Arda Fanfiction

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Lebendig begraben

von Celebne

Neue Gemeinheiten

Aragorn war  seit vielen Tagen in den Wäldern Ithiliens unterwegs. Es waren kaum Spuren von Faramirs Entführern zu entdecken. Hier waren sehr geschickte Leute am Werk gewesen, wie der König grimmig feststellte. Offensichtlich waren die Entführer durch Bachläufe gewatet oder geritten, um ihre Spuren zu verwischen. Aragorn war viele Jahrzehnte als Waldläufer durch den Norden Mittelerdes gestreift, aber selten hatte er soviel Pech bei der Fährtensuche gehabt.  
Als zwei Wochen vorüber waren, musste er aufgeben. Die Pflichten riefen ihn nach Minas Tirith zurück. Es genügte bereits, dass der Truchsess spurlos verschwunden war. Der König durfte seine Ämter nicht länger vernachlässigen.


Als Éowyn Aragorn und seine Begleiter im Hof der Zitadelle ankommen sah, lief sie eilends hinaus. Der König war etwas verwundert, die schöne Schildmaid hier anzutreffen. Doch dann erinnerte er sich, dass die Hochzeit von Faramir und Éowyn eigentlich in diesen Tagen stattfinden sollte. Voller Mitleid blickte er die junge Frau aus Rohan an.
„Es tut mir leid, Euch schlechte Nachrichten zu überbringen, Éowyn“, sagte der König bedauernd und ergriff Éowyns Hände.
Die Schildmaid jedoch entwand sich rasch seiner Hände, als hätte sie etwas Unangenehmes berührt.
„Ich bin schlechte Nachrichten gewohnt“, erklärte sie mit düsterer Miene.
„Wir haben Faramir nicht gefunden“, fuhr Aragorn bedrückt fort. „Die wenigen Spuren verlieren sich im Nichts.“
Éowyn hörte ihm erschüttert zu, verbarg jedoch ihre aufwallenden Emotionen. Am liebsten hätte sie sich zu Boden geworfen und laut heulend „warum?“ geschrieen. Doch sie wollte vor dem König nicht noch einmal Blöße zeigen.

Aus der Ferne beobachtete Túrin, der junge Fürst von Andrast, die Szene. Fast huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Arwen, die unter dem Portal stand, bemerkte Túrins Gesichtsausdruck und sie fragte sich im Stillen nach dem Grund.
Túrin war seit Éowyns Ankunft Gast in der Zitadelle, was die Schildmaid gewaltig störte. Sie hatte kaum Ruhe vor dem aufdringlichen Werben des Fürsten.
Als Aragorn sein Gespräch mit Éowyn beendet hatte, ging Túrin mit traurigem Lächeln zu der Schildmaid hinüber.
„Es tut mir sehr leid für Euch, Herrin“, sagte er in gespieltem Mitleid. „Ich wünschte, der König hätte Euch andere Nachrichten gebracht.“
Éowyn blickte ihn mit funkelnen Augen erzürnt an. Sie war nahe daran, ihm Worte ins Gesicht zu spucken, die sich einer hohen Damie nicht geziemten. Aber Éowyn wusste nicht, ob sein Mitleid nicht doch echt war, deswegen vermied sie es, irgendetwas zu sagen.
„Ihr seid sehr aufgewühlt, ich sehe es Euch an“, fuhr der Fürst teilnahmsvoll fort. „Ich würde Euch gerne aufheitern, Herrin. Ihr müsst mir nur sagen, wie.“
„Ich wäre schon dankbar, wenn Ihr mich alleine lassen würdet“, presste Éowyn hervor.

Túrin wusste, dass er dieser Aufforderung unbedingt folgen musste, wenn er sich nicht alles bei der jungen Schildmaid verscherzen wollte. Er verbeugte sich galant und ging davon.
Éowyn fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und begab sich rasch zu ihrem Gemach. Niemand sollte sehen, wie sie sich die Augen aus dem Kopf weinte.

* * *



Faramir konnte es immer noch nicht glauben: sein Vetter Erchirion, sein Blutsverwandter, hatte ihn aus Ithilien entführt. Sie befanden sich an der Küste von Belfalas, direkt am Meer. Faramir konnte die tosende Brandung gut vernehmen. Man hatte ihm die Augenbinde abgenommen, aber er war immer noch streng gefesselt.
„Wohin bringst du mich?“, fragte er Erchirion mit schwacher Stimme.
Der verschlagene Fürstensohn grinste böse.
„Du wirst in einen eigens für dich errichteten Kerker nach Andrast gebracht werden, mein Freund. Dort wirst du bis zu deinem Tode bleiben. Der Kerker soll auch dein Grab werden.“
Faramir erschauderte bei diesen Worten. Erchirion schien alles bis ins Kleinste geplant zu haben, und das schon seit längerer Zeit.

