Arda Fanfiction

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Sturmwogen

von Celebne

Tíndomerel

Faramir klopfte energisch an die Tür der Amtsstube. Die Stimmen im Raum verstummten und der Truchseß bat seinen Sohn laut herein. Der junge Heermeister holte tief Luft und trat ein. Sein erster Blick  fiel auf das riesige Schreibpult seines Vaters, welches leer war, ebenso wie der Lehnstuhl dahinter. Der Truchseß saß mit seinen drei Gästen auf bequemen Polsterstühlen vor dem Kamin.

Denethor erhob sich mit einem seltsamen Lächeln von seinem Platz und ging mit ausgebreiteten Armen auf Faramir zu.
„Ich freue mich, dass du endlich eingetroffen bist, mein Sohn“, sagte er mit ungewöhnlich freundlicher Stimme zu dem jungen Mann.
Er nahm Faramir kurz in den Arm – eine Geste, die für diesen völlig ungewohnt war.
„Ich hoffe, dein Feldzug in Ithilien war erfolgreich, mein Junge“, meinte er fast beiläufig.

„Ich bin gekommen, um darüber Bericht zu erstatten, mein Herr“, erwiderte Faramir förmlich und blickte seinen Vater verwirrt an.
„Seht her, so ist mein Sohn!“ meinte Denethor lachend zu seinen Gästen. „Er ist durch und durch ein Soldat. Denkt immer an den Dienst.“
Dann wandte er sich wieder Faramir zu und tätschelte dessen Schultern.
„Das mit dem Kriegsbericht hat Zeit, Junge. Willst du nicht erst einmal Fürst Forlong und seine Familie begrüßen?“

Faramirs Blick fiel unwillkürlich auf die junge, dunkelhaarige Frau, welche sittsam neben ihrer Mutter Ivriniel saß.  Das war also die Maid, die er angeblich heiraten sollte. Tíndomerel war wirklich sehr schön. Sie hatte ihr ebenholzschwarzes Haar hochfrisiert, so wie es in Gondor Sitte war. Dazu trug sie ein schlichtes, dunkles Kleid, welches sehr hochgeschlossen war. Um den Hals trug sie eine Perlenkette. Ihre schlanken, langgliedrigen Hände hatte sie im Schoß gefaltet.
Höflich verneigte Faramir sich vor den beiden Damen und begrüßte sie nach gondorianischer Art mit einem angedeuteten Handkuß. Zum Schluß gab er Herrn Forlong die Hand. Dieser lachte freundlich und fuhr sich über seinen langen, grauen Bart, der Faramir ein wenig an Gandalf erinnerte. Tíndomerel jedoch schlug schüchtern die Augen nieder.

Denethor schob Faramir einen Sessel hin und drückte ihm einen Kelch mit Wein in die Hand.
„Bleib doch ein wenig bei uns und unterhalte die Gäste ein wenig“, meinte der Truchseß fröhlich.
Faramir brauchte seinen Vater nicht erst anzusehen, um zu wissen, dass die ganze Heiterkeit nur aufgesetzt war. Er kam sich vor wie die Figur eines Brettspiels, die irgendwohin geschoben werden sollte, um einen Vorteil zu gewinnen.

„Trage den Damen ein paar Gedichte vor, Faramir“, fuhr Denethor mit einem verzerrten Lächen fort. „Du kennst doch so viele alte Lieder.“
„Oh ja, bitte!“ rief Ivriniel, die Gattin Forlongs, entzückt aus und ihr kleines Doppelkinn wackelte dabei.
„Würde es Euch auch gefallen, wenn ich Gedichte vortrage, Frau Tíndomerel?“ fragte Faramir das Mädchen vorsichtig.
„Natürlich“, erwiderte Tíndomerel kühl und blickte an Faramir vorbei zur Wand.
Eine peinliche Stille entstand und der junge Mann beobachtete, dass seine Braut in spe einen leichten Rippenstoß von ihrer Mutter bekam.

Faramir seufzte kaum hörbar und gab einige Weisen über den Frühling zum Besten. Gekonnt hob und senkte er seine Stimme an den richtigen Stellen. Als er fertig war, gab es stürmischen Applaus von Ivriniel. Tíndomerel klatschte recht verhalten.  
Denethor erhob sich nun und betrachtete seine Gäste freundlich.
„Ich denke, wir sollten uns nun ein wenig zurückziehen und für das Fest heute Abend ausruhen.“

Forlong und seine Familie verließen nach einigen Höflichkeitsfloskeln den Raum. Faramir starrte den Dreien kopfschüttelnd nach.
„Was für eine merkwürdige Familie“, murmelte er vor sich hin.
Fast im gleichen Moment packte ihn Denethor grob an der Schulter.
„Wir zwei werden jetzt miteinander reden!“ donnerte der Truchseß in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
„Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte Faramir fast zynisch. „Waren meine Gedichte zu blumig vorgetragen?“
„Du hast dich sicher schon gefragt, warum ich ein Fest heute Abend gebe“, fuhr Denethor unbeirrt fort und wanderte im Zimmer dabei herum.

