Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Wer anderen eine Grube gräbt...

Faramir saß immer noch mit Aragorn und Legolas zusammen im Kaminzimmer, als plötzlich Éowyn hereingestürmt kam. Ihre Wangen waren gerötet und sie vergaß vor Aufregung, sich vor dem König zu verneigen.
„Faramir, es geschehen hier schreckliche Dinge“, stieß sie entrüstet hervor.
Auch Aragorn und Legolas spitzten jetzt die Ohren und sie wollten ebenfalls wissen, was geschehen war.
„Vielleicht ist es gut, wenn Ihr auch davon erfahrt“, meinte Éowyn nach kurzem Bedenken.
Sie nahm an Faramirs Seite Platz und erzählte, was die Magd Eadwen im Waschhaus des vierten Ringes erfahren hatte.

„Das ist ungeheuerlich!“ stieß der junge Truchseß erbost hervor. „Man sollte sofort den Gärtner mit Schimpf und Schande verjagen. Wie kann er solche Lügen verbreiten!“
Aragorn legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
„Das sieht alles nach einer bösen Intrige aus“, meinte er besonnen. „Ich glaube, da wurde noch viel mehr erfunden.“
„Aber wer will uns solch einen Schaden zufügen?“ fragte Éowyn den Tränen nahe.
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, dachte Faramir an Pelendir und seine Tochter, und er hatte ein ungutes Gefühl.
„Entschuldigt mich“, sagte Aragorn und verließ das Kaminzimmer.
Éowyn schmiegte sich bedrückt an Faramir und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.  Legolas war aufgestanden und zum Fenster gegangen. Wieder einmal verstand er das Wesen der Menschen nicht. Niemals würde ein Elb über einen anderen solch üble Nachreden verbreiten.

Aragorn kam in Begleitung des Gärtners Amandil zurück. Éowyn betrachtete den alten Mann stirnerunzelnd.
„Er sagt, dass er keine Schwester hat“, erklärte der König ernst. „Da hat sich jemand also eine höchst unfeine Geschichte ausgedacht, um das Ansehen der Schildmaid von Rohan zu beschmutzen. Willst du immer noch, dass der Gärtner entlassen wird, Faramir?“
„Nein, jetzt nicht mehr“, sagte Faramir milde gestimmt. „Wir müssen im Waschhaus nachforschen, woher diese Lügen stammen.“
Amandil durfte sich wieder entfernen. Éowyn war immer noch sehr verzweifelt.
„Am besten, ich kehre für immer nach Rohan zurück“, stieß sie unglücklich hervor. „Wenn sich die Lügen hier in der Stadt verbreiten, ist mein Ruf in Gondor für immer dahin.“

Faramir spürte, wie es ihm einen Stich durchs Herz gab. Wenn Éowyn ihn verließ, dann hatte diese Person wahrscheinlich das erreicht, was sie wollte.
„Wir müssen eine vertrauenswürdige Frau in das Waschhaus schicken“, fuhr Aragorn nachdenklich fort. „Wir Männer können schlecht dorthin gehen. Uns würde man gleich erkennen.“
„Ich werde mich als gondorianische Magd verkleiden“, schlug Éowyn plötzlich vor. „Wenn ich meine Haare bedecke, wird mich niemand so leicht erkennen. Die meisten Menschen hier haben mich bisher nur von der Ferne gesehen. Ich werde mich im Waschhaus umhören.“
„Das ist ein guter Einfall“, meinte Aragorn lächelnd. „Vielleicht trefft Ihr dann höchstpersönlich auf Euere Widersacherin.“


Am nächsten Morgen machte sich Éowyn in der Tracht der Mägde auf den Weg in das Waschhaus. Eadwen begleitete sie. Auf den ersten Blick war die Schildmaid wirklich nicht zu erkennen: durch die dunkle Tracht mit dem grauen Kopftuch wirkte sie richtig unscheinbar. Éowyn war trotzdem ziemlich nervös. Sie holte tief Luft, bevor sie das dampfige Waschhaus betrat. Drinnen waren bereits jede Menge Frauen versammelt. Sie redeten alle im Durcheinander und die Schildmaid hatte daher Mühe, sie zu verstehen. Dazu kam noch der eigentümliche Akzent des Westron, der in Gondor gesprochen wurde. Einige der Frauen sprachen auch Sindarin, was Éowyn überhaupt nicht beherrschte. Doch als sie etwa eine Viertelstunde in dem Gebäude war, ging es besser mit dem Verstehen.

