Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Abzug

Bis tief in die Nachtstunden standen die Männer und Areanor auf den Wällen und sahen, wie die Weiße Stadt allmählich erobert wurde. Die untersten Festungsringe brannten bereits und es gab nicht wenige in Pelendirs Schar, die beunruhigt waren, denn es wohnten noch Angehörige von ihnen in der Stadt.
„Ich hätte nicht gedacht, dass es soweit kommt“, stieß Belecthor ungläubig hervor. „Minas Tirith galt immer als uneinnehmbar.“
„Herr Denethor ist schuld an allem“, sagte Pelendir finster. „Hätte er rechtzeitig gehandelt, dann wären längst die Verbündeten Gondors da und würden helfen. Wo ist Rohan, frage ich mich? Oder Dol Amroth? Der Fürst Imrahil wurde von Denethor verbannt, heißt es. Ich hoffe, dass Denethor den Angriff nicht überlebt, damit dieses unselige Haus der Truchsessen endlich ausstirbt.“
„Vater, bist nicht dann du der nächste, rechtmäßige Truchseß“, fragte Areanor aufgeregt.

„Ja, das wäre ich“, erwiderte Pelendir leise. „Die Frage ist, ob Gondor überhaupt noch einen Truchseß nach dieser Schlacht braucht.“
Die Zeit schlich dahin und der Angriff auf die Stadt ging weiter. Der Kampfeslärm war auch gut in den Emyn Arnen zu hören.
Areanor, die sich inzwischen in der Halle des Fürstenhauses hingelegt hatte, konnte kaum ein Auge zumachen. Es war fast eine Ironie des Schicksals, dass ihr Vater vielleicht bald Truchseß eines untergegangenen Reiches sein würde. Mit diesen Gedanken schlummerte sie dann endlich ein. Nach einigen wirren Träumen erwachte sie, als es plötzlich außen auf dem Wall aufgeregtes Geschrei gab. Areanor vermutete einen Angriff und lief mit ihrem Schwert noch halb schlaftrunken nach draußen.

„Die Rohirrim kommen!“ rief Belecthor erfreut und deutete von der Mauer aus nach unten.
Jetzt konnte auch das Mädchen sehen, dass sich das Geschehen auf dem Schlachtfeld langsam zugunsten von Gondor wendete. Die Stadt sah zwar schlimm aus, aber noch war sie nicht verloren.
„Die Korsaren kommen auch“, bemerkte Pelendir gelassen und blickte zum Anduin hinab, wo sich eine ganze Flotte schwarzer Schiffe Minas Tirith näherte.

Alle hielten den Atem an und warteten ab, was nun passieren würde. Die Korsaren würden sicher noch Verstärkung mitbringen. Das würde auch für die Rohirrim zuviel sein. Doch dann erblickte Areanor eine seltsam grün schimmernde Masse, welche die Schiffe verließ.
„Das sind Geister!“ stieß sie ungläubig hervor. „Die Korsaren haben Geister auf den Schiffen.“
„Moment, das sind keine Korsaren“, verbesserte sie Belecthor. „Die Geister kämpfen auf der Seite Gondors! Seht doch, wie sie die Orks vernichten. Ja, selbst die Mumakîl fallen.“

Im Nu war die Schlacht entschieden. Die kleine Schar beobachtete, wie sich das grünleuchtende Geisterheer bis zur Stadt durchkämpfte. Schließlich waren die Hörner des Sieges zu vernehmen. Saurons Heer war vernichtet.
„Ich will in die Stadt zu meinen Verwandten!“ stieß einer der Männer jetzt hervor.
„Ich auch!“ rief ein anderer.
Pelendir blickte erzürnt von einem zum anderen.
„Vater, vielleicht bist du inzwischen Truchseß“, flüsterte Areanor ihm aufgeregt zu. „Laß uns mitgehen.“

„Nur ungern lasse ich Ithilien in dieser Stunde im Stich“, erklärte Pelendir ernst. „Aber so sei es! Ich muß wissen, woran ich bin. Ich bin sicher, dass mir die Räte Gondors keinen Stein in den Weg legen werden, und dann wird Gondor vom Fürstenhaus in Ithilien aus regiert.“
Areanor frohlockte innerlich: Ihr Vater und sie würden unermesslich reich sein. Sie würde sich lauter schöne Kleider anfertigen lassen und ein Leben in Saus und Braus führen. Doch der Gedanke, dass Faramir sich unter all den Toten dieses grausamen Krieges befand, holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück.

