Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Ithilien und Osgiliath

Es dauerte keine zwei Tage, dann wurde Faramir mit seinen Mannen erneut nach Ithilien geschickt. Eine kleine Besatzung war eh in Henneth Annûn geblieben, allerdings hatte der Heermeister nicht damit gerechnet, sofort wieder dorthin gesendet zu werden. So gerne er dieses Land auch hatte, aber Henneth Annûn war dort wirklich nicht angenehmste Aufenthaltsort. Ihm graute fast vor der kalten, dunklen Höhle, welche die einzige Zuflucht für die Waldläufer in dem grünen Land war.

Damrod und Mablung merkten, ebenso wie die anderen Männer, dass Faramir ziemlich schwermütig war. Es war kein Geheimnis in Minas Tirith, dass der Truchseß seinem zweitgeborenen Sohn ziemlich zusetzte. Die meisten Leute schüttelten darüber den Kopf, denn Faramir war das beliebteste Mitglied der Truchseß-Familie, weil er ein freundliches und sanftmütiges Wesen hatte.

Der Weg nach Henneth Annûn wurde von Dauerregen begleitet. Als die Waldläufer endlich ihre geheime Festung hinter dem Wasserfall erreichten, waren sie nicht nur müde, sondern auch noch naß und schmutzig von den schlammigen, aufgeweichten Waldwegen. Faramir zog sich still in die Felsenkammer zurück. Er zog seine Kleider aus und legte sich betrübt in das unbequeme Feldbett, das dort aufgestellt war. In der Nacht hatte er wirre Träume. Von einem zerborstenen Schwert und von einem Halbling träumte er. Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich wie zerschlagen. Müde fuhr er durch sein rotgelocktes Haar und setzte sich auf. Damrod schlug den Vorhang von Faramirs Felsenkammer zurück.

„Ich bringe Euch ein Frühstück, Heermeister“, sagte er höflich.
Faramir blickte mit einem traurigen Lächeln auf das Honigbrot und die Milch. In wenigen Tagen würde die frische Milch in Henneth Annûn weggetrunken sein und dann gab es wieder Wasser zum Frühstück. Er bedankte sich bei Damrod und machte sich hungrig über das Essen her. Als er etwas zu sich genommen hatte, fühlte er sich besser. Er zog seine getrockneten Kleider an und ging hinaus in die große Höhle, wo seine Männer lagerten.
„Was gibt es Neues?“ fragte Faramir seinen Unterhauptmann Madril.
„Die Kundschafter werden jeden Augenblick zurückkehren“, meinte der grauhaarige Recke ernst. „Aber ich fürchte, sie werden keine guten Nachrichten bringen.“
Faramir runzelte die Stirn. Madril wusste anscheinend mehr, als er zugeben wollte.

Doch bevor er weiterfragen konnte, kamen die beiden Kundschafter in die Höhle zurück. Sie waren ziemlich aufgeregt und liefen sofort zu Faramir hin.
„Heermeister, unten im Tal wimmelt es von Haradrim und Orks!“ rief Anborn außer sich. „Falls wir jetzt zurück nach Minas Tirith wollten, ginge das gar nicht. Der Rückweg wäre uns vollkommen abgeschnitten.“
Faramir schluckte, als er das hörte. Er fragte sich, ob Mordor nun seine Schleußen vollkommen geöffnet hatte. War dieser gefürchtete Tag gekommen? Begann  der große Krieg gegen Gondor, den man schon seit Jahren fürchtete? Was hatte Sauron wieder so stark gemacht? Der junge Heermeister hatte die Gerüchte gehört, dass der Eine Ring angeblich wieder gefunden worden war. Doch niemand konnte sagen, wo er sich genau befand. Man konnte nur hoffen, dass er sich in der Hand eines Verbündeten befand.