„Was war das gestern für eine Frau, die dieses Gerücht über die Herrin Rohans in die Welt setzte?“ fragte Eadwen mutig eine der Frauen.
Beriniel, die an diesem Morgen auch wieder hier war, schaltetete sich sofort ein.
„Keine Ahnung, wer das war“, bemerkte sie schnippisch. „Von Waschen hatte sie jedenfalls nicht viel Ahnung. Ich wette, dass ihre Wäsche noch genauso schmutzig war wie zuvor, als sie das Waschhaus verließ.“
Éowyn hörte interessiert zu. Das hatte sie fast erwartet: es war also keine Frau aus diesen niederen Kreisen. Vermutlich war es eine Dame, die noch nie zuvor Wäsche gewaschen hatte.


Faramir währenddessen machte sich große Sorgen. Seine Zukunft mit Éowyn schien dahin zu sein, noch ehe sie begonnen hatte. Er schlenderte mit bekümmerter Miene durch die Gärten, wo gerade die ersten Rosen blühten, doch er konnte sich nicht an der Pracht der edlen Blumen freuen. Wenn Éowyn tatsächlich Gondor den Rücken kehren wollte – was ja mehr als verständlich war nach diesen Vorfällen - , konnte er sie nicht daran hindern. Dabei liebte er sie so sehr. Er durfte sie dann nicht einmal begleiten, denn er war der Truchseß von Gondor und zukünftige Fürst von Ithilien: er durfte sein Volk nicht verlassen, auch für seine Liebe nicht.
Stöhnend setzte sich Faramir auf eine der zahlreichen Bänke und ließ seinen Tränen freien Lauf.


Areanor war zufrieden mit ihrem Werk: sie hatte ihren Vater, und vor allem sich gerächt. Faramir und Éowyn würden niemals glücklich in Ithilien werden. Sie hoffte, dass die Schildmaid nach diesen Gerüchten Gondor den Rücken kehren würde. Areanor wusste, dass Faramir bleiben musste, denn er war die rechte Hand des Königs.
Wenn Gras über die Sache gewachsen war, gab es vielleicht die Möglichkeit, Faramir schöne Augen zu machen, und er würde sich womöglich ihrer erinnern und ihr den Hof machen.
Pelendir war währenddessen nach Ithilien aufgebrochen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Heim wieder aufzubauen. Er hatte einen Zimmerermeister aus der Stadt mitgenommen und würde erst gegen Abend zurückkommen. Areanor beschloß, ein wenig auf den Markt zu gehen und dort Obst zu kaufen, denn es gelüstete sie nach frischen Früchten. Sie nahm ein wenig Geld aus der Börse ihres Vaters und verließ mit ihrem Korb das Haus Belecthors. Fröhlich vor sich hinsummend ging sie Richtung Markt, der im fünften Festungsring lag.

Éowyn und Eadwen hatten gerade das Waschhaus wieder verlassen und sie gingen langsam Richtung Zitadelle zurück. Sie hatten leider diese Frau, welche die Gerüchte verbreitet hatte, im Waschhaus nicht angetroffen. Aber das war fast zu erwarten gewesen: jemand, der so etwas tat, ließ sich normalerweise nicht mehr dort blicken.
Die beiden Frauen durchquerten den Markt und plötzlich blieb Eadwen stehen.
„Das ist sie!“ flüsterte sie Éowyn aufgeregt zu und wies unauffällig auf Areanor. „Sie hat jetzt zwar ein Edeldamenkleid an, aber ich erkenne ihr Gesicht.“
„Kannst du das beschwören?“ fragte Éowyn leise.
„Ja, das ist sie. Ich schwöre es!“ beteuerte Eadwen und nickte heftig.
Areanor hatte gerade einige Kornäpfel erstanden und legte sie lächelnd in ihren Korb. Als sie sich herumdrehte, erstarrte ihr Lächeln, denn sie sah sich zwei graugekleideten Mägden gegenüber. Die Eine erkannte Areanor sofort vom Tag zuvor. Doch sie beschloß, sich zusammenzureißen und sich nichts anmerken zu lassen.

„Geht mir aus dem Weg, Mägde“, machte sie herablassend.
Doch die Beiden machten keine Anstalten dazu.
„Wie ist Euer Name?“ fragte Éowyn finster. „Wer seid Ihr überhaupt?“
„Laßt mich durch!“ zischte Areanor böse und ballte die Fäuste.
Jetzt zog Éowyn ihr Tuch vom Kopf und eine Flut blonder Haare fiel über ihre Schultern herab. Areanor erschrak und wich zurück. Jetzt erkannte sie Éowyn. Sie wusste, dass die Schildmaid den Hexenkönig besiegt hatte und sie würde wohl auch nicht davor zurückschrecken, ihr etwas anzutun.
„Hilfe!“ kreischte sie plötzlich auf. „Sie wollen mich umbringen!“
Zwei Soldaten in Rüstung, die in der Nähe herumlungerten, kamen herbeigeeilt. Sie sahen eine Dame in einem edlen Kleid, die sich offenbar von zwei Mägden bedroht fühlte.

