Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Sturmwogen

von Celebne

Bittere Erkenntnis

Faramir blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, als das Fest am Abend begann. Es waren viele adelige Familien aus Minas Tirith eingeladen. Er trug eine Festrobe mit einem dunkelblauen Umhang. Denethor hatte auch ein festliches Gewand angezogen. Er trug eine schwarze Samttunika mit heller Bordüre und darüber eine schwere Halskette aus Silber. Er lächelte breit, als Faramir den Saal betrat. Viele Gäste waren schon eingetroffen. Die meisten von ihnen wussten nicht, warum Denethor ein Fest gab. Einige hatten aber von dem Gerücht gehört, dass einer der Truchsesssöhne verheiratet werden sollte. Sie dachten jedoch, Boromir würde sich an diesem Abend verloben, und nicht Faramir.

Denethor winkte seinen jüngeren Sohn ungeduldig zu sich heran.
„Ich will, dass du dich heute Abend gut benimmst und dich mit Tindómerel abgibst“, raunte er Faramir zu. „Niemand soll merken, dass ihr beide euch kaum kennt.“
„Warum tust du mir das an?“ fragte Faramir leise.
Das Gesicht seines Vaters verdüsterte sich sofort.
„Ich will nur dein Bestes“, zischte er dem jungen Mann zu. „Also, unterlasse gefälligst solch undankbare Äußerungen!“
Faramir wusste genau, dass Denethor nur für sich selbst das Beste wollte, und zwar ihn auf Abstand halten.

Endlich trafen Tindómerel und ihre Familie im Saal ein. Die Fürstentochter trug ein wundervolles, farbenfrohes Kleid, dass exzellent zu ihren dunklen Haaren passte, die sie heute abend halboffen trug. Um ihren schlanken, wohlgeformten Hals schmiegte sich ein kostbares Geschmeide.
Faramir beobachtete, wie Tindómerel von ihrer Mutter leicht angestoßen wurde. Das Mädchen lächelte jetzt schüchtern seinen künftigen Bräutigam an.
„Tanze mit ihr!“ befahl Denethor seinem jüngsten Sohn streng und gab den Musikanten in der Ecke einen Wink.

Sogleich ertönten Flöten, Lauten und Fiedeln. Dazu sang ein junger Mann mit einer schönen Baritonstimme. Es war eine alte Weise aus Numenór, die Faramir gut kannte.
Mit einem verzerrten Grinsen ging er auf Tindómerel zu und forderte sie höflich zum Tanzen auf. Das junge Mädchen warf einen hilflosen Blick auf ihre Mutter, die jedoch nur ungehalten die Augen verdrehte, und ging mit Faramir zu der freien Fläche in der Halle, die zum Tanzen diente.
Faramir war ein guter Tänzer und normalerweise machte es ihm auch als Musikliebhaber Spaß, sich zur Musik zu bewegen. Allerdings wirkte heute Abend alles gezwungen. Er beobachtete, wie die Leute sie anstarrten beim Tanzen und die Köpfe zusammensteckten. Niemand hatte wohl geahnt, dass er derjenige sein würde, der heiraten sollte.

„Gefällt es Euch hier in Minas Tirith?“ fragte Faramir seine Braut in spe freundlich.
„Ich weiß noch nicht“, gab Tindómerel leise zurück.
Sie wirkte irgendwie traurig. Ihre Eltern hatten sich inzwischen zu Denethor gesellt, und unterhielten sich mit ihm aufgekratzt. Auch Boromir war jetzt im Saal eingetroffen und er beobachtete Faramir und Tíndomerel nachdenklich.
Plötzlich hielt die junge Frau beim Tanzen inne.
„Verzeiht, Faramir, ich möchte jetzt aufhören“, sagte sie bedrückt. „Ich will  nur kurz etwas frische Luft schnappen.“

Bevor Faramir etwas sagen konnte, verließ sie die Tanzfläche eilenden Schrittes und lief zur Tür hinaus. Der junge Mann starrte ihr nach und ging dann zu seinem Vater, Boromir und dem Fürstenpaar aus Lossarnach.
„Was hast du denn zu ihr gesagt?“ fragte Denethor streng.
„Verzeiht, mein Herr, aber ich fürchte, das liegt an meiner Tochter“, warf Forlong entschuldigend ein. „Sie ist wohl etwas störrisch heute Abend.“
Der Truchseß blickte den Edelmann erzürnt an.
„Sorgt dafür, dass Euere Tochter künftig sittsamer ist“, sagte er kalt.
Er gab Faramir die Anweisung, Tindómerel zurück in den Saal zu holen. Dieser ging mit finsterer Miene hinaus. Er hatte dieses Possenspiel schon lange satt. Das Mädchen wollte ihn nicht heiraten und er sie nicht. Warum zwang man sie dazu?

Seufzend lief Faramir die Korridore entlang Richtung Hinterausgang, wo man zu dem kleinen Garten gelangte. Er bewegte sich etwas leiser, als er gedämpfte Stimmen aus einer Kammer hörte, deren Tür nur angelehnt war. Die eine Stimme erkannte er sofort: es war Tindómerel.
„Marach, du hättest nicht hierherkommen dürfen“, sagte die junge Frau besorgt.
„Tindómerel, du weißt, dass ich dich liebe“, beteuerte die Stimme eines jungen Mannes. „Ich folge dir überall hin.“
Faramir hielt den Atem an, als er das vernahm. Fast hatte er es geahnt, das Tindómerels Herz bereits verschenkt war.
„Es ist alles vorbei, Marach“, schluchzte das Mädchen auf. „Der Truchseß und meine Eltern haben beschlossen, dass ich Faramir heiraten soll.“
„Ich werde das verhindern“, beteuerte Marach leidenschaftlich.

