Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Spiel mit dem Feuer

Eine Woche verging in Minas Tirith ohne nennenswerte Ereignisse. Faramir hatte beschlossen, den Rat der Königin zu befolgen, und war Nimriel aus dem Weg gegangen. Sogar die Mahlzeiten hatte er nicht mehr gemeinsam mit Arwen und ihr im Thronsaal eingenommen, sondern hatte sie in seinen Gemächern servieren lassen. Er hoffte, dass Nimriel verstand, was er mit dieser Distanz bezweckte. Ihm fiel es mehr als schwer, Abstand zu der schönen Maid zu halten, und er mochte sich lieber nicht ausmalen, was sie davon hielt.

An einem lauen Spätsommerabend, als Faramir noch in der Schreibstube des Königs arbeitete, klopfte es energisch an die Tür. Der junge Truchseß, welcher den Anklopfer für einen Bediensteten hielt, bat ihn herein, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
„Herr Faramir, ich möchte mit Euch reden“, sagte eine melodische, weibliche Stimme, die Faramir sehr bekannt vorkam.
Er hob den Kopf und erblickte Nimriel, die mit empörtem Gesichtsausdruck vor ihm stand.
Sofort bekam er ein schlechtes Gewissen: natürlich, er hätte damit rechnen müssen, dass sie irgendwann wissen wollte, was los war. Vielleicht war er wieder einmal zu trampelhaft gewesen. Er fragte sich, ob er wohl jemals das Wesen der weiblichen Seele richtig verstehen würde.

„Es tut mir alles sehr leid, meine Dame“, sagte Faramir zerknirscht und legte die Feder endgültig nieder.
Er erhob sich jetzt und bot Nimriel auf einer gemütlichen Polsterbank Platz an. Die junge Frau folgte ihm bereitwillig und setzte sich. Faramir nahm neben ihr Platz, aber in gebührendem Abstand.
„Ich würde gerne erfahren, warum Ihr mir seit Tagen aus dem Weg geht“, fuhr Nimriel ungehalten fort. „Was habe ich Euch getan, Herr Faramir?“
Du hast mein Herz berührt, meine Schöne,  dachte der junge Truchseß verträumt, bevor er die Stimme erhob.
„Ihr habt mir gar nichts getan“, sagte Faramir mit sanfter Stimme und lächelte wehmütig. „Es ist nur.....“  - er begann verzweifelt nach Worten zu ringen – „Ich habe so wenig Zeit und so viel Arbeit.“
Nimriel hob ungläubig eine Augenbraue. Sie nahm ihm seine Ausrede nicht ab: sie wollte einfach wissen, was tatsächlich hinter seiner Reserviertheit steckte.

„Um unserer Freundschaft willen würde ich mir wünschen, dass Ihr uns wenigstens bei den Mahlzeiten wieder Gesellschaft leistet“, meinte sie schließlich traurig.
„Wenn Ihr das wünscht, werde ich das tun“, erwiderte Faramir mit belegter Stimme.
Hilflos blickte er sie an. Er fühlte sich gefangen, in seinen Pflichten und in seiner Ehe.
Nimriel lächelte kurz und wünschte ihm eine gute Nacht, indem sie kurz seine Hand drückte.
Faramir blieb noch lange auf der Polsterbank sitzen und träumte von der Berührung ihrer sanften Haut.




Das Heer hatte inzwischen Pelargir erreicht, die große Hafenstadt am Anduin. Éowyn war bereits einmal dort gewesen: vor ungefähr einem Jahr, als in ihrer Ehe mit Faramir noch alles gestimmt hatte. Sie erinnerte sich wehmütig daran, wie ihr Faramir begeistert die Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeigt hatte und an die glücklichen Tage bei Fürst Falastur, dem Verwalter von Pelargir.
Die einfachen Soldaten des Heeres lagerten vor den Stadtmauern. Der König, die Heerführer und die Ritter durften im Anwesen des Stadtfürsten übernachten.
Éowyn war heilfroh, endlich baden und wieder ein sauberes Kleid anziehen zu können. Eine Zofe der Stadtfürstin richtete ihr die Haare und endlich konnte sich Éowyn wieder als richtige Frau fühlen. Sie merkte, wie sehr sie dies vermisst hatte, und es wurde ihr auch zur gleichen Zeit bewusst, dass der Feldzug noch nicht einmal richtig begonnen hatte. Der Weg nach Harad war noch weit.

