Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Ein fliehendes Pferd

Eine Stunde später kam Éowyn mit schnellen Schritten die Treppe heruntergeeilt.  Sie trug jetzt ein praktisches Reitkleid mit einem Lederwams, welches ihre hübsche Figur betonte. Ihre Haare hatte sie an den Seiten zurückgeflochten, damit sie beim Reiten nicht störten. Hinter ihr kam ihre Zofe Gwyneren getrippelt.
Faramir hörte den Lärm auf der Treppe und kam aus seiner Schreibstube heraus. Mit einem spöttischen Lächeln betrachtete er seine Gemahlin.

„Du siehst wundervoll aus“, meinte er zynisch. „Ich wünschte, du würdest dich auch für mich öfters so herrichten.“
„Was soll das, Faramir?“ fragte Éowyn ärgerlich und stemmte die Hände in die Hüften. „Soll ich einen Kartoffelsack anziehen, wenn ich die königliche Familie besuche?“
„Mich würde interessieren, wen du wirklich besuchst“, erwiderte Faramir ungehalten und kratzte sich an seinem bärtigen Kinn.

Éowyn versuchte seine dreisten Worte zu überhören und ging auf ihn zu, um ihm einen formellen Abschiedskuss zu geben. Doch als sie in seine Nähe kam, roch sie die Alkoholfahne.
„Du hast wieder Wein getrunken, und das am hellichten Tag“, stellte sie empört fest.  „Ich glaube, du bist derjenige von uns, der sich endlich einmal zusammenreißen sollte.“
„Ich wünsche dir viel Vergnügen in Minas Tirith“, sagte Faramir zornig und ließ sie stehen, um wieder in seine Schreibstube zurückzukehren..
Éowyn zuckte leicht zusammen, als er die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zuschlug. Gwyneren, die unfreiwillig Zeugin des Ehestreits geworden war, blickte peinlich berührt zu Boden.
„Komm, Gwyneren, für uns gibt es hier nichts mehr zu tun“, sagte Éowyn kühl und verließ das Haus mit erhobenem Haupt.


Faramir sah von seinem Fenster aus zu, wie die beiden blonden Frauen über den Hof zu den Stallungen schritten. Der Stallmeister, welcher ebenfalls aus Rohan stammte, hatte Windfola und das Pferd der Zofe bereits gesattelt. Éowyns Leibwächter, auch zwei Rohirrim, warteten bereits geduldig hoch zu Roß auf die Herrin Emyn Arnens.
Faramir blickte der kleinen Reitergruppe wütend hinterher. Er war eifersüchtig. Wen mochte wohl seine Gemahlin in Minas Tirith tatsächlich treffen? Er musste es unbedingt wissen. Zu oft war sie in der letzten Zeit in die Weiße Stadt geritten.  Sie erinnerte ihn an ein fliehendes Pferd, welches man vergeblich einzufangen versuchte.

Gewohnheitsmäßig fingerte er nach dem Weinkrug, welcher sich auf seinem großen Schreibpult befand, um sich einen weiteren Kelch einzuschenken. Aber dann dachte er an Éowyns Worte und er ließ den Krug ärgerlich stehen. Sie hatte ja recht! Er trank wirklich zuviel. Doch ahnte sie anscheinend nicht, weswegen er im Wein Vergessen suchte.  Er fluchte leise vor sich hin und sein Blick fiel wieder auf den Krug.
Zum Glück klopfte es in diesem Moment an seine Tür.
„Herein!“ rief Faramir mürrisch und setzte sich an den Schreibtisch.
Es war Beregond, der eintrat. Wie immer, war der treue Leibwächter in Rüstung gekleidet  und bewaffnet.

