Arda Fanfiction

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Die Chroniken von Ithilien

von Celebne

Faramirs Chance

Die Waldläufer hatten leichtes Spiel mit den Haradrim. Ihr Angriff kam so unerwartet, dass viele Südländer bereits beim ersten Pfeilhagel fielen. Faramir verließ seinen Platz im Gebüsch, um zu seinen Kameraden zu eilen. Plötzlich sah er auf einem Hügel in der Nähe zwei kleine Gestalten, die den Kampf neugierig beobachteten. Ein Mumak mit einem Reiter hielt auf den Hügel zu. Faramir rettete die zwei Fremden mit einem gezielten Schuß auf den Reiter. Dieser stürzte kopfüber, dicht vor den seltsamen Leuten auf den Boden.

Der junge Heermeister gab seinen Leuten durch einen nachgeahmten Vogelruf ein Zeichen. Alle eilten zum Hügel hinüber und schon bald hatten sie die beiden vermeintlichen Orkspitzel umzingelt. Der Eine von ihnen zog sein Schwert und wollte die Waldläufer angreifen, doch Anborn warf ihn unsanft zu Boden. Faramir befragte sodann diese merkwürdigen Halblinge, was sie hier in diesem Land taten und er erhielt nur unbefriedigende Antworten. Also beschloß er die Beiden mit nach Henneth Annûn zu nehmen. Den Halblingen wurden die Augen zugebunden und sie wurden mitgeführt.

„Herr Faramir, da war noch ein Dritter“, raunte Mablung dem Heermeister zu. „Aber wir konnten ihn nicht erwischen. Er sah etwas anders aus. Recht hässlich und war nur mit einem Lendenschurz bekleidet.“
Faramir nickte nachdenklich.
„Ich schätze, ich muß diese Gefangenen erst einmal verhören.“

Spät in der Nacht erreichte Faramirs Schar die geheime Felsenfestung. Dort wartete bereits Madril auf den jungen Heermeister. Er hatte eine traurige Nachricht für ihn.
„Unten am Flussufer wurden die Stücke von Boromirs Horn gefunden“, sagte er leise und überreichte Faramir das zerborstene Horn in dessen kleiner Felsenkammer.
Entsetzt starrte der junge Mann auf die Stücke.
„Dann habe ich also keinen Unsinn geträumt“, sagte er mit brüchiger Stimme. „Boromir ist tot.“
Tränen traten in seine Augen. Madril versuchte verzweifelte seinen Herrn zu trösten.

„Es gibt noch Hoffnung“, meinte er mit einem verzerrten Grinsen. „Man hat Boromir selbst nicht gefunden. Sicher hat er das Horn verloren.“
„In meinem Herzen weiß ich, dass er tot ist“, murmelte Faramir und wischte sich die Tränen von den bärtigen Wangen.
Mablung und Damrod kamen jetzt in die kleine Felsenkammer ihres Heermeister.
„Was sollen wir mit diesen Halblingen machen?“ wollten sie wissen.
„Ich werde sie jetzt befragen“, sagte Faramir tapfer und ging nach vorne in die Haupthöhle.

*

Der erste Angriff der Haradrim auf das Landgut Findáráto erfolgte kurz nach der empfindlichen Niederlage, die sie durch Faramirs Waldläufer im Norden Ithilien erlitten hatten. Für Pelendir und seine Leute kam die Attacke jedoch nicht unerwartet. Seine Späher, ehemalige Waldläufer, die Denethor in den Ruhestand geschickt hatte, da er der Meinung war, sie würden nichts mehr taugen, berichteten dem Edelmann von den Kampf im Norden und dass die Haradrim sich zurück in den Süden zogen. Pelendir war sehr verärgert über Faramir, weil dieser – seiner Ansicht nach – nur halbe Arbeit geleistet hatte. Doch wusste der Edelmann nicht, dass die Schar des jungen Heermeisters im Kampf um Osgiliath empfindlich dezimiert worden war.

Aber nun galt es, die Haradrim in die Flucht zu schlagen. Pelendir war kein Feldherr, deswegen übertrug er Belecthor, einem der beiden Waldläufer in seiner Truppe, das Kommando über die Truppe. Die etwa fünfzig Männer verschanzten sich hinter dem Wall, den sie errichtet hatten. Als die Haradrim nah genug heran waren, ließ Belecthor einen Pfeilhagel auf sie schießen.  Die Südländer hatten nicht mit Gegenwehr in dieser Region Ithiliens gerechnet und zogen sich rasch zurück. Die Männer Pelendirs jubelten natürlich über diesen raschen Sieg. Doch der Edelmann aus Ithilien konnte nicht mitjubeln.

