Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Éowyns Pläne

Die blonde Herrin Emyn Arnens war mit einem unguten Gefühl vom fürstlichen Anwesen losgeritten.  Sie hasste es, wenn sie sich im Streit von jemanden verabschieden musste. Momentan erkannte sie Faramir nicht wieder: war er wirklich noch jener sanfte,  freundliche Mann, den sie vor über zwei Jahren in den Häusern der Heilung kennengelernt hatte?

In den letzten Monaten war Faramir streitsüchtig und mürrisch geworden, außerdem trank er zuviel. Sie wusste nicht, warum er so geworden war und sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim auf sein Verhalten machen. Kein Wunder, dass sie gerne nach Minas Tirith flüchtete. Dort lebten ihre Freunde, die Verständnis für sie hatten.  Doreth und Emerwen, zwei junge Frauen, die in den Häusern der Heilung arbeiteten, waren schon lange Éowyns Vertraute.  

Außerdem war da noch die Königsfamilie, bei der sich die ehemalige Schildmaid sehr wohl fühlte. Ja, Faramir hatte schon recht mit seiner Vermutung, dass sie nicht wegen des Königskindes nach Minas Tirith reiste: Aragorn war einer ihrer liebsten Freunde geworden.  Sie wusste, dass Faramir kein Verständnis für diese Freundschaft haben würde, denn er kochte jedes Mal fast vor Eifersucht, wenn sie nur den Namen des Königs erwähnte. Die einzige Person in der Zitadelle, welche Verständnis für die Freundschaft zwischen ihr und dem König hatte, war Arwen, die liebreizende Elbin.

Éowyn hatte schon lange begriffen, dass das Band zwischen Arwen und Aragorn unzerstörbar war.  Das Königspaar führte eine mustergültige Ehe, in der ein jeder für den anderen Verständnis hatte. Verständnis vermisste Éowyn dagegen bei ihrem Gemahl sehr: Faramir kam immer noch nicht damit zurecht, dass sie sich wieder dem  Kämpfen verschrieben hatte.  Sie brannte darauf, endlich mit Gondors Heer in den Krieg ziehen zu dürfen. Deswegen bearbeitete sie auch Aragorn momentan, sie zu einem Ritter Gondors zu ernennen, damit sie  offiziell  am Krieg teilnehmen durfte.

Als Éowyn am späten Abend in der Weißen Stadt ankam, besserte sich ihre Laune erheblich. Faramir und ihre anderen Sorgen schienen erst einmal in die Ferne gerückt zu sein.  Jetzt zählten nur ihre Freunde und die baldige Aussicht eines Kriegszuges. Langsam ritt sie die Straße empor, welche durch die einzelnen Festungsringe führte. Wie immer, wurde sie von den Leuten jubelnd empfangen. In Minas Tirith hatte man nicht vergessen, wer vor über zwei Jahren den Hexenkönig von Angmar besiegt hatte.  Man sang vor den Herdfeuern abends Heldenlieder über die blonde Kriegerin aus Rohan. Éowyn wusste das und es erfüllte sie mit großem Stolz.

Nur einer schien auf diese Ruhmestat nicht stolz zu sein: Faramir, ihr Gemahl. Die blonde Frau versuchte, die Gedanken an ihn zu verdrängen, doch immer wieder tauchte seine spöttische Miene vor ihrem geistigen Auge heute auf.  Sie fragte sich, was er gerade tat: hoffentlich trank er nicht schon wieder. Éowyn seufzte leise vor sich hin. Gwyneren blickte ihre Herrin besorgt an. Sie wirkte bedeutend schwermütiger als sonst, wenn es nach Minas Tirith ging.

„Éowyn, Éowyn!“ rief plötzlich eine weibliche Stimme erfreut.
Es war Doreth, eine der beiden Heilerinnen, die mit der Fürstin befreundet waren. Die dunkelhaarige Frau mit dem grauen Heilergewand lief bis zur Straße vor und winkte Éowyn lächelnd zu.
Der finstere Gesichtsausdruck der Fürstin verschwand augenblicklich. Lachend stieg sie vom Pferd und lief auf Doreth zu. Die beiden jungen Frauen umarmten sich, als hätten sie sich lange nicht gesehen. Dabei war Éowyns letzter Besuch gerade einmal zwei Wochen her.

„Schön, dass du wieder gekommen bist“, rief Doreth erfreut und ließ ihre Hände auf Éowyns Schultern ruhen.  
„Wo steckt Emerwen?“ erkundigte sich die Fürstin, während ihre Begleiter ebenfalls von den Pferden stiegen.
Einer der beiden Leibwächter nahm Windfola an den Zügeln und führte die Stute zu den Stallungen. In der Zwischenzeit ging Éowyn mit Doreth zu den Häusern der Heilung.