„Mein Herr,  Euere Gemahlin ist soeben mit zwei Leibwächtern und ihrer Zofe davongeritten“, begann der treue Soldat zögernd.
„Und?“ unterbrach ihn Faramir schlechtgelaunt und starrte auf das leere Pergamentpapier, das vor ihm lag.
„Ich dachte mir, es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn einige Soldaten der Weißen Schar ihr nachreiten würden“, fuhr Beregond ein wenig leiser fort.
Faramir tat es in diesem Augenblick schon wieder leid, dass er seine Laune an dem treuen Leibwächter ausgelassen hatte, und er versuchte freundlicher zu sein. Beregond meinte es ja nur gut.
„Entschuldigung, Beregond“, sagte er etwas sanfter. „Ich bin gerade.....sehr beschäftigt.  Die Fürstin würde es wohl nicht so gerne sehen, wenn ich ihr noch mehr Soldaten hinterherschicke. Aber ich danke Euch trotzdem für Euere Umsicht.“

Faramir hatte plötzlich einen interessanten Einfall, als er diese Worte aussprach. Er winkte Beregond näher zu sich heran.
„Ich muß wissen, was meine Gemahlin in Minas Tirith treibt“, sagte er mit gedämpfter Stimme zu dem Leibwächter. „Wißt Ihr zufällig einen zuverlässigen Mann, den man in die Stadt schicken könnte, um sie zu beobachten?“
Beregond grinste scheu. Er wusste, was sein Herr meinte.
„Nach Möglichkeit sollte die Fürstin diesen Mann nicht kennen“, fuhr Faramir eifrig fort.  „Sonst wird sie vielleicht schnell meinen Plan erraten.“
„Oja, Herr, ich kenne einen ehemaligen Krieger aus der Turmwache, der sich hier in Ithilien vor kurzem niedergelassen hat“, erklärte Beregond beflissen. „Er heißt Mahrod und ist mein Vetter.“

Faramir nickte lächelnd: er kannte Mahrod flüchtig aus der Zeit, als noch sein Vater Gondor regiert hatte.
Er befahl Beregond, Mahrod so schnell wie möglich herbeiholen zu lassen, denn er musste ihn unbedingt sprechen.

Mahrod traf am gleichen Abend im Fürstenanwesen von Emyn Arnen ein. Er hatte seinen Abschied vom Soldatentum genommen und war jetzt ein einfacher Hufschmied in einem neuerrichteten Dorf in Ithilien. Besonders reich wurde er mit diesem Handwerk nicht, daher war er dankbar, als ihm sein Vetter Beregond diesen Auftrag versprach.  
Faramir betrachtete Mahrod nachdenklich: natürlich konnte dieser Mann nicht in diesem ärmlichen Aufzug für ihn in der Stadt spionieren. Mahrod trug zweckmäßige Lederkleidung für seine Arbeit als Hufschmied, welche jedoch schon ziemlich verschlissen war und Brandlöcher hatte.  Er ging mit Mahrod nach oben in seine Privatgemächer und gab ihm eine Tunika von sich. Von Beregond bekam der Spitzel einen zweckmäßigen Rock aus Wildleder und dunkle Hosen mit Stiefeln.
Glücklicherweise besaß Mahrod ein eigenes Pferd, welches er für die Reise nach Minas Tirith benutzen konnte. Eines von Faramirs Reittieren hätte Éowyn womöglich erkannt.

„Findet heraus, was meine Gemahlin tatsächlich in der Stadt treibt“, wies Faramir den Spitzel an. „Sobald Ihr etwas in Erfahrung gebracht habt, reitet sofort wieder hierher.“
Mahrod nickte und nahm lächelnd die zehn Goldstücke in Empfang, die ihm Faramir als Anzahlung gab.

Es war spät in der Nacht, als Mahrod davonritt. Faramir wusste, dass dieser Mann noch Kontakte mit den Leuten der Turmwache und auch mit anderen Bediensteten der Zitadelle hatte. So konnte er bestimmt einige brauchbare Neuigkeiten über Éowyn herausfinden. Ein besonders gutes Gewissen hatte Faramir bei der Sache nicht: er schämte sich, dass er auf diese Weise in Erfahrung bringen musste, was seine Gemahlin ständig in die Stadt trieb.
Ruhelos wie ein Geist wanderte er durch die dunklen Räume des Fürstenhauses. Er vermisste Éowyns fröhliches Lachen und die Lieder, welche sie manchmal vor dem Kaminfeuer in der Sprache Rohans sang.  Seine Hand wanderte wieder einmal zur Weinkaraffe und er trank so lange, bis er im Sessel des Kaminzimmers einschlief.

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