Mit erhobenem Haupt suchte sie den großen Saal des Fürstenhauses auf, wo das Nachtmahl eingenommen wurde. Unterwegs begegnete ihr Falastur. Er war ein großer, stämmiger Mann mit grauem Haar und Bart.
„Was für eine Ehre!“ rief er erfreut aus. „Ich freue mich, die Fürstin von Ithilien in meinem Hause wieder einmal begrüßen zu dürfen. Allerdings wundere ich mich, dass Ihr ohne Eueren Gatten unterwegs seid.“
„Wie Ihr vielleicht schon gemerkt habt, nehme ich als Ritter Gondors an dem Feldzug nach Harad teil, während mein Gemahl den König in Minas Tirith vertritt“, erwiderte Éowyn stolz.
Falastur blickte sie verblüfft an. Für ihn war das eine Sache, die er erst verdauen musste. Es hatte noch nie eine Fürstin in Gondor gegeben, die in den Krieg gezogen war. Éowyn ließ ihn einfach stehen und betrat den Saal.

Dort standen Aragorn und Legolas, in vornehme Gewänder gekleidet, und unterhielten sich leise. Éowyn näherte sich ihnen verlegen.
„Du siehst wunderbar aus, Éowyn“, sagte der König lächelnd. „Kleider stehen dir einfach besser als Rüstungen.“
Sofort verfinsterte sich das Gesicht der Schildmaid. Aragorn hatte zu spät gemerkt, dass er gerade in ein Fettnäpfchen getreten war und entschuldigte sich umständlich. Éowyn jedoch wandte sich verstimmt von ihm ab und ging auf den Balkon. Im Grunde dachten doch alle Männer gleich von ihr. Niemand wollte anerkennen, dass sie in der Schlacht einen Krieger sehr gut ersetzen konnte. Enttäuscht blickte sie über das nächtliche Pelargir. Sie konnte vom Balkon aus bis zum Hafen sehen, doch sie mochte die Aussicht nicht genießen. Zu verbittert fühlte sie sich gerade.

„Éowyn, ich würde gerne mit Euch sprechen“, ertönte plötzlich Legolas’ sanfte Elbenstimme hinter ihr.
„Ja bitte“, murmelte Éowyn und wischte sich eine einzelne Träne weg, die ihr gerade über die Wange gelaufen war.
„Ihr mutet Euch viel zu auf diesem Feldzug“, sagte der Elb leise. „Das ist ein Werk für Männer und nicht für zarte Damen.“
„Ich bin robuster, als ich wirke“, erwiderte Éowyn fast patzig und funkelte Legolas feindselig an.
„Habt Ihr Euch schon einmal gefragt, was wirklich der Grund für all diese Wünsche ist?“ fragte Legolas bedrückt. „Liegt es nicht vielleicht an ungelösten Problemen zwischen Faramir und Euch?“

Éowyn wollte schon antworten, dass er davon nichts wissen könne, aber dann erinnerte sich über die besonderen Gaben der Elben, und sie schwieg erst einmal.
„Es ist wirklich ein schwerer Schritt für mich gewesen, diesen Wunsch durchzusetzen“, erklärte sie schließlich. „Glaubt nur nicht, dass Faramir mit Freuden zugestimmt hat. Er hat mir die größten Steine in den Weg gelegt.“
„Ich kenne Faramir inzwischen gut“, fuhr Legolas sacht fort und und sein Blick glitt über die nächtliche Stadt. „Er ist kein schlechter Mensch. Ich bin sicher, er wollte nur Euer Bestes. Er liebt Euch schließlich, Éowyn.“
„Da bin ich mir nicht mehr so sicher“, stieß die Schildmaid verbittert hervor.
Wieder stiegen Tränen in ihre Augen und sie senkte den blonden Kopf.

