Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Eingreifen der Königin

Nimriel jedoch lächelte ihr geheimnisvolles Lächeln, welches Faramir so sehr an ihr mochte.
„Ich kann Euch gut verstehen, Herr Faramir“, sagte sie mit ihrer melodischen Stimme, die so sehr jener der Elben ähnelte, und ergriff die Hand des jungen Truchsesssen.

Faramir hielt fast die Luft an. Er spürte, dass diese junge Dame etwas für ihn empfand. War es tatsächlich nur Freundschaft oder mehr? Er selbst fühlte sich auch sehr zu ihr hingezogen. Fast schien es eine Art Seelenverwandtschaft zwischen ihnen zu sein. Sie war der einzige Mensch bis jetzt, welcher Verständnis für sein Verhalten gegenüber Éowyn gezeigt hatte. Aber verfolgte sie damit vielleicht eigene Zwecke? Wollte sie am Ende den Platz an Faramirs Seite einnehmen, falls Éowyn auf dem Feldzug etwas zustieß?

Für Faramir war das im Moment alles etwas viel: er streifte Nimriels Hand sanft ab und schenkte ihr ein trauriges Lächeln.
„Ich muß wieder weiterarbeiten, meine Dame“, sagte er leise. „Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, die Ihr mir schenktet.“
Er verbeugte sich kurz vor ihr und verließ dann den Garten.


Nimriel sah ihm nachdenklich hinterher. Sie hatte sich in Faramir verliebt. Schon als sie ihn zum ersten Mal an jenem Tag auf den Korridoren der Zitadelle erblickt hatte, hatte es sie wie ein Blitz durchzuckt. Diese wundervollen blauen Augen und die wohlgeformten Lippen hatten sie magisch angezogen. Seiner wohlklingenden, samtenen Stimme konnte sie stundenlang lauschen. Er war ein hochgewachsener, wohlgestalteter Mann und die rotblonde Lockenpracht machte ihn für sie, die sie ihr junges Leben lang fast nur dunkelhaarige Männer gesehen hatte, zu einem attraktiven Exoten.

Sehr schnell hatte sie erfahren, dass dieser Faramir leider bereits verheiratet war. Das hatte sie sehr geschmerzt. Aber ihr Herz hatte leise gejubelt, als sie mitbekommen hatte, dass zwischen dem Ehepaar nicht alles stimmte. Da sie als Dunedain-Nachfahrin eine besondere Wahrnehmungsfähigkeiten besaß, sah sie Faramir und Éowyn bei ihren offiziellen Auftritten an, dass beide nur schauspielerten. Sie sah keine Liebe mehr zwischen den beiden, und das stimmte sie froh.

Sie wusste, dass sich Faramir wohl niemals von Éowyn trennen würde. Aber er war einsam und er suchte die Nähe eines anderen Menschen, von anderen Frauen womöglich. Warum konnte sie nicht diese andere Frau sein? Ein Leben als Faramirs Konkubine würde ihr vollkommen genügen. Damit war sie zufrieden. Sollte er doch ruhig tagsüber Éowyns Gemahl spielen, wenn dafür die Nächte ihr und Faramir gehörten! Und vielleicht kehrte ja die Fürstin von Ithilien nicht mehr aus Harad zurück. Dann stand ihr der Weg offen, eines Tages die Frau an Faramirs Seite auch offiziell zu werden.


Halbarad beobachtete die Entwicklung zwischen Faramir und seiner Tochter mit Sorge. Auch er hatte längst gemerkt, dass Nimriel mehr als bloße Bewunderung für den jungen Truchseß hegte. Er hoffte, dass sich diese Schwärmerei wieder legte. Irgendwann würde ja wohl die Gemahlin Faramirs von dem Feldzug zurückkehren. Er selbst wollte so schnell wie möglich aus Gondor abreisen. Am liebsten hätte er auch seine Tochter unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand wieder mitgenommen, denn er sah das Unglück bereits nahen. Aber Nimriel würde tieftraurig sein, wenn er sie wieder in düsteren Norden, wo er ihr kein komfortables Leben bieten konnte, mitnehmen würde.