„Ich freue mich, dass du hier bist“, fuhr Doreth lächelnd fort. „Aber ich bin doch erstaunt, dass du so schnell wieder gekommen bist. Was sagt denn der Fürst zu den vielen Ausflügen, die du alleine unternimmst?“
Éowyns Lächeln gefror jetzt.  Schon wieder Faramir! Sie wollte momentan nichts von ihm hören. Dass sie im Streit von ihm gegangen war, belastete sie zusätzlich. Sie hatte das nicht gewollt.

Doreth merkte, dass ihre Freundin sich unbehaglich fühlte und sie schnitt ein anderes Gesprächsthema an. Sie redete über die derzeitige Hitzeperiode in Gondor und dass allmählich das Wasser in den oberen Ringen der Stadt knapp wurde. Éowyn hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie kam jetzt mit Doreth an die Stelle, an welcher sie Faramir zum ersten Mal getroffen hatte. In diesem Moment fragte sie sich, wie es mit ihr weitergegangen wäre, wenn sie dem jungen Truchseß niemals in diesen Häusern begegnet wäre.  Sie mochte diesen Gedanken lieber nicht weiterspinnen, und versuchte sich wieder auf das muntere Geplaudere ihrer Freundin zu konzentrieren. Doreth führte Éowyn in die Gärten hinaus. Auch hier wurde die Fürstin wieder an Faramir erinnert. Er hatte mit ihr oft Spaziergänge hier gemacht während ihrer gemeinsamen Genesungszeit.

Emerwen arbeitete in der Kräuterbeetanlage, die etwas abseits von den Spazierwegen lag. Wegen der Hitze war sie immer erst spätabends im Garten, wenn es kühler war. Als sie Éowyn und Doreth entdeckte, legte sie ihre kleine Harke rasch nieder und lief fröhlich zu den Beiden hin, um die befreundete Fürstin mit einer Umarmung zu begrüßen. Éowyn war stolz, diese beiden Frauen als Freundinnen zu haben, denn Heiler genossen in Gondor hohes Ansehen. Sie selbst hatte vergeblich versucht, die Heilkunst zu erlernen, doch sie hatte keine Befriedigung dabei gefunden. Diese fand sie eigentlich nur im Schwertkampf.
„Du siehst blaß aus, Éowyn“, meinte Emerwen besorgt. „Ich werde dir einige Kräuter geben, aus denen man einen stärkenden Trank kochen kann.“
„Mir geht es gut“, behauptete die blonde Frau eifrig. „Ich bin nur ein wenig erschöpft von dem langen Ritt.“
Nachdem sie ein wenig mit den beiden Freundinnen geplaudert hatte, begab sich Éowyn hoch zur Zitadelle.


Ihr Weg führte zu den Privatgemächern der Königsfamilie. Gerade als sie am großen Kaminzimmer anklopfen wollte, ging diese auf und Aragorn trat heraus.  Er war sehr erfreut, Éowyn zu sehen und umarmte sie freundschaftlich.
„Gut, dass ihr beide da seid“, meinte er zufrieden. „Ich brauche Faramir dringend für eine Besprechung wegen des bevorstehenden Kriegszuges gegen Harad.“
„Ich bin alleine gekommen“, betonte Éowyn erstaunt. „Ich wusste nicht, dass Faramirs Anwesenheit erforderlich ist.“

Aragorn blickte sie verwundert an: das war nun schon das dritte oder vierte Mal, dass die Fürstin von Ithilien ohne ihren Gemahl nach Minas Tirith reiste.  Er fragte sich, was mit dem Fürstenpaar los war. Irgendetwas schien da nicht ganz in Ordnung zu sein.  Früher waren immer beide zusammen in die Weiße Stadt gekommen.
Éowyn konnte Aragorns Blick nicht ertragen und sie sah zu Boden.
„Also gut, ich bin gekommen, um alleine mit dir über meinen Einsatz bei diesem Kriegszug zu reden“, sagte sie ohne große Umschweife.
„Wir sollten das nicht hier auf dem Korridor besprechen“, meinte der König seufzend und schob die Tür zu seinem Kaminzimmer wieder auf.

Drinnen saß die Königin und bestickte gerade ein kleines Tüchlein, welches für das drei Monate alte Töchterlein des Königspaares bestimmt war. Als sie Éowyn erblickte, erhob sie sich lächelnd und ging ihr entgegen. Die blonde Frau war immer ganz verzückt, wenn sie die wunderschöne Elbin erblickte. Arwen schien nicht zu gehen, sondern irgendwie zu schweben, und ein angenehmer Duft von Rosenwasser umgab sie immerwährend,  welcher in Éowyns Nase stieg und sie lächeln ließ, als die Königin auf sie zukam.
„Wie schön, dass du wieder hier bist, liebe Freundin“, sagte Arwen mit ihrer melodischen Elbenstimme.

