneren. Die jüngeren Zwillinge, die auch noch im Wagen saßen, drängten sich ängstlich zusammen. Die beiden Knaben hatten große Furcht, dass ihre Mutter vielleicht starb.

Astaldo, Melians Vater, blickte jetzt missmutig in den Wagen hinein.
„Wir fahren heute nicht weiter. Hier schlagen wir unser Nachtlager auf“, sagte er zu Melian.
Das junge Mädchen wusste, was das bedeutete: sie musste rasch  mit ihren kleinen Brüdern Holzsammeln gehen und dann möglichst schnell etwas Warmes für alle kochen. Normalerweise war das die Aufgabe ihrer Mutter, aber Lailath war mittlerweile am Ende ihrer Kräfte. Seit Tagen war sie nicht mehr von ihrem Lager aufgestanden.

Melian hatte große Angst vor den Wölfen im nahen Wald. Sie schauderte, als sie das Geheule hörte. Aber ihr Vater und die zwei anderen erwachsenen Männer waren viel zu bequem, ihr Geleitschutz zu geben. So mussten also ihre zwei achtjährigen Brüder Gildor und Sador als Begleitung herhalten. Die Knaben hatten große Stöcke bei sich und prahlten herum, dass sie Melian beschützen würden. Das Mädchen beeilte sich mit dem Holzsammeln. Sie fror und wollte bald am warmen Feuer sitzen. Glücklicherweise blieben die Wölfe fern. Allerdings war das schaurige Geheule die ganze Zeit zu vernehmen.

Es dauerte nicht lange, und ein Feuer prasselte hinter dem Planwagen. Zusammen mit ihrem Vater befestigte Melian den großen Suppenkessel über dem Feuer.
„So, nun kannst du kochen“, meinte Astaldo müde lächelnd.
Er selbst ging zu den Pferden, um sie aus den Hafersäcken fressen zu lassen. Viel war nicht  in den Säcken, aber Astaldo hatte kein Geld mehr, um frisches Hafer zu kaufen. Er hatte keine Idee, wie er momentan an Geld kommen sollte. Als sie kürzlich in einem Dorf in Anórien auftreten wollten, hatte man sie alle davongejagt wie räudige Hunde. Statt Geld und Essen hatte es nur Steine und wütende Rufe gegeben.

Melian kletterte in den Planwagen und ging zu den Vorräten hin. Als sie den Fetttopf öffnete, erschrak sie: es befand sich kaum noch etwas darin. Auch im Kartoffelsack lagen nur noch einige faule, verschrumpelte Tüften. Betrübt verließ Melian den Wagen wieder und erzählte ihrem Vater davon.  Astaldo fuhr sich verzweifelt durch das dunkle, struppige Haar.
„Dann röste diese Kartoffeln im Feuer“, meinte er traurig. „Etwas anderes gibt es heute Abend nicht. Morgen früh werden wir alle im Wald auf Jagd gehen.“

Nach dem kargen Nachtmahl kletterte Melian zurück in den Wagen. Sie hörte den rasselnden Atem ihrer Mutter, die unruhig schlief. Das Mädchen kroch unter die warmen Decken im Wagen und nahm ihre Handpuppe an sich. Mit dieser Puppe half sie ihrem Vater bei den Auftritten. So wie er  wollte sie einmal eine großartige Bauchrednerin werden. Sie  beherrschte diese Technik schon ganz gut. Ihr größter Traum war, einmal vor dem König von Gondor aufzutreten und ganz berühmt zu werden.
Langsam begaben sich auch die Männer in den Wagen und machten es sich dort bequem für die Nacht.

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