Arda Fanfiction

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Zwei kleine Ostergeschichten aus Mittelerde

von Celebne

Ein Osternest für Faramir

Es war wieder einmal soweit: das Osterfest stand in Gondor  vor der Tür. Der kleine Faramir war schon ganz aufgeregt. Letztes Jahr hatte er ein wunderschönes Nest bekommen mit vielen bunten Eiern und kleinen Holzfiguren zum Spielen. Das Nest hatte  seine Mutter noch gebastelt, obwohl es ihr damals schon nicht mehr so gut ging. Natürlich hoffte der sechsjährige Junge, dass er auch in diesem Jahr wieder ein prall gefülltes Osternest bekommen würde. Er ahnte ja noch nicht, dass die Eltern  den Osterhasen spielten.
Der elfjährige Boromir wusste längst über alles Bescheid. Er hatte vor einigen Jahren seinen Vater dabei ertappt, als dieser die Nester im Garten des Statthalterhauses  versteckte.
„Verrate bloß deinem Bruder nichts“, hatte Denethor gebrummt. „Sonst gibt es was hinter die Löffel!“
Boromir hatte sich die Drohung seines Vaters zu Herzen genommen und Faramir nichts davon erzählt. Es war auch irgendwie schön, dass der Kleine noch an den Osterhasen glaubte, und Boromir wurde nicht müde, Faramir irgendwelche erfundenen Geschichten über Hasen, die Eier versteckten, zu erzählen.
Ganz früh am Ostermorgen stand Boromir auf und huschte leise in das Gemach seines Bruders. Faramir schlief noch tief und fest in seinem Bettchen.  Er hatte sich im Schlaf die Decke weggestrampelt . Boromir lächelte und deckte seinen kleinen Bruder behutsam wieder zu. Er strich über die seidenweichen Goldlöckchen und verließ dann das Zimmer auf Zehenspitzen. Sein Weg führte ihn jetzt direkt zu seinem Vater. Leise klopfte Boromir an die Tür.
„Was ist denn?“ grunzte der Truchseß verschlafen.
„Ich  bin es – Boromir“, sagte der große Junge schüchtern.
„Komm rein“, seufzte Denethor und setzte sich in seinem Bett auf.
Verlegen trat Boromir in das Zimmer. Sein Vater saß mitten in dem großen Bett,  welches er sich einst mit seiner geliebten Ehefrau Finduilas geteilt hatte. Seine langen Haare hingen wirr ins Gesicht und er sah seinen ältesten Sohn streng an. Es war nicht üblich, dass einer seiner Söhne in das Schlafzimmer kam.
„Was gibt es?“ fragte der Truchseß finster.
„Heute ist doch das Osterfest“, erinnerte Boromir seinen Vater leise. „Ich wollte nur fragen, ob du für Faramir ein Nest versteckt hast.“
Denethor fuhr sich über die Stirn und fluchte innerlich über die Frühjahrsmüdigkeit,  die ihn jedes Jahr heimsuchte.
„Das hat euere Mutter immer gemacht“, herrschte er Boromir unwirsch an. „Ich halte nichts von solchem Humbug!“
„Aber du hast doch mal...“ widersprach der blonde Junge vorsichtig.
„Ich habe damals nur euerer Mutter beim Verstecken der Nester geholfen“, sagte Denethor ungehalten. „Heuer gibt es nichts! So, und jetzt laß mich  bitte weiterschlafen!“
Boromir war seinem Vater einen empörten Blick zu. Er wusste, dass er jetzt nichts mehr sagen durfte, sonst würde es eine empfindliche Strafe geben.

Bedrückt schlich er in sein Zimmer zurück.  Faramir würde sicher sehr enttäuscht sein, wenn er dieses Jahr an Ostern kein Nest bekommen würde. Boromir sah bereits jetzt die tränenverhangenen, blauen Augen seines Bruders vor sich.
Dann spiele ich halt heuer den Osterhasen! Dachte Boromir entschlossen.
Rasch zog er sich an und überlegte, wie am besten vorzugehen war. Die Osterkörbchen befanden sich wahrscheinlich unter den persönlichen Dingen seiner Mutter. Boromir suchte  das Frauengemach auf, das schon so lange unbewohnt war. Dort war alles unverändert:  Denethor hatte nichts von den Sachen seiner verstorbenen Frau weggeworfen. Boromir fing an, alle Truhen systematisch durchzusuchen. Endlichfand er die zwei Körbchen. Es befand sich sogar noch Ostergras darin. Er lächelte traurig, denn ihm war gerade bewusst geworden, dass seine Mutter diese Körbchen nie wieder füllen würde.
Er ging mit einem der beiden Körbchen in die große Küche des Statthalterhauses, wo die alte Köchin Anguriel gerade das Herdfeuer anschürte.
„Anguriel, hast du zufällig gekochte Eier da?“ fragte Boromir laut.
Die  Köchin zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um.
„Wie kannst du eine alte Frau so erschrecken, Junge?“  beschwerte sie sich.
Doch dann wurde ihr Blick mild, als sie Boromirs verzweifeltes Gesicht sah.
„Ich habe von gestern noch ein paar gekochte Eier übrig“, meinte sie schließlich wohlwollend. „Was willst du damit machen – ein Picknick?“
„Nein, ich will ein Osternest für meinen Bruder basteln“,  erklärte Boromir hastig.
„Dann musst du aber auch die Eier färben“, sagte Anguriel hilfsbereit.

Mit Hilfe von Spinat- und Rote Beete-Saft half sie dem Jungen, die Eier einzufärben. Boromir strahlte , als er die frischgefärbten Eier ins Nest legen konnte.
„Vielen Dank, Anguriel!“ rief er und verließ rasch die Küche.
Es war höchste Zeit, das Osternest für Faramir zu verstecken. Auf dem Weg in den Garten fiel Boromir noch etwas wichtiges ein: In das Osternest gehörte unbedingt noch ein kleines Spielzeug. Auf schnellstem Wege begab sich der große Junge in sein Zimmer. Unter seinen Spielsachen befand sich ein kleiner Drache, aus Holz geschnitzt. Der gefiel Faramir so sehr. Boromir schnappte sich den Drachen und legte ihn in Faramirs Osternest. Dann lief er in den Garten und versteckte das Nest unter einem Gebüsch. Als er in das Haus zurückkam, hörte er auch schon, dass Faramir erwacht war. Der kleine Junge kam verschlafen die Treppe hinunter.
„Ich muß mal nachsehen,  ob der Osterhase schon da war“, murmelte er lächelnd.
„Ja, dann guck mal in den Garten“, sagte Boromir breitgrinsend und wischte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn.
Schon bald konnte er seinen kleinen Bruder jubeln hören.
„Was für ein wunderschönes Nest!“ schrie der Kleine freudig. „Und sogar ein Drachen ist darin, der aussieht wie deiner!“
Boromir war glücklich, dass seine Überraschung für Faramir gelungen war.  Das war viel schöner, als selbst ein Osternest zu bekommen.

END

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