Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

In Minas Tirith

Auf dem Weg in die Weiße Stadt unterhielt sich Faramir lange mit Pelendir, während Areanor verlegen hinter ihnen dreinschlich. Die Ehefrau des Edelmannes war schon vor langer Zeit verstorben und Areanor war sein einziges Kind. Sie hatten bis vor kurzem glücklich in ihrem kleinen Landgut in Ithilien gelebt.

„Ithilien ist der Garten Gondors, Faramir“, sagte Pelendir leise. „Ihr wisst vielleicht genauso gut wie ich, was für ein herrlicher Flecken Land das ist. Tag für Tag fällt mein Blick auf das leerstehende Fürstenhaus in den Emyn Arnen. Es ist an der Zeit, dass dieses Land wieder einen Fürsten bekommt.“
Faramir nickte zustimmend. Auch er hing sehr an Ithilien.

„Ich möchte mit Euerem Vater sprechen“, fuhr Pelendir fort. „Er muß einsehen, dass Ithilien besser geschützt werden muß. Die Menschen müssen wieder zurückkehren, damit dieses Land wieder das wird, was es einmal war.“
Der junge Heermeister lächelte traurig: er wusste genau, was sein Vater darauf antworten würde. Auf Ithilien legte Denethor keinen Wert. Ihm war es wichtiger, Anórien, den Getreidespeicher Gondors, zu schützen, und den Süden mit seinen wichtigen Handelsstädten Pelargir und Dol Amroth.

Nach zwei Tagen Wanderung durch die Wildnis erreichte die kleine Schar Osgiliath, die Ruinenstadt am Anduin. Die Soldatenbesatzung grüßte die Waldläufer und Ancir, der Hauptmann der Garnison, wollte unbedingt mit Faramir reden.
„Was gibt es Neues in Ithilien?“ fragte er eifrig.
Der junge Heermeister winkte  bedrückt ab.
„Es wird immer schlimmer. Ich brauche unbedingt mehr Männer. So kann es dort nicht weitergehen. Die Haradrim dringen jetzt schon bis nach Emyn Arnen vor.“
Ancir erschrak, als er das hörte. Das klang wirklich nicht gut. Er lief noch ein Stück neben Faramir her, bis die Schar die letzten Häuser erreicht hatte. Dann verabschiedete sich der Hauptmann wieder und ging auf seinen Posten.
Als Faramir und seine Leute Osgiliath verließen, hatten sie endlich freie Sicht auf Minas Tirith. Der junge Heermeister freute sich, als er seine geliebte Weiße Stadt wieder erblickte. Doch das bevorstehende Gespräch mit seinem Vater würde sicher nicht einfach werden.


Denethor war tatsächlich sehr ungehalten, als ihm ein reitender Bote meldete, Faramir sei mit seiner Schar in die Stadt zurückgekehrt. Wütend verließ er seine Schreibstube und ging mit hochrotem Gesicht in den Thronsaal hinüber. Er hatte Faramirs Rückkehr schließlich nicht befohlen. Hoffentlich hatte sein Zweitgeborener eine guten Grund, um in die Stadt zu kommen. Von Minute zu Minute wuchs sein Groll gegen Faramir, während er auf ihn wartete.

Faramir nahm Pelendir und seine Tochter mit in die Zitadelle. Der Edelmann aus Ithilien sollte das Recht haben, seine Nöte selbst  vor dem Truchseß vortragen zu dürfen. Dieser Meinung war jedenfalls der junge Heermeister. Doch er hätte besser mit der Sturheit seines Vaters rechnen sollen.

Der junge Mann versuchte, Haltung zu bewahren, als er in den Thronsaal eintrat. Die Steinstatuen blickten kalt und gleichgültig in die Halle hinab, als die Schritte der Ankömmlinge dort von den Wänden widerhallten. Areanor duckte sich fast vor lauter Ehrfurcht, denn sie war noch nie an diesem geschichtsträchtigen Ort gewesen.  Es war lange her, seit der letzte König Gondors von hier aus sein Volk regiert hatte.

Denethor saß aufrecht auf dem dunklen Stuhl unterhalb des Thrones und betrachtete seinen Sohn mit griesgrämigem Blick.
„Ich habe dir nicht befohlen, in die Stadt zurückzukehren, junger Heermeister Gondors“, sagte er finster.
Faramir schluckte, bevor er sprach: wieder einmal gelang es seinem Vater, ihm Furcht einzuflößen.
„Nein, das hast du nicht“, antwortete der junge Mann mit ruhiger Stimme. „Allerdings haben die Umstände eine sofortige Rückkehr geboten.“

Faramir drehte sich um und winkte Pelendir und dessen Tochter heran.
Der Truchseß betrachtete den Edelmann aus Ithilien verächtlich. Er empfand Pelendir als einen lästigen und unangenehm auffallenden Mann, da ihm dieser schon öfters bei den Ratsversammlungen widersprochen hatte.
„Ich nehme an, Pelendir will etwas vortragen“, meinte Denethor spöttisch lächelnd. „Aber erst möchte ich den Bericht meines Sohnes hören.“
Faramir versuchte sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Er fragte sich, wie es sein Vater immer wieder schaffte, ihm das Wasser abzugraben. Denethors graugrüne Augen schienen sich regelrecht in seinen Kopf zu bohren und seinen Geist zu erforschen.  Faramir versuchte, seine Gedanken wieder zu sammeln und sich auf das zu konzentrieren, was er seinem Vater erklären wollte.