Die Männer holten ihre Pferde, die friedlich im verwilderten Garten des Anwesens grasten und begannen dann ins Tal hinabzureiten. Vom Pelennor stieg Rauch empor. Die Überlebenden hatten damit begonnen, die Toten zu begraben und die gefallenen Orks zu verbrennen. Areanor hielt sich die Nase vor dem übelriechenden, beißenden Rauch zu.
Pelendir wagte jedoch noch nicht in die Stadt zu reiten. Er zügelte sein Pferd bei einigen Soldaten, die gerade einige Tote auf eine Karre luden.
„Was gibt es Neues in der Stadt?“ fragte der Edelmann höflich. „Starb jemand aus der Truchsessfamilie in der Schlacht?“

„Oh ja, mein Herr“, meinte einer der Soldaten eifrig. „Der Truchseß hat sich umgebracht. Er hat sich angezündet und stürzte sich dann von ganz oben auf das Schlachtfeld hinab.“
Bei diesen Worten deutete er auf den schiffsbugähnlichen Felsen, der weit über die Stadt hinausragte.
„Das ist traurig“, bemerkte Pelendir nüchtern. „Doch wer regiert nun die Stadt?“
„Natürlich sein Sohn Faramir, sofern er seine Verletzungen überlebt“, meinte der Soldat achselzuckend.
Areanor unterdrückte einen Freudenschrei. Faramir lebte also! Dieser Gedanke war für sie viel schöner, als die Möglichkeit, dass ihr Vater in Gondor an die Macht kam. Pelendirs Gesicht jedoch verdüsterte sich. Diese Nachricht gefiel ihn weniger.

„Laßt uns nach Emyn Arnen zurückreiten!“ forderte er seine Tochter auf.
Die Männer jedoch gehorchten ihm nicht mehr. Sie waren bereits weiter in die Stadt geritten, um sich nach dem Wohlbefinden ihrer Angehörigen zu erkundigen.
„Was?“ fragte Areanor erstaunt. „Ich bin müde und hungrig. Laß uns wenigstens die Nacht hier verbringen.“

Pelendir gab zähneknirschend nach und sie ritten langsam durch das zerstörte Stadttor. Sogleich kam ihnen Irolas, der Hauptmann der Stadtwache entgegen.
„Gut, dass Ihr kommt, Herr Pelendir“, meinte der blonde Krieger erleichtert. „Herr Aragorn und Herr Gandalf haben eine Versammlung im Thronsaal einberufen, an der auch die Edelmänner Gondors teilnehmen sollen.“
Pelendirs Augen begannen aufzuleuchten. Dieser Vorschlag gefiel ihm. Auf diese Weise konnte er vielleicht auch herausbekommen, ob Faramir nicht doch vielleicht inzwischen seinen Verletzungen erlegen war. Außerdem war es nicht schlecht, so Fuß in der Zitadelle zu fassen. Er ärgerte sich, dass er kein edles Gewand trug, sondern nur ein rostiges Kettenhemd. Gemeinsam mit Areanor ritt er durch die halb zerstörte Stadt zur Veste hinauf.
Seine Tochter betrachtete staunend die Fremden aus dem Norden, die Gondor geholfen hatten. Es waren alles hochgewachsene, blonde Männer, die einen eigentümlichen Dialekt sprachen.

*

Als Vater und Tochter im siebten Festungsring angekommen waren, empfing sie einer der Turmwächter mit eifrigen Rufen.
„Herr Pelendir, geht nur hinein in den Thronsaal. Die Versammlung wird gleich beginnen“, sagte Beregond, der den Edelmann sofort wieder erkannte.
Auch Areanor stieg vom Pferd und wollte ihrem Vater folgen, doch Beregond hielt sie zurück.
„Nein, meine Dame. Leider dürft Ihr nicht mitkommen. Aber vielleicht wollt Ihr Euch in den Häusern der Heilung etwas ausruhen. Ihr seht sehr mitgenommen aus.“
„Das ist ein guter Vorschlag“, meinte Pelendir erfreut. „Komm, Areanor, und folge dem Mann!“
Areanor war nicht einmal böse darüber. Auf diese Weise konnte sie vielleicht sogar Faramir besuchen.   Allerdings sollte sie eine böse Überraschung erleben, die sogar ihre Schwärmerei für den jungen Heermeister in eiskalten Hass umwandeln würde.

Rezensionen