Bruchtal war seit dem Ende des Ringkrieges nicht mehr derselbe wunderbare Ort wie früher: nach der Vernichtung des Einen Ringes verloren auch die drei Elbenringe allmählich ihre Macht und alles Schöne in den elbischen Festungen Mittelerdes welkte dahin. In Bruchtal war der Herbst eingezogen und die meisten Bewohner von Imladris waren bereits auf dem Weg zu den Grauen Anfurten. Für eine junge, lebenslustige Frau wie Nimriel war dieser Ort des Vergehens keine Heimat mehr. Er hoffte, dass die Königin vielleicht irgendwann einschreiten würde, wenn Nimriel den Truchseß allzu sehr anhimmelte.

Und so reiste der alte Waldläufer am nächsten Morgen mit einer dunklen Ahnung aus Gondor ab. Er ermahnte seine Tochter ein letztes Mal zur Tugendhaftigkeit, nichtsahnend, dass er damit auf taube Ohren stieß, denn Nimriel verzehrte sich innerlich längst nach Faramir.




Etwa zur gleichen Zeit zog das Heer Gondors weiter gen Süden. Éowyn fühlte sich wie zerschlagen. Sie hatte eine unruhige Nacht in dem kleinen Zelt verbracht. Es herrschte Hochsommer und allerlei Getier kroch am Erdboden herum. Mitten in der Nacht war sie mit einer Heuschrecke auf der Nase erwacht und hatte laut aufgeschrieen. Sofort waren einige Soldaten zu ihrem Zelt gelaufen, um nachzusehen, was passiert war. Als sie aber die Heuschrecke entdeckten, die Éowyn mit angeekelter Miene hinausbeförderte, lachten sie alle lauthals.  Die Schildmaid war blamiert bis auf die Knochen. Sie hoffte, dass die Soldaten Aragorn davon nichts erzählten. Womöglich würde er sie sofort nach Hause schicken. Was für eine Schande wäre dies!

Bedrückt ritt sie hinter der Spitzengruppe des Heeres,  welche aus dem König und den Heerführern bestand. Elphir drehte sich öfters mit einem höhnischen Grinsen zu ihr um. Dieses Grinsen erinnerte sie an Faramirs Gehabe in der letzten Zeit und sie warf dem Prinzen aus Dol Amroth einen wütenden Blick zu.  

Aragorn ließ das Heer kurz vor dem kleinen Ort Thalath Taur anhalten. Neugierig kamen die Bewohner des kleinen Dorfes herbeigelaufen und brachten den Soldaten Kuchen und andere Süßigkeiten. Die Frauen von Thalath Taur waren überrascht, eine Schildmaid unter all den Kriegern zu sehen, und begafften sie neugierig. Während Éowyn ihren Kuchen verspeiste, lächelte sie die Frauen freundlich an.

Thalath Taur lag an einer Furt des Anduin. Hier überquerten an diesem Vormittag die Elben auf ihren Pferden den Fluß. Éowyn war erleichtert, als sie sah, dass Legolas und seine Leute ankamen. Die Elben trugen leichte Kettenhemden und waren ansonsten hauptsächlich mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Aragorn begrüßte seinen alten Waffengefährten aus dem Ringkrieg herzlich. Éowyn hoffte, dass Legolas auch sie bald erkennen und zu ihr hinüberreiten würde.
Es dauerte nicht lange und der Elb entdeckte sie. Éowyn konnte seinen erstaunten Gesichtsausdruck sehen und ihr Lächeln gefror. Natürlich – auch er war schließlich ein Mann und es würde ihm wahrscheinlich nicht behagen, dass sie bei diesem Feldzug mit dabei war.

„Seid gegrüßt, Frau Éowyn“, sagte Legolas freundlich zu ihr und hob die Hand. „Ich bin sehr überrascht, Euch hier zu sehen. Es ist unendlich großzügig von Euerem Gemahl, Euch zu erlauben, an einem Feldzug teilzunehmen.“
„Ja, das ist es“,erwiderte Éowyn und wurde rot, als sie an Faramirs wütende Reaktion dachte.
Legolas betrachtete sie nachdenklich und nickte ihr dann zu.  Er nahm seinen Platz hinter Aragorn ein und das Heer setzte sich dann wieder langsam in Bewegung, Richtung Süden.