„Andrast? Wie kommst du auf Andrast?“, wollte er von seinem Vetter wissen.
„Dort wohnt mein bester Freund, Fürst Túrin“, erklärte der Fürstensohn gelassen.
„Túrin, der Feigling, welcher niemals seine Hilfe im Krieg angeboten hat?“, stieß Faramir ergrimmt hervor. „Dieser Mann ist dein bester Freund? Wie kommst du dazu?“
„Warum hätte er euch seine Hilfe anbieten sollen?“, spottete Erchirion höhnisch. „Dein Vater hätte ihn doch genauso verächtlich abgewiesen wie uns.“
„Du weißt, dass mein Vater damals nicht bei Sinnen war“, sagte Faramir bedauernd.
„Du hast uns genauso wenig geholfen, Vetter“, sagte der Fürstensohn verärgert. „Du hast feige geschwiegen, als Denethor meinen Vater und somit auch uns verhöhnt hat.“
„Das hätte es nicht besser gemacht und das weißt du“, meinte der junge Truchsess bedauernd.
„Mein Vater ist wegen dieser Sache krank an der Seele geworden“, fuhr Erchirion wütend fort. „Aber das hat euch in Minas Tirith ja nicht gekümmert. Mein Bruder Elphir war noch so dumm und hat am Schwarzen Tor mitgekämpft. Und was hatte er davon? Gefallen ist er!“
„Ich habe von der Erkrankung meines Onkels gehört“, sagte Faramir erschüttert. „Doch ich wagte ihn nicht zu besuchen, da ich mich immer noch für meinen Vater schäme. Auch das mit Elphir tut mir sehr leid.“

Erchirion packte Faramir so fest an der Tunika, so dass dieser kaum noch Luft bekam.
„Ihr habt meine ganze Familie zerstört, ihr hochmütigen Truchsesse!“, spuckte er ihm förmlich ins Gesicht. „Und ich will Vergeltung! Schon damals wollte ich Vergeltung, aber mein Vater hat dies abgelehnt, milde wie er war.“
Faramir schnappte nach Luft und wand sich in den Händen seines Vetters. Aber dies war aufgrund der Fesselung kaum möglich.
„Du brauchst gar nicht so zu zappeln, Herr Truchsess“, spottete Erchirion grimmig, während er Faramir wieder zu Boden sinken ließ. „Da dein Vater und dein Bruder, der große Held, tot sind, wirst du an ihrer Stelle büßen. Du wirst eines Todes sterben, den noch kein Mensch erlitten hat.“
„Warum kämpfst du nicht mit mir?“, fragte Faramir plötzlich herausfordernd. „Du beschimpfst mich als Feigling, hast aber anscheinend Angst vor einem ehrlichen Kampf.“


Erchirion wurde jetzt so wütend, dass er den Gefesselten mit den Fuss derb in den die Seite trat. Faramir unterdrückte einen Aufschrei, denn er war an den Rippen getroffen worden. Er hoffte, dass nichts gebrochen war. Erchirion erschrak selbst ein wenig, als er sah, dass sein Gefangener plötzlich blass wurde und nach Atem rang. Faramir musste unbedingt lebendig nach Andrast gebracht werden, denn auch Túrin sollte sich an seinen jämmerlichen Anblick im Kerker noch weiden können. Das war so abgemacht mit ihm. Erchirion beugte sich über seinen Gefangenen und untersuchte die verletzte Seite.
„Nichts gebrochen“, brummte er. „Du hast wohl eine Prellung erlitten. Das wird dich vielleicht von sinnlosen Phrasen abhalten.“
„Erchirion“, stöhnte Faramir auf. „Du hast immer noch die Möglichkeit, mich freizulassen. Wenn du mich jetzt gehen lässt, will ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen.“
„Das fällt mir nicht ein“, frohlockte Erchirion. „Wenn du vom König für tot erklärt wirst, weil man dich nicht mehr findet, und das wird in einem guten halben Jahr sein, dann geht das Amt des Truchsessen an meine Familie über.“
„Dein Vater wird dann Truchsess“, stellte Faramir erschöpft fest. „Du wirst noch lange warten müssen.“
„Mein Vater ist nicht mehr der Gesündeste, wie du ja weißt“, trumpfte Erchirion selbstsicher auf. „Er wird in Dol Amroth bleiben müssen. Ich werde nach Minas Tirith gehen und Aragorns rechte Hand werden.“

Faramir hörte mit Grauen den teuflischen Plänen seines Vetters zu: wenn dieser Mann Truchsess von Gondor wurde, dann würde es nicht lange Frieden geben. Er war sich sicher, dass der König Erchirion bald durchschauen und ihn fortschicken würde, was dann womöglich einen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südgondor auslösen konnte.
„Fürst Túrin wird zur Belohnung für sein Mitwirken übrigens Éowyn bekommen“, fügte Erchirion diabolisch hinzu.
Faramir versuchte trotz seiner Rippenprobleme aufzuspringen, doch die Fesseln hinderten ihn daran.
„Nein, nein, das wirst du nicht tun!“, bellte er Erchirion wütend an. „Du wirst Éowyn in Ruhe lassen.“
„Ich schon“, grinste der Fürstensohn böse. „Túrin befindet sich bereits in Éowyns Nähe und macht ihr den Hof. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht lange widerstehen kann. Sie hat sich ja mit dir auch schnell über Aragorn hinweggetröstet.“
Damit traf er einen empfindlichen Punkt bei Faramir: bis heute war er sich der junge Truchsess nicht ganz sicher, ob ihn Éowyn tatsächlich so liebte wie er sie.
Er sank wieder in sich zusammen und schloss stöhnend die Augen.

Doch Erchirion zog ihn unsanft auf die Beine. Faramir konnte sich nicht wehren: durch die ständige Verabreichung des Betäubungsmittels war er geschwächt. Er taumelte und ihm wurde schwarz vor Augen. Als Faramir unbeholfen auf die Knie sank, schleifte ihn Erchirion höhnisch lachend zum Pferd. Zwei von Erchirions vermummten Männer zogen ihn auf den Wallach hinauf. Er blickte in kohlschwarze Augenpaare, die seltsam funkelten.
Faramir fragte sich im Stillen, ob dies Leute aus Dol Amroth waren. Aber er konnte sich das kaum vorstellen.  Als er einen der Männer reden hörte, vernahm er einen fremden Akzent. Vermutlich hatte Erchirion Söldner aus Harad, die ihn unterstützten.

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