Arda Fanfiction

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Adventsvierteiler - Das Amulett

von Celebne

Unachtsamkeit auf der Jagd

Früh am nächsten Morgen wollten sich Faramir, Aragorn und Legolas auf die Fuchsjagd begeben. Begleitet wurden sie von anderen Jägern, welche Untertanen Faramirs waren. Fröhlich kläffend sprangen die Jagdhunde im Hof herum. Sie sollten die Füchse im nahen Wald aufspüren. Auch heute war ein klarer, sonniger Wintertag mit frostigen Temperaturen. Faramir trug seine Lederrüstung, die er auch als Waldläufer immer getragen hatte, und darüber einen Pelzmantel. Éowyn legte ihm zum Abschied noch eine Kette mit einem Amulett um. Das goldene Amulett mit dem Pferdekopf war ein Geschenk Éomers an Faramir zur Hochzeit gewesen. Es sollte Faramir Glück auf der Jagd bringen.

„Verliere es aber nicht!“ mahnte Éowyn ihren Gemahl ernst.
Faramir grinste und nahm sie sanft in den Arm.
„Ich werde darauf ganz besonders achtgeben“, gelobte er ihr feierlich und küsste sie zärtlich.
Draußen ertönten die Jagdhörner und Faramir hielt es nicht mehr im Haus. Er lief hinaus, wo sein gesatteltes Pferd auf ihn wartete. Legolas saß bereits auf Arod. In einer Ecke des Hofes verabschiedete sich Aragorn noch von seiner Gemahlin. Arwen wirkte etwas besorgt. Bei solch wilden Treibjagden konnte natürlich immer etwas passieren. Gerade bei der Fuchsjagd ritten die Jäger meist freihändig, da sie Pfeil und Bogen ständig bereit hielten.
„Keine Sorge, Brégo passt schon auf mich auf“, lachte Aragorn und winkte seiner Gattin noch einmal zu.
Arwen ging langsam zu Éowyn hinüber und beide blickten den Reitern noch lange nach.

Die Hundemeute stürmte in den nahen Wald, der in tiefer Winterstarre lag. Einige Krähen flogen schnarrend von den verschneiten Bäumen hoch. Die Jagdhelfer aus Ithilien folgten den Hunden. Dahinter kamen dann die hohen Herrschaften. Faramir war dieses Jahr besonders ehrgeizig: er wollte unbedingt König der Jagd werden und den größten Fuchs erlegen. Normalerweise war er kein Freund von solchen Tierhatzen, allerdings waren die Füchse mittlerweile in den Wäldern Ithiliens zu einem großen Problem geworden, da sie sich aufgrund des vorigen Winters, der zu mild gewesen war, zahlreich vermehrt und den Bestand des Kleinwildes erschreckend dezimiert hatten.

Die Hunde begannen im Wald in verschiedene Richtungen zu laufen und so mussten sich auch die drei Freunde trennen. Ein jeder hoffte, dass er bald einen Fuchs vor dem Bogen bekam.

Faramir ritt verbissen nach Norden. Schon bald wurde der Wald dichter und er musste vom Pferd absteigen. Unter den zahlreichen Hundespuren glaubte er auch Fuchsspuren entdeckt zu haben. Er hörte die Hunde aufgeregt in seiner Nähe bellen und er pirschte sich mit Pfeil und Bogen durch die Büsche. Faramir kämpfte sich durch die dichten Zweige und merkte dabei nicht, dass er mit der Kette seines Amulettes hängenblieb. Im gleichen Augenblick, als die Kette abriß, entdeckte er sein Ziel: einen ausgewachsenen Fuchs, der vor zwei Hunden auf der Flucht war. Mit leuchtenden Augen legte Faramir einen Pfeil auf die Sehne und zielte auf das Tier. Leider waren ihm ständig die Jagdhunde im Weg. Er wollte ja keinen der Hunde verletzen. Ärgerlich vor sich hinmurmelnd musste er abwarten.



Melian begab sich an diesem Morgen wieder in den Wald. Die Männer wollten erst später auf die Jagd gehen. Anscheinend war ihr Hunger noch nicht groß genug. Dieses Mal ging Melian alleine, da sich die Wölfe am Tag für gewöhnlich nicht zeigten. Ihr Magen knurrte laut, aber etwas anderes als heißes Wasser würde es zum Frühstück nicht geben. Sie ärgerte sich über die Faulheit der Männer, denen es anscheinend egal war, dass die Kinder hungerten. Bedrückt sammelte sie Brennholz. Etwas verwundert blickte sie sich um, als sie Hundegebell hörte. Was war da los? Vorsichtig schlich sie sich in die Richtung, aus der das laute Geräusch kam. Nichtsahnend kam sie Faramir ins Gehege.