„Mein Herr, Gondor befindet sich in äußerster Gefahr“, sagte Faramir schließlich mit belegter Stimme. „Pelendir wurde in der Nähe seines Anwesens, welches sich unterhalb der Emyn Arnen befindet, von den Haradrim überfallen und gefangengenommen. Wie du weißt, befinden sich die Emyn Arnen dicht am Anduin. Es fehlt nicht mehr viel, und die Haradrim werden über den Fluß setzen. Du weißt, was das bedeutet.“
Denethor lachte jetzt ärgerlich auf.
„Hältst du mich für so töricht, Heermeister? Die westlichen Ufer des Anduin sind gut bewacht. Kein Südländer wird es wagen, den Großen Strom zu überschreiten.“

„Dieses Gefühl habe ich allerdings nicht“, warf jetzt Pelendir mutig ein. „Ich war unten am Fluß, als mich die Haradrim überfielen und gefangennahmen. Ich sah weit und breit keinen Soldaten am anderen Ufer des Flusses, der mir zur Hilfe hätte kommen können. Wäre der Strom an dieser Stelle nicht so reißend, hätten die Haradrim mit Leichtigkeit längst in Gondor eindringen können. Wo sind Euere Soldaten, Truchseß?“
Das Gesicht Denethors verzerrte sich jetzt vor Wut. Er warf seinen Truchsessstab zu Boden und sprang auf, wie von der Tarantel gestochen.
„Ich habe Euch nicht um Euere Meinung gebeten, Herr Pelendir. Ich unterhielt mich mit meinem Sohn und nicht mit Euch! Noch so eine Unterbrechung, und ich lasse Euch und Eure Tochter aus der Stadt werfen.“

Pelendirs Gesicht wurde weiß vor Zorn, aber er wusste sich zu beherrschen. Denethor wandte sich jetzt wieder an Faramir.
„Um mir das zu sagen, hättest du auch einen Boten schicken können. Wie töricht, ausgerechnet jetzt Henneth Annûn zu verlassen. Ich wünschte, dein Bruder wäre hier. Er würde diesem niederen Landadel auf seine Weise ‚helfen’.“
Pelendir überhörte den Spott in Denethors Stimme nicht. Er fühlte sich gekränkt wie nie zuvor, außerdem ärgerte er sich über Faramir, der offensichtlich nichts gegen seinen Vater ausrichten konnte.
„Wir brauchen mehr Soldaten in Ithilien“, bat Faramir seinen Vater.
Jedoch klang diese Bitte in Pelendirs Ohren kläglich, zumal sie Denethor mit hämischen Gelächter quittierte.

Der Edelmann zog jetzt die Konsequenzen aus dieser Szene: er nahm seine Tochter an der Hand und verließ mit ihr unaufgefordert den Thronsaal.
„Wer hat Euch erlaubt, zu gehen?“ schrie ihm Denethor aufgebracht hinterher.
Pelendir erwiderte nichts, sondern schob einen Flügel der großen Tür auf. Er hörte noch, wie Faramir etwas Beschwichtigendes zu seinem Vater sagte, was dieser mit einem lauten Brüllen erwiderte.

Areanor sah ihren Vater ängstlich an. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte.
„Was für eine erbärmliche Familie“, sagte Pelendir kopfschüttelnd. „Es ist nicht zu glauben, dass Gondor von solch niederen Menschen regiert wird. Ich möchte nur wissen, was der arme Herr Faramir seinem Vater getan hat, dass dieser ihn so übel behandelt. Hilfe können wir von dem jungen Heermeister nicht erwarten, und erst recht nicht von seinem stolzen, eingebildeten Bruder Boromir.“
Er spuckte den Namen des Truchsesserben regelrecht aus.

„Was sollen wir jetzt tun?“ fragte das junge Mädchen bedrückt. „Minas Tirith wird uns nicht helfen.“
„Ich kenne einige wackere Leute, die aus Ithilien hierhergeflüchtet sind“, erklärte der Edelmann ruhig. „Ich werde sie fragen, ob sie uns unterstützen, damit wir unser schönes, kleines Land retten können.“
Areanor lächelte, als sie das hörte. Das hörte sich recht zuversichtlich an. Ihr Vater war ein guter Redner. Er würde es schaffen, diese Leute für seine Zwecke zu motivieren.

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