*

Pelendir wusste genau, wohin er seine Schritte lenken mußte. Seine Tochter hatte er im Gasthof „Zum Wilden Eber“ zurückgelassen, in welchem er sich mit ihr einquartiert hatte. Im dritten Ring wohnten viele Familien, deren Heimat einst Ithilien gewesen war. Der Edelmann ging von Haus zu Haus und trug sein Problem vor: da er nicht nur ein überzeugender Redner war, sondern auch ein beliebter Herrscher in Ithilien, gelang es ihm bald eine Schar tüchtiger Männer um sich zu versammeln.
Am Abend des gleichen Tages suchte Pelendir mit seiner Tochter das große Haus des Hufschmiedes Dagnir auf, welches sich ebenfalls im dritten Festungsring befand. Dort trafen sich alle Männer, die den Edelmann unterstützen wollten. Areanor bemerkte sehr erstaunt, dass es an die fünfzig Leute waren. Pelendir trat vor diese Menschen hin und hielt eine leidenschaftliche Rede über die Schönheit Ithiliens, die vom Truchseß mit Füßen getreten wurde, da dieser fast keine Männer dorthin sandte, um Mordors Brut zu vertreiben.

„Begleitet mich auf mein Landgut Findáráto und helft mir, wenigstens den südlichen Teil Ithiliens vor den Haradrim zu verteidigen“,  beschwor er die Männer. „Ich werde Euch reich entlohnen, wenn dies alles vorbei ist, denn dann muß mich Denethor endlich zum Fürsten von Ithilien machen. Ich habe ein Anrecht auf dieses Erbe, da ich die gleichen Ahnen wie die Truchsessen habe.“
Die Männer sagten begeistert zu, denn Pelendirs Rede war sehr mitreißend gewesen. Nun war es an der Zeit, Waffen für alle zu besorgen. Natürlich hatte der Edelmann kein Geld bei sich gehabt, weil das ihm die Haradrim geraubt hatten. Allerdings hatte er einen Großteil seines Goldes in Minas Tirith gelagert, weil es dort sicherer war als auf dem Landgut. Es gab in der Weißen Stadt ein gut bewachtes Haus, in welchem die reichen Leute ihr Geld versteckten, denn selbst in Minas Tirith gab es Diebe, Einbrecher und dergleichen. Und in den letzten Jahren hatten sich die Straftaten in der Weißen Stadt drastisch angehäuft.

Pelendir suchte also dieses Haus am nächsten Morgen auf. Es lag im sechsten Festungsring und wurde von fünf schwer bewaffneten Soldaten bewacht. Die Männer erkannten Pelendir und gaben sofort den Eingang frei. Pelendir nickte ihnen zu und ging in das Haus. Dort bekam er vom Verwalter des Geldes soviel, wie er brauchte. Anschließend begab er sich zurück in Dagnirs Haus.
Nur wenige Stunden später verließen Pelendir, Areanor und die fünfzig Männer die Weiße Stadt. Natürlich führte dies zu seltsamen Gerüchten in der Stadt, aber wirklich einen Reim konnte sich niemand darauf machen.

*

Es gab nur eine Möglichkeit für die Waldläufer: sie mussten in Henneth Annûn ausharren, bis die Orks die Wege wieder freigaben. Faramir hoffte, dass dies nicht zu lange dauern würde. Die Vorräte würden noch ein bis zwei Wochen reichen, aber nicht viel länger. Dann war man gezwungen, in der Wildnis frisches Wild zu jagen oder  Fische in den Gewässern Ithiliens zu fangen.
„Wir bleiben hier“, verkündete Faramir seinen Männern mit erhobener Stimme. „Niemand verlässt die Höhle bis auf Mablung und Tarcil, unsere besten Späher.“

Die Waldläufer fügten sich alle bereitwillig. Sie durften tun und lassen, was sie wollten, aber sie mussten an diesem dunklen Ort bleiben. Faramir wies Madril an, ihn sofort zu benachrichten, falls es Neuigkeiten gab und ging zurück in seine Felsenkammer. Dort brannte eine kleine Öllampe. Der junge Heermeister wusste, dass er sparsam mit dem Licht umgehen mußte, denn das Öl reichte nicht ewig. Trotzdem wollte er jetzt ein wenig lesen, um sich abzulenken. Nach einigen Stunden fielen ihm die Augen zu und er schlief ein. Irgendwann rüttelte ihn jemand wach, gerade als er wieder jenen seltsamen Traum von diesem Schwert und dem Halbling träumte. Es war Madril.