„Es scheinen harte Worte zwischen Euch gefallen zu sein“, fuhr Legolas einfühlsam fort. „Doch ich denke, dass Faramir das vielleicht alles nicht so gemeint hat, wie er es Euch sagte. Könnt Ihr Euch nicht denken, wie sich ein Mann und Krieger fühlt, dessen Weibe es plötzlich gelüstet, selbst Krieger zu sein? Er fürchtet die Konkurrenz und die Demütigung. Würde das nicht jeder Mann tun?“
„Faramir hat von Anfang an gewusst, wen er heiratet“, erwiderte Éowyn unsicher.
Sie begann an ihrer Unterlippe zu nagen. Der Elb hatte vielleicht gar nicht so unrecht: war es möglich, dass verletzter Stolz Faramirs Gemüt so verändert hatte?
„Ich kann mich an die Fürstin Ithiliens erinnern, die Schwert und Schild gegen einen Kräutergarten vertauschen wollte“, sagte Legolas nachdenklich. „Das war die Dame, welche Herr Faramir geehelicht hat. Nach einiger Zeit gab es plötzlich diese Dame nicht mehr, sondern wieder die Schildmaid. Was mochte Herr Faramir da wohl gedacht haben?“

Éowyn schwieg betroffen. Der Elb hatte ja so recht, so sehr recht.
„Seht meine Hände an“, sagte sie mit bebender Stimme und hielt sie ihm entgegen. „Es sind raue Hände einer Kriegerin und nicht die edlen, gepflegten Fingerchen einer Edeldame.“
Legolas nahm stirnerunzelnd ihre Hände in die Seinen und betrachtete sie.
„Ich sehe nur die Hände einer verunsicherten, jungen Frau“, meinte er kopfschüttelnd. „Euere Hände sind weder außergewöhnlich rau, noch besonders zart. Ihr habt niemals mit Faramir richtig darüber gesprochen, dass Euch das Kräuterziehen keine Freude bereitete. Ihr habt Euch nur als Versagerin gefühlt und stillschweigend das Schwert ergriffen. Faramir hat das natürlich nicht verstanden. Ihr müsst mit ihm reden. Nur so könnt Ihr Euere Ehe retten.“
„Wenn wir aus Harad zurück sind“, murmelte Éowyn betreten und verließ den Balkon völlig verunsichert.



Am nächsten Morgen suchte die Königin Faramir in seinen Gemächern auf. Der junge Truchseß nahm gerade ein leichtes Frühstück ein. Erschrocken erhob er sich und verneigte sich tief. Arwen lachte leise und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen.
„Ich habe gemerkt, dass Ihr meinen Rat befolgt habt und Nimriel aus dem Weg geht“, sagte sie freundlich. „Vielleicht hat sie nun begriffen, dass Ihr nichts von ihr wollt. Ich schlage vor, dass Ihr mit ihr einen kleine Ausrit nach Ithilien unternehmt.“
Faramir blickte die Königin völlig entgeistert an: hatte er das eben richtig gehört?
„Ich soll mit.... Nimriel....?“ begann er verwirrt zu stammeln.
„Ihr kennt Euch gut in den Wäldern dort aus“, fuhr Arwen fröhlich fort. „Nimriel scheint momentan unter Heimweh zu leiden. Ithilien könnte sie davon ablenken. Ladet sie in Euer Fürstenhaus ein und zeigt ihr die herrliche Natur Eueres Landes.“
„Aber ich muß den König vertreten“, meinte Faramir betreten. „Ich kann nicht so einfach weg.“
„Gondor wird nicht untergehen, wenn Ihr ein paar Tage Urlaub macht“, sagte Arwen breit lächelnd.
Faramir erhob jetzt keine Einwände mehr. Sein Herz hüpfte vor Freude, wenn er daran dachte, einige unbeschwerte Tage mit dieser schönen Dame verbringen zu dürfen. Sein Verstand dagegen wehrte sich: diese Zeit würde für ihn ein Spiel mit dem Feuer werden.

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