Arda Fanfiction

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Die Hüterin von Malrond

von Celebne

Es beginnt

Stirnerunzelnd blickte der junge Bauernsohn Wulfric zum Himmel empor. Die Wolken in der Westfold hatten eine eigentümlich grün-graue Färbung angenommen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Was ihm aber noch mehr Sorgen machte, war der riesige Vogelschwarm, der sich wie ein schwarzer Teppich langsam am Himmel ausbreitete. Er musste dies unbedingt seinem Vater zeigen, welcher gerade im Schuppen des einsamen Anwesens Holz hackte. Rasch lief der junge Mann aus Rohan über das abgeerntete Feld auf den Holzschuppen zu.
„Vater, das musst du dir ansehen!“, rief er schon von weitem.
Doch Rangnac, der Bauer, schien ihn nicht zu hören. Wulfric wunderte sich ein wenig darüber. Erst jetzt bemerkte er, dass die regelmäßigen Schläge der Axt auch seit einiger Zeit verstummt waren.
„Vater?“, fragte ein wenig leiser, als er sich dem Holzschuppen nahte.
Immer noch keine Antwort.
Schließlich riss Wulfric die angelehnte Tür auf und ihm bot sich ein solch schrecklicher Anblick, dass es ihm fast das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sein Schrei verhallte ungehört in den den Weiten der Riddermark.


* * *



Zur gleichen Zeit spazierte viele Meilen südlich die junge Fürstin von Ithilien Hand in Hand mit ihrem frisch angetrauten Gemahl durch die grünen Wiesen in der Nähe des fürstlichen Anwesens. Der  junge, rothaarige Mann flüsterte ihr etwas ins Ohr und Éowyn begann zu kichern. Sie ließ sich trunken vor Glück in das weiche Gras fallen und zog Faramir spielerisch zu sich herunter.
Seit Éowyn vor einer guten Woche mit Faramir in den Emyn Arnen eingezogen war, fühlte sie sich so wohl wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Sie begriff, dass Ithilien der Ort war, an dem sie mit Freuden den Rest ihres Lebens verbringen würde.
Die Sonne schien warm und freundlich vom blauen Himmel, während die jungen Leute wie kleine Kinder im Gras herumtollten.
„Faramir, dein Stoppelbart kratzt so“, mahnte Éowyn schließlich prustend ihren Gemahl, als dieser sie zum wiederholten Male küsssen wollte. „Du solltest dich endlich einmal wieder rasieren.“
„Wenn ich ihn abnehme, dann sehe ich aus wie ein Knabe“, meinte Faramir mit gespielter Entrüstung. „Ein Truchsess sollte einen Bart tragen. Findest du nicht?“
„Schon“, entgegnete Éowyn belustigt und strich über seine stoppeligen Wangen. „Aber bei dir habe ich das Gefühl, dass der Bart kaum von der Stelle wächst.“
„Das muss wohl an der großen Portion númenorischen Blutes liegen, welches durch meine Adern rinnt“, witzelte Faramir. „Meine Vorfahren waren schließlich Elben.“
„Dann scheinen die Vorfahren des Königs Zwerge gewesen zu sein“, kicherte Éowyn amüsiert. „Denn Aragorn trägt inzwischen solch einen dichten Vollbart, dass selbst Gimli neidisch werden könnte.“
„Aragorn, schon wieder Aragorn!“, rief Faramir mit vorgetäuschter Empörung aus. „Warte nur, bis ich dich kriege!“
Éowyn kreischte fröhlich auf und  suchte ihr Heil in der Flucht. Sie raffte ihre Röcke fast bis zu den Knien hoch und lief im Zickzack durch die hohe Wiese. Als sie merkte, dass Faramir sie fast eingeholt hatte, ließ sie sich laut lachend in seine Arme fallen.
„Erwischt!“, sagte Faramir triumphierend und küsste sie liebevoll.


