"Herrin, so wartet doch!", rief die Kammerdienerin, doch Yola lief weiter. Erst auf dem großen Marktplatz kam sie zum Stehen. Eine große Menschentraube hatte sich gebildet. Heute war Sklavenmarkt, doch etwas Besonderes musste sich ereignet haben.
Yola seufzte, sie hasste es, ihren Titel gebrauchen zu müssen, doch die Neugierde auf das, was dort in der Mitte des Marktplatzes war, war stärker. "Aus dem Weg! Geht mir aus dem Weg!", rief sie mit gebieterischer Stimme und war, wie jedes Mal, erstaunt über die Reaktion. Frauen waren hier, bei den Haradrim, von keiner großen Bedeutung. Doch auf den Ruf dieser gerade mal sechzehnjährigen Frau hin, teilte sich die Menschenmenge. Jeder, der ihre Stimme gehört hatte, machte Platz für sie, doch sie konnte noch immer nichts sehen, denn noch immer versperrten viele Menschen den Weg.
Ein leises Raunen ging durch die Menge und geflüsterte Sätze wie "Seht, die Tochter des Herrn!" drangen an ihre Ohren. Bald konnte sie ungehindert zur Mitte des Platzes gehen. Halb befürchtete sie, eine Hinrichtung zu Gesicht zu bekommen. Sie hasste, im Gegensatz zum Rest des Volkes, diese blutigen Spektakel. Doch es war keine Hinrichtung.
In der Mitte des Platzes stand ein Holzpodest und ein Sklavenhändler stand daneben. An dem Holzgerüst, wo normalerweise eine Reihe von Sklaven angebunden war, war nur eine einzige Gestalt. Die Arme waren zur Seite ausgestreckt und mit starken Tauen am Holz befestigt.
Yola stockte der Atem.
Soetwas hatte sie noch nie gesehen. Die Haut des Mannes war blass, viel heller als die der Haradrim. Sein Kopf war gesenkt und die Augen geschlossen. Langes, goldblondes Haar hing ihm bis weit über die Schultern. Sein Oberkörper war nackt und die Muskeln waren deutlich zu erkennen. Der Mann war schlank, doch nicht dürr und seine Beine waren lang, die Hüften schmal und die Schultern breit. Obwohl Yola solch ein Wesen noch nie gesehen hatte, wusste sie sofort, was sie vor sich hatte.
Der Sklavenhändler hatte einen Elben gefangen.
Die Erstarrung löste sich von ihr und Yola ließ ihren Blick durch die Menge schweifen. Verzweifelt suchte sie nach einem bekannten Gesicht, während der Sklavenhändler immer wieder seine Ware anpries. Dann sah Yola, was sie sich erhofft hatte.
Die Menge teilte sich erneut und ein großer Mann trat in Begleitung von mehreren Dienern in die Mitte des Platzes. Auch er besah den Elben verwundert. Yola lief auf den Mann zu. Die Diener traten zur Seite und sie blieb vor dem Herren der Stadt stehen. Er sah sie überrascht an.
"Vater, gut, dass du hier bist!", rief sie, noch etwas außer Atem. "Yola, was machst du hier, Kind?" Ihm war anzusehen, dass er es nicht gut hieß, seine einzige Tochter hier vorzufinden. Das war ihr aber im Moment herzlich egal.
"Vater, ich muss ihn haben!", sagte sie bestimmt. "Was musst du haben?" Ihr Vater hob eine Augenbraue. "Den Sklaven. Ich will ihn haben!" Der Herrscher runzelte die Stirn. "Yola, er ist wertvoll. Ich könnte ihn gut für die Armee gebrauchen.", sagte er und sie sah ihn flehend an. "Nein, Vater, bitte schenke ihn mir. Du hast so selten Zeit für mich und er ist so ein nettes Spielzeug."
Ihr Vater seufzte. "Also gut, Yola, aber du musst mir versprechen, auf ihn aufzupassen. Lass ihn nicht sterben, hörst du? Dafür ist er nun wirklich zu teuer." Yola machte ein angeekeltes Gesicht. "Vater, du weißt selbst, dass ich diese Sklavenkämpfe hasse. Ich habe nichts übrig für dieses sinnlose Gemetzel!" Er nickte. "Also gut. Ich werde ihn an den Hof bringen lassen. Aber es kann dauern, biss er gezähmt ist.", warnte er und sie nickte.
Dann machte sie sich wieder auf den Weg zum Schloss. Dort angekommen sagte sie als erstes ihrem Lehrer die Unterrichtsstunde für diesen Nachmittag ab. Dann wartete sie. Es dauerte nicht lange, bis die Diener ihres Vaters den Sklaven brachten. Sie trugen ihn und er schien bewusstlos zu sein. Yola lief zu ihnen in den Hof.
"Bringt ihn in mein Zimmer.", befahl sie und einer der Diener sah sie zweifelnd an. "Herrin, er ist nicht gebändigt und höchst gefährlich.", warnte er und sie tat es mit einer Handbewegung ab. "Das weiß ich doch.", sagte sie, "Ihr werdet ihn ja auch fesseln, aber bringt ihn jetzt bitte auf mein Zimmer." "Wir ihr wünscht."