„Haltet sie mir vom Leib!“ rief sie den Soldaten zu und deutete auf Éowyn und Eadwen.
„Das ist eine Unverschämtheit!“ schrie die Schildmaid wütend zurück. „Ich bin die Herrin Rohans.“
„Ich sehe hier nur eine Magd, die zufällig blonde Haare hat“, meinte einer der Soldaten spöttisch. „Ihr werdet jetzt mitkommen zur Zitadelle.“
„Laßt mich los!“ rief Éowyn zornig.
Eadwen nutzte die Gelegenheit und lief davon. Sie wollte Hilfe holen. Währenddessen führten die zwei Soldaten Éowyn ab.
„Wir sprechen uns noch!“ rief die Schildmaid Areanor entrüstet zu.
Diese sah zu, dass sie wieder ins Haus von Belecthor zurückkam.

Faramir war auf dem Weg von Gärten in die Zitadelle, als Eadwen völlig aufgelöst auf ihn zugerannt kam.
„Herr Faramir, die Soldaten haben Frau Éowyn gefangengenommen. Ihr müsst helfen!“
Der Truchseß nickte und folgte der jungen Magd auf die Straße, die nach unten in den fünften Ring der Stadt führte. Es dauerte nicht lange und sie begegneten den zwei Soldaten, die Éowyn mit sich führten.
„Faramir!“ rief die Schildmaid kläglich und hob ihre gefesselten Hände.
Wütend schritt der Truchseß auf die zwei Soldaten zu.
„Was fällt Euch an, die Herrin Rohans gefangenzunehmen! Seid Ihr toll geworden?“
„Verzeihung, Herr Faramir“, lispelte der eine Soldat betreten. „Aber eine Edeldame rief uns zur Hilfe. Sie fühlte sich bedrängt von zwei Frauen in Magdtracht.“
„Das wird Folgen haben!“ drohte Faramir außer sich.

Er nahm Éowyn die Fesseln ab und sie fiel ihm erleichtert in die Arme.
„Wir hatten diese Frau gefunden, welche die Gerüchte verbreitete“, erzählte sie Faramir aufgeregt. „Dann rief sie Soldaten zur Hilfe.“
„Wie sah diese Frau aus“, fragte Faramir, der bereits einen schlimmen Verdacht hatte. „Ihre Haare waren nicht besonders lang“, überlegte Éowyn stirnerunzelnd. „Sie reichten nur ein wenig über die Schultern.“
„Dann ist sie es“, murmelte der Truchseß kopfschüttelnd. „Areanor! Wir werden sie jetzt entlarven.“
Er nahm Éowyn an der Hand und in Begleitung der beiden Soldaten ließen sie sich das Haus von Belecthor zeigen, welches ganz in der Nähe lag.
Belecthor persönlich öffnet ihnen. Als er den jungen Truchseß mit bewaffneten Männern sah, erschrak er.

„Hat jemand von uns etwas getan?“ fragte er mit belegter Stimme.
„Bringt uns bitte Frau Areanor herbei“, forderte Faramir ernst.
Belecthors Frau, die mitgehört hatte, lief sofort die Treppe hinauf und zerrte das Mädchen aus ihrer Kammer. Telperien hatte sowieso längst die Nase voll von diesen zwei dreisten Gästen in ihrem Haus. Besonders das hochmütige Mädchen konnte sie nicht leiden. Areanor hatte noch nie einen Finger krumm im Haushalt gemacht, und doch hatte sie sich immer gerne zu den Mahlzeiten an den Tisch gesetzt. Telperien schob die junge Frau durch den schmalen, dunklen Korridor des Hauses auf die offene Tür zu. Éowyn reckte ihren Kopf, um sie zu betrachten.
„Faramir, das ist die Frau von vorhin!“ sagte sie sofort.
„Ich habe es geahnt“, murmelte Faramir erschüttert. „Areanor, wie konntet Ihr nur? Was, bei den Valar, geht in Euerem Kopfe vor?“
Areanor fing an bitterlich zu weinen. Jetzt war alles aus!

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