* * *



Die Reise nach Ithilien dauerte fast zwei Wochen, obwohl Emyr keine unnötigen Pausen einlegte. Er ritt sogar sehr schnell, aber schon darauf bedacht, sein edles Ross Gwynd nicht zu Schanden zu reiten. Gwynd war sein bester Freund und das klügste Pferd, das es in ganz Mittelerde gab – jedenfalls nach Emyrs Meinung. Der Mann mit dem langen, weißen Bart, welcher Gandalf so ähnlich sah, hielt Gwynd auf einen Hügel kurz vor den Emyn Arnen an.
„Da liegt unser Ziel, mein Freund“, sagte er leise zu seinem Ross. „Der Herr Faramir hat wahrlich ein schönes Heim für seine Gemahlin bereitet.“

Beregond, welcher auf einem der schmucken Wachtürme des fürstlichen Anwesens stand, lächelte breit, als er den Reiter erblickte, welcher sich der kleinen Hügelkette näherte, denn er hielt ihn für Gandalf. Langsam stieg er vom Wachturm herab und ließ einen Flügel des Tores öffnen.
„Ich glaube, der Weiße Zauberer will unseren Herrn Faramir besuchen“, sagte einer der Torwächter überflüssigerweise zu Beregond.
Dieser schwieg und beobachtete den herannahenden Reiter aus zusammengekniffenen Augen.
„Das ist nicht Mithrandir“, murmelte er schließlich erstaunt.

Als der Ritter des Tempels von Malrond an das Tor des fürstlichen Anwesens gelangt war, hob er freundlich lächelnd die rechte Hand zum Gruß.
„Was ist Euer Begehr?“, fragte Beregond etwas misstrauisch.
Emyr lächelte weiter. Er ließ es sich nicht anmerken, dass er die Bewohner Gondors nicht mochte. Die Rohirrim konnte er auch nicht leiden, aber sie waren ihm immer noch lieber als das vermeintlich edle Volk aus dem Süden.
„Ich wünsche mit der Herrin Éowyn zu sprechen“, sagte er schlicht zu dem blonden Leibwächter Faramirs.
Beregond zögerte einen Moment. Der Fremde sah nicht besonders vertrauenserweckend aus, wenn man ihn aus der Nähe betrachtete. Unter seinem grauen Mantel blitzte ein Kettenhemd hervor und auch der Knauf eines großen Schwertes war nicht zu übersehen. Außerdem sprach der Weißbärtige ein merkwürdiges Westron. Er hatte einen schleppenden Akzent, den Beregond absolut nicht einordnen konnte.
„Ich muss erst wissen, wer Ihr seid, bevor ich Euch zum Fürstenpaar vorlasse“, erklärte Beregond finster. „Nennt mir Eueren Namen!“
„Ich bin Emyr von Malrond“, sagte der Ritter immer noch freundlich. „Mein Name tut eigentlich nichts zur Sache. Er wird niemanden etwas sagen. Ich bin in guter Absicht gekommen.“
„Dann gebt mir Euer Schwert!“, forderte Beregond streng und streckte die rechte Hand aus.
Immer noch lächelnd nahm Emyr seinen Schwertgürtel ab und reichte ihm samt Schwert dem Wächter Emyn Arnens.

In der Zwischenzeit waren Faramir und Éowyn durch den verborgenen Hintereingang des Anwesens ins Haus gelangt. Beide hatten hochrote Wangen und ihre Kleider zeigten deutliche Spuren, wo sie heute den Nachmittag verbracht hatten. Faramir schnippte einen Grashalm von seinem Ärmel und grinste Éowyn dabei schelmisch an.
„Was wird wohl mein Kammerjunker denken, wenn er meine Tunika schon wieder säubern lassen muss“, meinte er belustigt.
„Mein Kleid sieht auch nicht besser aus“, seufzte Éowyn und sah an sich herunter. „Überall Grasflecken. Das muss ein Ende haben.“
Die letzten Worte hatte sie scherzhaft ausgesprochen, so dass Faramir leise auflachte. Allerdings ahnte das junge Fürstenpaar nicht, dass diese sorgenfreien Tage nun tatsächlich ein Ende gefunden hatten.

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