„Für mich ist es bestimmt nicht gedacht“, erwiderte der junge Mann vorsichtig.
„Doch für dich!“ rief der Truchseß ungehalten und schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Denn du wirst dich heute abend verloben!“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein, Vater“, sagte Faramir fassungslos. „Deswegen hast du also Forlong und seine Familie eingeladen. Soll ich etwa ein Mädchen heiraten, das ich nicht liebe?“
„Pah, Liebe!“ stieß Denethor hervor und blickte dabei unwillkürlich auf das Gemälde von seiner verstorbenen Gemahlin Finduilas, welches über dem Kamin hing.

Faramir konnte kurz den Schmerz in den Augen seines Vaters auflodern sehen.
„Liebe bringt Leiden“, flüsterte er mehr zu sich selbst als zu Faramir und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Weinkelch.
„Ich kann Tíndomerel nicht heiraten“, erklärte der junge Mann stur. „Das kannst du von mir nicht verlangen, Vater.“
„Oh doch!“ sagte Denethor mit einem höhnischen Lächeln. „Ich befehle es dir!“
Seine Stimme war bei den letzten Worten wieder unerträglich laut geworden.
„Und jetzt gehe in dein Gemach und mach dich zurecht für heute Abend. Nimm am besten ein Bad!“

Faramir schlich unglücklich aus der Amtsstube seines Vaters. Er hatte Boromirs Worten kaum glauben wollen. Aber der Truchseß meinte es ernst, sogar toternst. Traurig öffnete der junge Mann die Tür zu seinem Gemach und ließ sich auf sein Bett fallen. Dieses Mädchen wollte ihn doch auch nicht heiraten. Er hatte es an ihrem Verhalten gesehen. Wie konnte man ihnen beiden so etwas antun! Für Fürst Forlong war es natürlich eine hohe Ehre, dass seine Tochter in das angesehene Haus der Statthalter einheiraten durfte. Faramir war ja schließlich ein Mann von hohem Adel. Er war die beste Partie, die es in Gondor nach seinem Bruder gab.

Plötzlich klopfte es an der Tür.
„Darf ich reinkommen, Bruderherz?“
„Du immer, Boromir“, seufzte Faramir bedrückt.
Der blonde Krieger trat mit einem breiten Grinsen ein, doch als er die betretene Miene seines Bruders sah, wurde er schlagartig ernst.
„Vater will mir befehlen, Tíndomerel zu heiraten“, murmelte Faramir fassungslos. „Was bezweckt er mit dieser Ehe? Hofft er, dass wir uns dann nicht mehr streiten?“

„Er hat einen guten Grund dafür, dich außer Reichweite zu halten, wenn du verheiratet bist“, erklärte Boromir leise. „Du sollst mit deiner Gemahlin in das Fürstenhaus von Emyn Arnen ziehen. Er wird dich bei deiner Heirat wahrscheinlich zum Herrn von Emyn Arnen ernennen. Ich habe ihm vorgeschlagen, dich zum Fürst von Ithilien zu machen, aber darauf ist er überhaupt nicht eingegangen. Er will nicht, dass du zu mächtig wirst. In Emyn Arnen kannst du nicht viel Schaden anrichten, meinte er. Dort gibt es nur eine kleine Menschensiedlung.“

Faramir setzte sich ruckartig in seinem Bett auf. Er wühlte in seinen Haaren und schüttelte immer wieder den Kopf.
„Das ist doch verrückt! Hat er etwa Angst vor mir? Seit dieser Sache mit Sûl Lomin ist er völlig neben sich. Ich glaube, er gönnt mir nicht, dass die Weisheit des Kelches auf mich überging, aber nicht auf ihn. Aber warum? Ich bin doch sein Sohn und kein Fremder.“
Seine Stimme war zum Schluß ganz brüchig geworden und Boromir konnte jetzt Tränen in den blauen Augen seines Bruders sehen.
Er ging zu Faramir hin und nahm ihn tröstend in die Arme. In diesem Augenblick hasste er wieder einmal seinen Vater für dessen Sturheit und Grobheit gegen Faramir.

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