Auch in Faramirs Gedanken spukte dieses junge Mädchen herum. Er wusste, dass er Nimriel nicht berühren durfte, denn sie war eine Hofdame der Königin. Außerdem gebot ihm seine Ehre, seiner Gemahlin treu zu bleiben. Und trotzdem war da diese lockende Versuchung.  Leise seufzend blickte er vom Arbeitszimmer des Königs aus in den Garten hinunter, wo Nimriel gerade weilte. Sie erblickte ihn und winkte ihm freudig lächelnd zu. Faramir wurde es ganz warm ums Herz. Ihm wurde langsam klar, dass Nimriel  tiefere Gefühle für ihn hegte, als er sich vorstellen konnte.

Rasch versuchte er seine Gedanken auf Éowyn zu lenken. Er machte sich natürlich Sorgen um sie. War sie glücklich auf diesem Feldzug oder hatte sie längst bereut, dabei zu sein?  Sein Blick wurde nachdenklich und er ging wieder zum Schreibpult des Königs zurück. Er wünschte sich plötzlich ganz fest, dass Éowyn so schnell wie möglich zurückkommen würde. Denn sonst würde vielleicht etwas passieren, was er später bereute.

Er versuchte sich in seine Arbeit zu vertiefen, doch stattdessen fand er sich in Tagträumen wieder. Er sah vor sich Nimriel mit ihren kirschroten, vollen Lippen und in einem durchsichtigen Kleid, wie sie ihn zu sich winkte.
Zum Glück klopfte es in diesem Moment an der Tür und erschrocken setzte sich Faramir aufrecht hin.
„Herein!“ krächzte er mit heiserer Stimme.
Es war die Königin, welche eintrat. Sie blickte Faramir ungewohnt ernst an.

„Ich muß Euch sprechen, Truchseß“, sagte sie ganz förmlich. „Es geht um meine Hofdame Nimriel, welche auch zugleich eine Verwandte meines Gemahls ist.“
Faramir versuchte möglichst unbefangen dreinzuschauen. Er ahnte bereits, auf was Arwen hinauswollte.
„Ja, bitte sprecht“, sagte er mit tonloser Stimme und bot der Königin Platz an.
Sie setzte sich mit einem leisen Seufzen und faltete ihre schönen Hände im Schoß.
„Ich fürchte, Nimriel hat sich in Euch verliebt, Faramir“, meinte sie bedrückt.
„Ach!“ machte Faramir mit scheinbarem Erstaunen, weil ihm nichts besseres einfiel.
Er ließ sich an dem Schreibpult nieder und fing an mit dem Pergament, welches darauf lag, herumzuspielen.

„Wir Elben verlieben uns nur ein einziges Mal in unserem Leben“, fuhr die Königin besorgt fort. „Die Dunedain sind uns Elben gar nicht so unähnlich. Den meisten von ihnen geht es ähnlich. Daher würde es mir für die junge Maid sehr leid tun, wenn sie ausgerechnet in Euch die Liebe ihres Lebens sehen würde.“
„Das wäre wirklich sehr tragisch“, erwiderte Faramir nachdenklich und fuhr sich über den Bart.
Arwen erhob sich jetzt wieder mit ernstem Gesicht.
„Ich hoffe, Ihr wisst, wie Ihr Euch verhalten müsst, Faramir“, sagte sie mit einem vielsagenden Blick. "Gebt Nimriel keinen Anlaß, ihre Schwärmerei für Euch mehr zu vertiefen."
„Äh...ja“, stammelte Faramir und geriet etwas aus der Fassung.
Er stand auf und geleitete die Königin wieder zur Tür. Arwen warf ihm einen wehmütigen Blick zu und verließ dann das Turmzimmer.

Faramir jedoch setzte sich verwirrt an sein Schreibpult. Auch er war von hoher numénorischer Abstammung. Einst hatte Gandalf ihm gesagt, dass in ihm fast rein das Blut Numénors fließen würde. Wie war es dann möglich, dass er gerade im Begriff war, sich zum zweiten Mal in seinem Leben in jemanden zu verlieben?

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