Erstaunt blickte die alte Frau in die kleine Flamme, die weiß aus der Felsspalte emporflackerte. Es gab keinen Zweifel: die Farbe der Flamme hatte sich geändert. Seit sechzig Jahren war sie gelb gewesen und hatte die Höhle in ein goldenes Licht getaucht, und nun loderte sie in weißer Farbe empor. Die alte Ranwen stieß einen langen, erleichterten Seufzer aus: sie wusste jetzt, dass ihre Zeit herum war. Die neue Hüterin würde bald ihren Platz einnehmen und die Welt würde weiterhin in Ordnung bleiben.

Ein Mann mit einem langen weißen Bart und einem schmutziggrauen Gewand trat leise in die Höhle ein. In Rohan wurde er von vielen Menschen mit dem Zauberer Gandalf verwechselt, wenn er auf seinem grauen Pferd durch die Dörfer ritt, doch Emyr war kein Zauberer: er war ein Mensch und der Ritter des Tempels von Malrond.
Als die alte Frau den grauhaarigen Ritter erblickte, erhob sie sich lächelnd von ihrem steinernen Stuhl und hob grüßend die Hand.
„Es ist soweit, Emyr“, sagte sie bedächtig zu ihm. „Meine Arbeit ist getan. Reite du nun nach Edoras und hole meine Nachfolgerin Éowyn.“
„Das werde ich tun, Herrin“, erwiderte Emyr dienstbeflissen und verneigte sich kurz. „Doch hält sich die neue Hüterin nicht mehr in Edoras auf, sondern weilt inzwischen in Gondor, wo sie sich mit dem Truchsess vermählt hat.“
Ranwen hob erstaunt eine Augenbraue, blieb aber dennoch ganz ruhig.
„Das macht nichts, Emyr“, meinte sie gelassen. „Éowyn wird deine Botschaft verstehen und sie wird mit dir kommen.“
Doch der alte Ritter war sich da nicht so sicher.
„Éowyn wurde auf diese Aufgabe nicht vorbereitet wie Ihr seinerzeit, Herrin“, druckste er schließlich herum. „Es könnte... Probleme geben.“
Ranwens Miene verfinsterte sich.
„Es darf keine Probleme geben“, betonte sie energisch. „Wenn die rechtmäßige Hüterin nicht binnen drei Monden meinen Platz hier einnimmt, wird die Welt, wie wir sie kennen, untergehen.“