Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Faramirs Ankunft

Faramir erwachte an diesem Morgen mit einem gewaltigen Brummschädel. Er vertrug den schweren Wein aus Dol Amroth eigentlich nicht besonders gut, und schon gar nicht, wenn er ihn krugweise vertilgte. Mühsam erhob er sich aus seinem Polstersessel im Kaminzimmer und ging vorsichtig zum Fenster. Sein Nacken schmerzte ebenfalls, denn er war es nicht gewohnt, im Sitzen zu schlafen.  Als er die Vorhänge zurückschob, schloß er gleich wieder die Augen, geblendet vom hellen Sonnenlicht.
Mit einem leisen Stöhnen schlurfte er zum Zimmer hinaus und suchte den Waschraum auf.


Es dauerte etwa eine Stunde, bis er einigermaßen soweit war, um wieder an seinem Schreibwerk zu arbeiten. Ein Diener brachte ihm etwas zu essen: Obst, Käse und Brot. Doch Faramir rührte den Teller nicht an. Schon beim Anblick des Essens rebellierte sein Magen und der Diener musste die Speisen unberührt wieder mitnehmen. Das Einzige, was der junge Fürst an diesem Vormittag zu sich nahm, war klares Brunnenwasser. Es löschte seinen heftigen Durst und außerdem ließ es langsam den galligen Geschmack, den er unter der Zunge hatte, verschwinden.

Als er sich endlich halbwegs in seinem Dokumentenberg eingearbeitet hatte, meldete ihm Beregond die Ankunft eines Reiters. Faramir hielt inne und fragte sich, ob dies schon Mahrod war. Doch der Mann, der in seine Schreibstube trat, war ein Bote in der königlichen Rüstung mit der Seeadlerkrone auf der Brust.  Faramir blickte einen Moment lang irritiert auf das Wappen mit der Krone und den sieben Sternen darüber. Der Bote verneigte sich tief vor dem Truchseß und überbrachte ihm die Einladung zur Heerführerversammlung in Minas Tirith.
Faramir lachte ärgerlich auf, als er das vernahm.

„Hättet Ihr mir diese Botschaft nicht einen Tag früher bringen können? Dann hätte ich gleich zusammen mit meiner Gemahlin in die Stadt reiten können“, meinte er verdrossen.
Und hätte mir den Streit mit ihr vielleicht ersparen können, fügte er im Stillen hinzu.
„Es tut mir leid, mein Herr“, sagte der Bote unglücklich. „Der König gab mir den Befehl erst heute morgen.“



Faramir wollte sofort aufbrechen. Vielleicht war es nicht schlecht, wenn er seine Gemahlin so schnell wiedersah. Es gab schließlich einige Dinge zwischen ihnen zu klären. Er ging in das fürstliche Schlafgemach und zog sich für die Reise um. Für unterwegs wählte er eine edle Lederrüstung aus, die mit dem Weißen Baum Gondors verziert war.  Als Waldläufer hatte er seinerzeit eine ähnliche Rüstung getragen.  Er blickte einen Moment lang wehmütig auf den Langbogen, der schon lange nutzlos in der Ecke des Schlafgemaches stand. Irgendwie sehnte er sich fast an die alten Zeiten in Henneth Annûn zurück, als er noch mit seinen Waldläufern durch Ithilien gestreift war. Seufzend wandte er sich wieder seiner Kleidertruhe zu, um noch Kleidung für Minas Tirith auszuwählen. Schließlich ließ er sich von einem Diener noch eine kostbare Robe für die Heerführerversammlung einpacken.


Der Stallknecht aus Rohan hatte in der Zwischenzeit Faramirs Rotschimmel „Flammenmähne“ gesattelt. Der junge Fürst mochte den schweigsamen  Folchild nicht.  Nicht immer fügte sich der sture Rohir seinen Anordnungen. Éowyn jedoch hielt große Stücke auf Folchild. Am Anfang ihrer Ehe hatte Faramir seiner jungen Gemahlin viel nachgegeben: der große Saal des Fürstenhauses ähnelte inzwischen mehr einer Methalle Rohans und auch ansonsten gab es  in dem Gebäude viele Möbel, die an Rohan erinnerten und nicht daran, dass man sich eigentlich in Gondor befand. Faramir nahm sich vor, das irgendwann zu ändern. Wie er an den ständigen Streitigkeiten mit Éowyn merkte, schien sie sich ja trotzdem in Ithilien nicht wohlzufühlen.