Faramir schüttelte mit einem müden Lächeln den Kopf. Was wollte dieser Fremde aus Lossarnach, der wahrscheinlich nicht einmal ein Adeliger war, gegen den Willen des Truchseß von Gondor unternehmen?
„Ich muß zurück, Geliebter“, wisperte Tindómerel leise. „Sonst werden meine Eltern ernstlich böse.“
„Ich halte es nicht aus, wenn du den ganzen Abend mit diesem rothaarigen Gecken verbringst“, sagte Marach verzweifelt.
Faramir wurde zornig, als er das hörte. Wie konnte es dieser Kerl wagen, so über ihn zu sprechen! Doch ihm wurde schnell klar, dass dieser Marach sehr eifersüchtig sein mußte.
„Ich muß jetzt gehen“, wiederholte Tindómerel ängstlich.

Faramir verbarg sich rasch in einer dunklen Nische, als er hörte, dass die Beiden auf die Tür zuschritten. Jetzt konnte er Marach sehen: es war ein Soldat aus Lossarnach. Er hatte langes, dunkles Haar und er trug die typische Rüstung mit dem Weißen Baum, und darüber eine Sonne. Die Sonne war das Wappen der Fürsten von Lossarnach. Tindómerel fiel ihm kurz um den Hals. Faramir ahnte, dass die Beiden wohl schon länger ein Paar waren. Wahrscheinlich heimlich, ohne das Wissen der Eltern. Marach war kein Hauptmann oder Heerführer. Er war nur ein einfacher Soldat. Keine standesgemäße Partie für eine Fürstentochter. Tindómerel eilte jetzt schnell davon, während Marach mit düsterem Gesicht Richtung Ausgang schritt.

Faramir kam aus seinem Versteck hervor und atmete tief durch. Er mußte diese Heirat verhindern, wenn es irgendwie ging. Doch er wollte Tindómerels Verhältnis mit dem Soldaten nicht verraten. Die Beiden konnten schließlich nichts für ihre Liebe und für die Pläne von Forlong und Denethor.
„Wo steckst du denn?“ ertönte jetzt Boromirs Stimme ungeduldig. „Vaters Laune ist inzwischen nicht mehr die Beste. Du sollst dich jetzt mit Tindómerel verloben.“
„Das kann ich nicht!“ stieß Faramir hervor.
Er erzählte seinem Bruder kurz, was er soeben mitbekommen hatte.
„Du darfst aber nichts davon Vater erzählen“, bat Faramir zum Schluß.
Boromir fuhr sich kopfschüttelnd durchs Haar.
„Aber so hättest du doch einen guten Grund, die Ehe mit Tindómerel abzulehnen“, meinte er erstaunt. „Du bist einfach zu edelmütig, Faramir.“

Zusammen gingen sie zurück zum Saal. Denethors Blick hatte sich verfinstert und Tindómerel stand mit hochrotem Kopf bei ihren Eltern.
„Laßt uns nun zu Tische gehen!“ befahl der Truchseß, als er seine beiden Söhne hereinkommen sah.
„Was hast du jetzt vor, Faramir?“ fragte Boromir leise. „Mach bloß keine Dummheiten! Wenn du jetzt hier den Helden für Tindómerel spielst, machst du vielleicht am Ende euch doch alle unglücklich. Ich weiß nicht, was Vater mit dir tun wird, wenn du die Verlobung platzten lässt.“
Faramir setzte sich bedrückt an seinen Platz, der neben Tindómerel war. Er wusste, dass er sich gleich riesigen Ärger einhandeln würde.

Die Bediensteten trugen köstliche Speisen auf: Braten, weißes Brot, Gemüse und honiggesüßte Kuchen. Denethor, der am Kopfende der großen Tafel saß, um die sich der Adel von Minas Tirith versammelt hatte, hob seinen Kelch.
„Ich habe eine frohe Botschaft zu verkünden“, rief er den Anwesenden strahlend zu. „Mein Sohn Faramir wird im Sommer Frau Tindómerel, die Tochter von Herrn Forlong, heiraten.“
Faramir erhob sich jetzt von seinem Stuhl. Er wollte seinem Vater ein für alle klar machen, dass er das Mädchen nicht heiraten wollte. Denethor funkelte ihn wütend an, denn er schien zu ahnen, was sein Sohn sagen wollte. Boromir starrte mit ungutem Gefühl auf seinen Teller und hoffte verzweifelt, dass Faramir sich nicht um Kopf und Kragen redete.

In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und zwei Soldaten der Turmwache kamen hereingestürmt.
„Verzeiht die Unterbrechung, Ihr hohen Herren!“ rief Beregond, einer der Beiden, mit bebender Stimme. „Im Garten wurde soeben ein ermordeter Mann aufgefunden.“
Faramir ahnte Schlimmes.
„Weiß man schon, wer es ist?“ fragte er Beregond mit ungutem Gefühl.
„Ja,  der Leibwächter von Herrn Forlong hat ihn erkannt“, fuhr der Soldate eifrig fort. „Es ist ein Soldat aus Lossarnach names Marach, der getötet wurde.“
Als Tindómerel das hörte, sackte sie ohnmächtig zusammen. Faramir konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie auf dem Boden unsanft aufschlug.
Denethor stellte wütend seinen Pokal auf den Tisch und befahl einen Bediensteten, einen Heiler für die Fürstentochter zu holen. An  Verlobung war jetzt erst einmal nicht mehr zu denken.

Rezensionen