Gerade hatte er den Pfeil abschießen wollen, als das Mädchen in den grauen Lumpen durch das Unterholz geschlichen kam. Faramir ließ seufzend den Bogen sinken. Das mit der Fuchsjagd konnte er erst einmal vergessen. Die Hunde und der Fuchs waren auch schon längst im Unterholz verschwunden.
„Was tut Ihr da?“ fragte Melian verwundert, die gesehen hatte, dass Faramir auf einen Fuchs schießen wollte. „Einen Fuchs kann man doch nicht essen.“
„Nein, kann man nicht“, meinte der junge Fürst lächelnd.
Er merkte, dass dieses ärmlich gekleidete Mädchen natürlich keinen Sinn für solch einen Zeitvertreib der Adeligen Gondors haben konnte.
„Hast du Hunger?“ fragte er freundlich.
Das Mädchen nickte hastig.

Mitleidig öffnete er seinen Proviantbeutel und schenkte ihr einen kleinen Kuchen, den ihm Éowyn als Wegzehrung mitgegeben hatte. Heißhungrig verschlang Melian das süße Gebäck.
Faramir sah jetzt, dass sie seit Tagen wohl nichts mehr Richtiges gegessen haben musste.
„Leider habe ich nicht mehr Essbares dabei“, bedauerte er aufrichtig. „Vielleicht magst du mit zu meinem Anwesen in den Emyn Arnen kommen, dort könntest du dich aufwärmen und richtig sattessen.“

Melian betrachtete den fremden Jäger misstrauisch. Er war gut gekleidet. Die Lederrüstung mit dem weißen Baum sah außergewöhnlich edel aus. Doch sie misstraute Fremden von Natur aus. Außerdem wurde sie von ihren Leuten bald zurückerwartet.
„Nein danke, aber meine Familie erwartet mich“, sagte sie zögernd.
„Deine Familie kann gerne mit nach Emyn Arnen kommen“, lud Faramir das Mädchen ein. „Wir haben dort genug zu essen. Wir weisen keinen Bettler ab.“
Melian schüttelte den Kopf: sie kannte ihren Vater und die anderen. Sie waren viel zu stolz, um sich von reichen Leuten aus Mitleid durchfüttern zu lassen. Außerdem schien dieser Jäger sie und ihre Familie für Bettelgesindel zu halten.
„Wir sind keine Bettler“, erklärte sie gekränkt. „Wir sind eine Gauklertruppe. Wenn Ihr uns zum Essen einladet, dann treten wir als Bezahlung dafür auf. Wir wollen nichts umsonst.“

„Warum nicht?“ meinte Faramir amüsiert. „Wie gesagt, Ihr könnt jederzeit auf die Emyn Arnen kommen. Das Fürstenhaus ist dort nicht zu verfehlen.“
Melian war ganz erstaunt, als der Jäger das Fürstenanwesen erwähnte.
„Aber ist der Fürst damit einverstanden, wenn wir auf seinem Anwesen auftreten?“ fragte sie verlegen.
„Keine Bange, ich werde dafür sorgen, dass er das ist“, sagte Faramir verschmitzt lächelnd und zwinkerte dem Mädchen zu.
Er wollte Melian nicht erschrecken, und verschwieg daher seine wahre Identität.
„Ich muß jetzt gehen“, meinte das Mädchen ganz verwirrt und hob die Hand.
„Bis bald hoffentlich“, rief ihr Faramir nach und ging auch seiner Wege.


Völlig durcheinander schlich Melian durch den Schnee. Als sie sich den Weg durch das Unterholz bahnte, entdeckte sie das Amulett, das dort zwischen den Zweigen hing. Erstaunt fischte sie es herunter. Es sah sehr wertvoll aus, denn es schien aus reinem Gold zu bestehen. Ein Pferdekopf war darin eingraviert und darunter Runen in einer fremden Sprache. Melian betrachtete es fasziniert. Wenn sie das Amulett irgendwo verkaufte, konnte sie vielleicht damit ihre Familie eine Weile durch den Winter bringen. Lächelnd ging sie weiter.