Beregond, der Bote und einige Soldaten der Weißen Schar begleiteten den jungen Truchseß nach Minas Tirith. Stolz trug der treue Leibwächter Faramirs die Stange mit dem flatternden Banner des Fürstenhauses. Es zeigte den Weißen Baum und einen Halbmond darüber. Der Mond war das Wahrzeichen Ithiliens.  
Es war Nachmittag, als sie den Anduin in Osgiliath überquerten. Man hatte vor einigen Monaten damit begonnen, die Ruinenstadt wieder aufzubauen. In der Stadt wimmelt es von Arbeitern. Als sie den Truchseß erblickten, jubelten und winkten sie ihm zu. Faramir war für viele Männer genauso wie sein Bruder ein Idol gewesen, als er noch als Heermeister  Gondors in den Krieg gezogen war.  Zwar hatte der jüngere Mann nie so viele Heldentaten wie sein hochgelobter Bruder vollbracht, aber er war bei seinen Soldaten beliebt gewesen wie kein Zweiter.  

Faramir hatte jedoch für den Jubel der Männer heute keinen Sinn: seine Gedanken weilten bei Éowyn und er überlegte sich bereits im Geist, was er zu ihr sagen würde. Vielleicht sollte er ihr zukünftig ihre Ausflüge nach Minas Tirith einfach verbieten. Er konnte sich gut vorstellen, wie sich die Schwätzer auf den Straßen die Mäuler über das Fürstenpaar zerrissen.  Das war das Letzte, was Faramir wollte. Mit grimmigem Gesicht blickte er über den Anduin und es gab nicht wenige unter den Arbeitern, die sich fragend ansahen, denn solch einen finsteren Gesichtsausdruck waren sie von dem jungen Truchseß nicht gewohnt.
„Er ist eben doch der Sohn seines Vaters“, meinte einer von ihnen verächtlich und spuckte aus, als Faramir außer Sichtweite war.




Éowyn weilte in den Gärten der Häuser der Heilung als sie die Trompetenfanfaren unten am Stadttor hörte. Sie wusste, dass ihr Gemahl jetzt angekommen war und sie war alles andere als begeistert. Wenn ihr jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, dass sie sich einmal über Faramirs Ankunft nicht freuen würde, hätte sie denjenigen schallend ausgelacht. Doch inzwischen hatte sich vieles verändert. Traurig wanderte sie durch die Gärten und zupfte gedankenverloren einige Sommerblumen aus der Wiese. Emerwen beobachtete sie dabei vom Fenster aus und schüttelte besorgt den Kopf. Auch sie hatte die Fanfaren gehört. Éowyns Miene sprach Bände. Mit der Ehe des Fürstenpaares stand es nicht mehr zum Besten. Scheidungen waren in Gondor undenkbar. Faramir und Éowyn waren bis an ihr Lebensende an den Schwur gebunden, den sie bei der Eheschließung geleistet hatten.  Es war ein erschreckender Gedanke für die ledige,  junge Heilerin, mit einem Mann verheiratet sein zu müssen, den man nicht mehr liebte. Wie grausam musste solch ein Leben sein! Sie hatte großes Mitleid mit Éowyn, doch sie konnte ihr nicht helfen. Vor allem nicht, wenn sie auch weiterhin nicht über ihre Probleme sprach.

Es dauerte nicht lange und ein Bote erschien in den Häusern der Heilung, der Éowyn die Botschaft des Königs brachte, in der Zitadelle zu erscheinen. Mit Leichenbittermiene zog sich die Schildmaid ein schönes Kleid in leuchtendem Grün an und ließ sich rasch von ihrer Zofe Gwyneren die Haare richten. Dannach ging sie mit finsterer Miene hinauf zur Zitadelle.