Éowyn wurde niemals müde diese Stimme zu hören und sie wußte, dass sie sich glücklich schätzen konnte, diese Elbenfrau als Freundin zu haben.
„Meine Liebe, ich muß mit Éowyn etwas dringendes besprechen“, sagte Aragorn sanft zu seiner Gemahlin und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Das geht in Ordnung, Estel“, erwiderte Arwen lächelnd. „Ich wollte sowieso gerade nach unserer kleinen Gilraen sehen.“ Sie drückte kurz Éowyns Hand, bevor sie nach nebenan verschwand.

„Ich wünschte, ich wäre auch so eine edle Dame wie deine Gemahlin“, seufzte die Fürstin neidisch, als sie Arwen nachblickte.
„Warum denn?“ fragte Aragorn etwas unwirsch, der diese Worte falsch auffasste.
„Ich bin und werde immer eine Schildmaid bleiben“, erwiderte Éowyn mit einem traurigen Lächeln und betrachtete ihre Hände. „Mir wird niemals solch eine feine Stickarbeit gelingen. Ebensowenig kann ich Heilerin sein, denn alles Kraut, welches ich züchte, verdorrt mir unter den Händen.“
„Es ist nicht jede Frau zur Handarbeit oder zum Kräuterziehen geboren“, meinte der König beschwichtigend. „Allerdings sollte eine Frau auch eine andere Berufung finden als die des Kriegführens.“

Éowyn verschränkte empört die Arme und wanderte im Zimmer auf und ab.
„Du redest schon genauso wie Faramir, dabei hast du mich immer am besten verstanden“, sagte sie verärgert. „Du hast mir damals gesagt, ich sei eine Schildmaid Rohans und meine Bestimmung sei eine andere als die eines Käfigs.“
„Ich wusste nicht, dass du deine Ehe mit Faramir als Käfig empfindest“, meinte Aragorn verwundert. „Ich dachte immer, ihr liebt euch.“
Damit hatte er eine ganz empfindliche Stelle bei Éowyn getroffen und sie wurde plötzlich rot.  Sie dachte an ihren kürzlichen Streit mit Faramir und an ihre Überlegungen von vorhin, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie ihm niemals begegnet wäre.  

„Faramir hat sich verändert“, druckste sie schließlich herum. „Er ist nicht mehr der Gleiche, den ich damals geheiratet habe. Er hatte früher immer Verständnis für mich und jetzt ist es so, als könnte ich es ihm nicht mehr recht machen.“
„Vielleicht hast du dich auch verändert“, mahnte Aragorn besorgt. „Du solltest mit ihm darüber reden und dann könnt ihr auch eine gemeinsame Lösung euerer Probleme finden. Aber wenn ihr so weiter macht, und jeder seine eigenen Wege geht, so wie jetzt, sehe ich schwarz für euere Ehe.“
„Ich bin eigentlich nicht hier, um über Faramir und meine Ehe zu sprechen, sondern weil ich mit in den Krieg ziehen will“, lenkte Éowyn rasch von diesem unangenehmen Gesprächsthema ab.

„Die Heerführer Gondors werden mit Sicherheit nicht einverstanden sein, wenn sich eine Schildmaid in ihren Reihen befindet“, erwiderte Aragorn ernst und schenkte sich einen Kelch mit Wein ein. „Krieg ist immer noch Männersache. Daran ändert auch deine Heldentat im Ringkrieg nichts.“
„Ich möchte, dass du ein gutes Wort für mich bei den Heerführern einlegst“, fuhr Éowyn unbeirrt fort.  „Du könntest mich zum Beispiel zu einem Ritter Gondors ernennen.“
Aragorn sah sie entgeistert an. Er fühlte sich ziemlich unbehaglich. Éowyn verlangte eigentlich Unmögliches von ihm. Auf der anderen Seite hatte er aber auch ein schlechtes Gewissen, da sie wirklich in der Schlacht auf dem Pelennor mehr Heldenmut als mancher Mann gezeigt hatte. Ihr Kampf mit dem Hexenkönig durfte nicht unter den Tisch gekehrt werden und man tat Éowyn sichtlich unrecht, wenn man sie nicht dafür irgendwie entlohnte.

„Du hast mich auf deiner Seite“, sagte er seufzend nach einiger Bedenkzeit. „Aber du weißt hoffentlich, dass dein Gemahl als mein Statthalter noch ein gewichtiges Wort in dieser Sache mitzureden hat.“
Éowyn lächelte jetzt. Wenn Aragorn zu ihr half, durfte es eigentlich nicht schwer sein, die Heerführer zu überreden. Mit Faramir würde sie schon fertigwerden. Irgendwie.

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