Faramir ging zu seinem Pferd und versuchte seine Freunde im Wald zu finden. Aragorn hatte inzwischen einen großen Fuchs erlegt und tauchte triumphierend einen kleinen Tannenzweig in das Blut des Fuchses. Als er den jungen Truchseß sah, winkte er ihm grinsend zu.
„Na, Faramir, dir war das Glück wohl nicht hold“, meinte er belustigt.
Der jüngere Mann erzählte dem König von seiner Begegnung mit dem armen Mädchen. Augenblicklich wurde Aragorn ernst. Es machte ihm Sorgen, dass es in Gondor immer noch Leute gab, die im Winter hungern mussten.
„Es sind Gaukler“, erzählte Faramir leise. „Ein sehr stolzes Volk. Lieber hungern sie, bevor sie Almosen annehmen.“
„Glaubst du wirklich, dass sie nach Emyn Arnen kommen und uns dort eine Vorstellung geben?“ fragte Aragorn zweifelnd und schlug Faramir freundschaftlich auf die Schulter.
„Ich weiß es nicht“, seufzte der jüngere Mann bedrückt.

Sie warteten noch auf Legolas, der triumphierend mit zwei erlegten Füchsen auf den Schultern zurückkam. Der Elb merkte rasch, dass seine Freunde keine Lust mehr hatten zu jagen. Bedrückt lauschte er Faramirs Bericht.
„Man schämt sich fast, zum Vergnügen auf Jagd zu gehen, wenn es ganz in der Nähe Menschen gibt, die hungern müssen“, fügte der junge Fürst seufzend hinzu.



Melian war zu ihren Leuten zurückgekehrt. Als Astaldo sah, dass seine Tochter ohne Brennholz kam, wurde er sehr wütend.
„Du hast anscheinend im Wald geträumt!“ beschimpfte er das Mädchen. „Wir möchten alle etwas Heißes im Magen haben.“
Aus dem Planwagen kam ein heiseres Husten, das sich sehr schwach anhörte.
„Mutter geht es immer schlechter“, murmelte Melian und blickte besorgt zum Wagen.
„Wir haben kein Geld für einen Heiler“, sagte Astaldo verzweifelt. „Aber jetzt geh und hol endlich Holz, bevor wir alle erfrieren.“
„Und was ist mit der Jagd?“ fragte seine Tochter bittend. „Ihr wolltet uns doch etwas zum Essen schießen.“
Astaldo winkte ärgerlich ab.
"Diese reichen Leute, die da gerade im Wald zum Vergnügen jagen, haben all das Wild vertrieben. Die Jagd können wir für heute vergessen!"

Caranthir übte gelangweilt mit einer Fackel in der Nähe, während sein jüngerer Bruder Curon mit Lederbällen jonglierte. Die achtjährigen Zwillinge sahen ihnen begeistert zu.
„Wir haben zuviel Mäuler zum Durchfüttern“, bemerkte Astaldo leise. „Caranthir und Curon werden nicht mehr lange bei uns bleiben, wenn nicht bald ein Wunder geschieht. Ohne die Beiden brauchen wir eigentlich gar nicht mehr auftreten. Die Leute sehen lieber gefährliche Spektakel als unsere biedere Puppenspielerei.“

Melians Hand glitt in die Tasche mit dem Amulett. Wahrscheinlich hatte es diesem fremden Jäger gehört, der es womöglich bereits verzweifelt suchte. Der Fremde war so nett zu ihr gewesen. Er hatte es nicht verdient, dass sie das Amulett behielt und weiterverkaufte.
„Vater, ich habe im Wald einen vornehmen Jäger getroffen“, erzählte sie schließlich zögernd. „Er hat mir etwas zum Essen gegeben und uns alle eingeladen, im Fürstenanwesen von Emyn Arnen aufzutreten.“
„Das werden wir nicht tun!“ stieß Astaldo erschrocken hervor. „Der Fürst würde uns mit Schimpf und Schande davonjagen.“

„Warum nicht?“ fragte Caranthir plötzlich, der mitgehört hatte. „Faramir ist dafür bekannt, dass er ein gütiger und barmherziger Mann ist. Ich glaube nicht, dass er uns davonjagt.“
„Wir sind eher ein Lumpenpack als eine Gauklertruppe“, sagte Astaldo trotzig. „Solche Leute wie wir haben in Emyn Arnen nichts zu suchen. Habt ihr vergessen, wie man uns aus dem Dorf in Anórien verjagt hat? Und das Dorf war auch nur eine armselige Ansammlung von Häusern. Das Fürstenhaus soll das schönste Gebäude von ganz Ithilien sein. Wir würden es nur verschandeln.“
Caranthir trat ganz dicht zu Astaldo hin und blickte ihm fest in die Augen.
„Wenn du dich weigerst, nach Emyn Arnen zu gehen, dann verlassen mein Bruder und ich euch auf der Stelle!“
Melian betrachtete mit klopfenden Herzen ihren Vater: was würde er jetzt tun?

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