Faramir hatte inzwischen das Königspaar begrüßt. Aragorn wirkte auf ihn ein wenig zurückhaltender als sonst, was den jungen Fürsten etwas irritierte. Er hoffte, bald mit Mahrod sprechen zu können. Nur Arwen war freundlich und offen wie immer.  
Faramir ging kurz in die Truchsessräume, um sich zu waschen und umzuziehen. Als er merkte, dass Éowyn offensichtlich hier nicht wohnte, ärgerte er sich von Neuem. Wie konnte sie es wagen,  an einem anderen Ort als er zu wohnen! Während er eine frische Tunika aus einem edlen blauen Stoff überzog, klopfte es an der Tür.
„Ich bin es – Mahrod!“ sagte der Anklopfer leise.

Faramir war natürlich neugierig und bat ihn sofort herein. Der Hufschmied aus Ithilien trat mit demütig gesenkten Haupt in das Gemach. Der Fürst knöpfte schnell noch seine Tunika zu und fragte dann seinen Spitzel nach Neuigkeiten.
„Oh ja, mein Herr, ich habe so einiges erfahren“, sagte Mahrod mit einem verschlagenen Lächeln. „In der Turmwache gibt es noch einige Männer, die ich von früher kenne und die sehr redselig sind.“
„Nun erzählt schon!“ drängte Faramir aufgeregt und verschränkte nervös die Arme vor der Brust.

„Euere Gemahlin hat gleich nach ihrer Ankunft das Königspaar aufgesucht“, fuhr Mahrod mit gedämpfter Stimme fort. „Es dauerte nicht lange, und Herr Aragorn schickte seine Gemahlin  aus dem Gemach. Ein Wächter hat das zufällig beobachtet, weil er gerade unter dem Balkon des Gemaches stand und den König reden hörte.“
Faramir wurde ganz weiß im Gesicht vor Eifersucht, als er das hörte. Was wollte der König von Éowyn? Warum war Arwen so arglos und machte dieses Spielchen mit? Es war doch ganz offensichtlich, dass Éowyn den König immer noch liebte und dieser anscheinend Gefallen an der Schildmaid gefunden hatte. Faramir ballte die Faust. Mahrod hielt mit einem unterdrückten Grinsen inne. Er ahnte fast, was der junge Fürst gerade dachte. Doch er wollte ihn nicht länger im Dunkeln tappen lassen.

„Der Wächter hörte dann, was Frau Éowyn mit dem König sprach. Sie bedrängte ihn, sie zum Ritter Gondors zu schlagen, damit sie an dem Kriegszug gegen Harad teilnehmen kann. Der König war zuerst dagegen, doch sie erinnerte ihn an ihre Heldentaten aus dem Ringkrieg. Er will jetzt ein gutes Wort für sie bei der Kriegsberatung einlegen.“
„Was?“ macht Faramir völlig verdattert.
Éowyn wollte also um jeden Preis kämpfen! Und sie nutzte ihre guten Beziehungen zum König aus. Am meisten ärgerte den jungen Fürsten aber, dass Aragorn sich hatte breitschlagen lassen. Darüber würde er mit dem König noch sprechen müssen. Allerdings erzürnten ihn Éowyns Pläne, sich zum Ritter Gondors schlagen zu lassen, über alle Maßen. Das war ein Skandal! So etwas hatte es noch nie in der Geschichte des Königreiches gegeben. Schildmaiden waren in Gondor undenkbar. Faramir war bis zum Äußersten entschlossen, gegen die Pläne seiner Gemahlin vorzugehen. Er war nicht dazu bereit, dass sie seinem Hause Schande bereitete, indem sie mit einem offiziellen Titel in den Krieg zog.

„Ich danke Euch, Mahrod“, sagte Faramir mit unterdrückter Wut und händigte dem Mann seinen restlichen Lohn aus.  „Ihr könnt nun nach Ithilien zurückkehren. Ich brauche Euch vorerst nicht mehr.“
Mahrod verneigte sich und verließ zufrieden das Gemach.

Faramir aber zog noch seine restlichen Gewänder an und machte sich dann mit hochrotem Gesicht auf den Weg in den Thronsaal. Wenn es sein musste, würde er Éowyn gleich dort vor den Anwesenden eine harte Lehre erteilen. Sie sollten ruhig alle wissen, wer der eigentliche Herr im Fürstenhaus von Emyn Arnen war.

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