„Das war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns noch erwarten wird“, warnte er seine Männer. „Für eine Siegesfeier ist es noch lange nicht an der Zeit. Wir müssen ab jetzt besonders auf der Hut sein, denn nun weiß der Feind, dass es auch in dieser Gegend noch Widerstand gibt.“

*

Faramir war mit dem Verhör der Hobbits nicht zufrieden. Die beiden merkwürdigen Halblinge hatten sich seiner Ansicht nach in Lügen verstrickt. Sie verbargen irgendetwas vor ihm, das spürte er.  Doch es hatte keinen Zweck, die beiden erschöpften Wanderer weiter zu befragen. Er ließ ihnen die Fesseln abnehmen und sie mit Essen versorgen. Irgendwann legten sich die Hobbits hin zum Schlafen. Faramir beobachtete sie nachdenklich. Nein, wie richtige Orks sahen sie ganz und gar nicht aus. Doch er hatte keine Ahnung, ob dieses Auenland, wo sie herkamen, Gondor gut gesonnen war. In diesen Tagen mußte man genau aufpassen. Damrod kam leise in die Höhle und erzählte Faramir mit gedämpfter Stimme, dass man nun den dritten Wanderer gefunden hatte.

„Er fischt im Verbotenen Weiher?“ fragte der junge Heermeister fassungslos. „Dann ist er ganz in der Nähe und hat unser Versteck entdeckt.“
„Dafür wird er sterben“, versprach Damrod mit einem bösen Grinsen.
„Warte!“ gebot Faramir Einhalt. „Ich muß wissen, was diese Halblinge für ein Geheimnis vor mir verbergen. Vielleicht kann diese Kreatur uns helfen.“
„Aber, Herr!“ wandte Damrod entrüstet ein. „Wir können diesen glitschigen Kerl am Weiher unmöglich fangen. Er ist flink wie ein Fisch.“
„Dann muß mir  Frodo helfen“, beschloß Faramir und weckte den Hobbit.
Kurze Zeit darauf war das Wesen, welches Gollum hieß, gefangen. Der Heermeister schickte die Hobbits in den hinteren Teil der Höhle, damit sie sein Verhör nicht etwa störten. Währenddessen beschäftigten sich seine Männer mit Gollum. Die Kreatur biß und trat um sich. Die Waldläufer begannen daraufhin den Gefangenen zu verprügeln. Faramir ließ sie gewähren.

Normalerweise ließ er keine wehrlosen Feinde quälen, aber in diesem Fall spürte er, dass es sich bei Gollum um ein besonders bösartiges Wesen handelte. Als die Männer jedoch zu brutal wurden, gebot er ihnen Einhalt.
„Das ist genug!“
Er wandte sich nun persönlich Gollum zu, der jammernd und zitternd am Boden lag. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, die gepeinigte Kreatur zu verhören, denn Gollum führte Selbstgespräche, deren Inhalt recht verworren wirkte. Doch der scharfsinnige, junge Mann merkte rasch, dass die Hobbits anscheinend einen Gegenstand besaßen, den sie diesem hässlichen Wesen gestohlen zu haben schienen.

„Was haben sie dir gestohlen?“ hakte Faramir sofort nach, als Gollum wieder zu jammern begann.
„Meinen Schatzzzzz!“ zischte das Wesen wütend und drehte dabei seine froschartigen Glupschaugen heraus.

Faramir ging sofort zu den Hobbits. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Allmählich konnte er sich auf die ganze Sache einen Reim machen. Boromir war nach Bruchtal geschickt worden, um den Einen Ring zu beschaffen. Doch dann hatte er es sich dort dieser merkwürdigen Gemeinschaft angeschlossen. Das konnte nur Eines bedeuten: der sogenannte Schatz, den die Hobbits besaßen, war der Eine Ring! Und Faramir wusste auch, wer ihn hatte. Das konnte nur dieser Frodo sein. Sein einfältiger Diener führte bestimmt keinen Gegenstand von solch einem Wert mit sich. Faramir zog sein Schwert und ging auf Frodo zu. Mit der Schwertspitze angelte er den Ring aus dessen Gewand und sogleich spürte Faramir die Macht des Ringes.

Seltsame Gedanken jagten durch den Kopf des jungen Heermeisters und seine Augen begannen unruhig zu flackern. Er sah sich selbst als mächtigsten Herrn von Mittelerde und alle lagen ihm zu Füßen, sogar sein Vater hatte Angst vor ihm. Doch Faramir bezwang sich: nein, er würde den Ring nicht selbst nehmen. Er würde ihn seinem Vater bringen lassen. Auf diese Weise würde er endlich die Anerkennung bekommen, nach der er sich sein Leben lang sehnte.
„Heermeister Faramir, Osgiliath ist angegriffen worden“, raunte ihm Damrod ins Ohr.
„Sie rufen nach Verstärkung.“
„Der Ring wird nach Gondor gehen“, erwiderte Faramir mit einem seltsamen Lächeln.

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