„Heermeister Faramir, die Orks und die Haradrim sind weitergezogen“, sagte er leise zu ihm.
Faramir setzte sich mit einem Schwung auf.
„Ist das wahr? Sie sind weg?“ fragte er erstaunt.
Madril nickte.
„Mablung und Tarcil haben es mit eigenen Augen gesehen. Die Feinde sind Richtung Osgiliath gezogen. Ich vermute, dass sie versuchen werden, die Stadt zu erobern.“
Faramir wurde blaß, als er das hörte.
„Wir müssen sofort aufbrechen. Die Besatzung in Osgiliath braucht Hilfe. Ich wünschte, mein Bruder wäre wieder aus Anórien zurück. Dann könnte es uns gelingen, die Orks zu schlagen.“
Die Waldläufer brachen am späten Nachmittag auf. Es ging Richtung Südwesten, nach Osgiliath.

*

Denethor vernahm hocherfreut, dass sein erstgeborener Sohn und Erbe erfolgreich aus Anórien zurückgekehrt war. Mit einem breiten Lächeln umarmte er Boromir, den hochgewachsenen rotblonden Recken. Er war so stolz auf ihn, dass er es gar nicht mit Worten ausdrücken konnte.
Doch Boromir konnte sich nicht so recht freuen.
„Wir vermuten, dass Mordor irgendetwas neues ausheckt. Zum Schluß war es fast zu einfach, die Orks aus Anórien zu vertreiben. Sie schienen ihren Abzug geplant zu haben.“
„Unsinn!“ rief Denethor lachend aus. „Du untertreibst wieder einmal. Es ist deine Kampfeskunst, welche die Orks fürchten. Du bist berühmt-berüchtigt. Selbst in Mordor wird man deinen Namen bereits kennen und fürchten. Boromir, Denethors Sohn, der furchtlose Ober-Heermeister von Gondor!“
Boromir freute sich zwar über das Lob seines Vaters, doch manches Mal war es ihm einfach zu viel, denn Faramir bekam nie ein freundliches Wort zu hören.
„Wo steckt eigentlich mein Bruder?“ fragte jetzt der junge Mann. „Doch hoffentlich nicht in Henneth Annûn?“

Denethors Gesicht verdüsterte sich und er verschränkte seine Arme hinter dem Rücken.
„Dein Bruder versteht es, mich stets aufs Neue zu enttäuschen“, begann er finster. „Vor einigen Tagen war er hier und brachte diesen Pelendir aus Ithilien mit. Du weißt schon, wer das ist: Pelendir behauptet, aus unserem Hause abzustammen und beansprucht Ithilien als Fürstentum.“
„So ein Schwachsinn!“ platzte es aus Boromir heraus. „Sein Anspruch ist nicht bewiesen, und selbst wenn: nur der Truchseß von Gondor kann Fürst von Ithilien sein.“
„Jedenfalls brachte dieser Pelendir einige Unruhe in die Stadt“, fuhr Denethor grimmig fort. „Man muß fast befürchten, dass er einen Aufruhr in Ithilien veranstaltet. Und all das haben wir deinem törichten Bruder zu verdanken, der Pelendir aus den Händen der Haradrim befreite.“
Boromirs Augen leuchteten auf, als er das hörte.
„Faramir hat ihn befreit? Ich wusste, dass er ein Held ist.“
„Pah, Held!“ blaffte Denethor erzürnt und machte eine verächtliche Handbewegung. „Für solche Dummheiten verschwendet er seine Zeit, doch jetzt ist er wieder in Ithilien und er soll dort bleiben.“

Boromir wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment kam ein Eilbote in den Thronsaal gelaufen.
„Ihr hohen Herren Gondors!“ rief er abgehetzt aus. „Es ist etwas schreckliches geschehen. Eine Armee Orks und Haradrim versucht, Osgiliath zu erobern.“
„Faramir hat schon wieder versagt“, zischte Denethor seinem Sohn wütend zu. „Er ist dazu da, um so etwas zu verhindern.“
„Vater, wie soll er mit seiner kleinen Schar eine Armee aufhalten?“ meinte Boromir kopfschüttelnd. „Doch jetzt ist Eile geboten.“
Im Nu stellte der Ober-Heermeister eine Reiterei auf, die nach Osgiliath ziehen sollte, um der Besatzung dort zu helfen.

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