Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Erste Begegnung

Mit verbissener Miene schritt der junge Truchseß durch die Gänge. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und jeder Bedienstete, welcher ihm über den Weg lief,  bekam seinen stechenden Blick zu spüren. Kurz bevor Faramir den Thronsaal erreichte, lief ihm eine junge Frau über den Weg. Sie trug ein einfaches, robustes Kleid mit einem ledernen Wams.  Ihr rabenschwarzes Haar fiel offen bis zu den Hüften herab.  Der Truchseß beachtete sie zunächst nicht und hielt sie sogar auf dem ersten Blick für eine Bedienstete.

„Verzeiht, mein Herr“, sagte sie plötzlich und hielt erstaunlicherweise seinem wütenden Blick stand.  „Ich suche meinen Vater. Vielleicht habt Ihr ihn ja gesehen.“
Faramir hatte schon eine rüde Antwort auf den Lippen, als ihm gerade noch auffiel, dass die junge Frau anmutig wie eine Elbin vor ihm stand und ihn mit ihren faszinierenden Rehaugen anblickte. Er schnappte nach Luft und hielt inne.
„Mein Herr?“ fragte Nimriel verwirrt. „Geht es Euch gut? Solch jemanden rufen lassen?“
„Wer seid Ihr?“ wollte Faramir mit belegter Stimme wissen und blickte erneut verwirrt in die großen, rehbraunen Augen.

„Ich bin Nimriel, Halbarads Tochter – eine Verwandte des Königs“, erklärte das Mädchen freundlich. „Und wer seid Ihr?“
Diese Frage erübrigte sich jetzt, weil in diesem Moment die Königin den Korridor entlangkam mit ihrem Kind auf dem Arm.
„Faramir, wie schön, dass du gleich gekommen bist“, sagte Arwen lächelnd.
„Meine Königin!“ sagte der Truchseß höflich und verneigte sich tief vor ihr.
„Ich sehe, dass du bereits mit Nimriel Bekanntschaft gemacht hast“, meinte die Elbin freundlich. „Später, nach der Kriegsberatung wird euch Aragorn offiziell einander vorstellen.
„Ich komme mit meinem Vater später zum Gastmahl nach“, sagte Nimriel rasch. „Von der Kriegsberatung halten wir uns besser fern. Ich nehme an, dass er wieder in unsere Gastgemächer zurückgekehrt ist.“

Faramir sah ihr mit verzücktem Blick nach. Dieses Mädchen hatte ihm auf Anhieb gefallen.  Er war beeindruckt von der Ruhe, die sie trotz ihrer Jugend ausstrahlte. Als Verwandte Aragorns hatte sie sicherlich auch elbisches Blut in den Adern. Ihre außergewöhnliche Schönheit deutete jedenfalls darauf hin. Arwen registrierte seine Begeisterung für Nimriel und sie musste unwillkürlich schmunzeln.


Éowyn wartete bereits im Thronsaal auf ihren Gemahl und sie fühlte sich sehr unwohl. Aragorn merkte ihre Nervosität und legte seine Hand beruhigend auf ihren Unterarm. Sie wusste, dass er ihr beistehen würde und das war sehr wichtig für sie. Die Heerführer Gondors waren bereits fast vollzählig versammelt. Fürst Imrahil fehlte, ließ sich aber durch seinen ältesten Sohn Elphir vertreten. Der hochgewachsene schwarzhaarige Mann mit den kalten, grauen Augen war Faramirs Vetter. Éowyn mochte ihn nicht. Elphir war ein Schleimer, der sein Fähnchen nach dem Wind hing.

Endlich ging die Tür auf und Faramir trat zusammen mit der Königin ein. Éowyn merkte, wie ihre Hände zu schwitzen begannen und ihr Atem rascher ging. Der Fürst blickte seine Gemahlin mit einem Blick an, der ihr durch Mark und Bein ging. Éowyn spürte, dass sie dadurch noch unsicherer wurde und sie ärgerte sich darüber. Faramir wusste als erfahrener Heermeister Gondors ausgezeichnet, wie man Menschen einschüchtern konnte und er spielte jetzt gekonnt diesen Trumpf aus. Aragorn durchschaute die Situation schnell und entschärfte sie, indem er Faramir über alle Maßen herzlich begrüßte mit Schulterklopfen und Umarmung. Der junge Truchseß war jetzt ein wenig überrascht und verlor sichtlich sein Konzept. Éowyn atmete leise auf und wandte sich  erleichtert Arwen  zu, die mit ihrem Kind zu ihr trat.  Die kleine Gilraen quietschte und schenkte der Schildmaid ein süßes, zahnloses Lächeln.  Éowyn streichelte ihre winzigen Wangen. Doch jetzt war es Zeit, die schlimmste Hürde zu nehmen: sie musste Faramir begrüßen, und niemand im Thronsaal sollte merken, dass Eiszeit zwischen dem Fürstenpaar herrschte.

Sie trat tapfer zu ihrem Gemahl hin und hauchte ihm einen Kuss auf die bärtige Wange.
„Wie schön, dass du jetzt gekommen bist, mein Gemahl“, sagte sie leise.
„Ich freue mich auch außerordentlich, dich wiederzusehen, meine Teuere“, erwiderte dieser triefend vor Hohn und seine blauen Augen funkelten merkwürdig dabei.
Éowyn erschauderte, als seine Lippen ihre Wangen berührten. Sie hatte das Gefühl, als würde sie ein Wildfremder küssen. Sichtlich irritiert trat sie einen Schritt zurück.

„Wir können zunächst etwas essen und trinken, bevor wir die Kriegsberatung beginnen“, schlug Aragorn vor, um die Stimmung etwas aufzulockern.
„Ich würde lieber gleich über den Kriegszug sprechen“, sagte Faramir und warf einen vielsagenden Blick auf Éowyn.
Die Schildmaid fühlte sich plötzlich durchschaut. Wußte ihr Gemahl vielleicht bereits, dass sie sich zum Ritter Gondors schlagen lassen wollte? Für einen kurzen Moment bereute sie ihren Entschluss, denn sie ahnte, dass es einen schlimmen Streit geben würde. Aber andererseits wollte sie nicht kleinbeigeben. Wenn sie sich jetzt Faramirs Willen fügte, würde sie nie wieder die Möglichkeit bekommen, in einen Krieg zu ziehen. Der heutige Abend würde die Entscheidung über ihre Zukunft bringen: entweder ein trübseliges Dasein als Fürstin zu verbringen oder als Ritter Gondors Ruhm zu sammeln.

„Gut, wie du willst, Faramir“, sagte Aragorn ernst und warf einen Seitenblick auf Éowyn, die sich zaudernd an den Beratungstisch setzte, während Arwen mit ihrem Kind und den Hofdamen den Saal verließ.
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihe der Heerführer Gondors, die dort bereits saßen. Es war nicht üblich, dass sich eine Frau an den Tisch setzte, selbst wenn sie die zweithöchste Dame des Königreiches war.
„Éowyn, meine Teuere, das Nachtmahl beginnt erst später“,  meinte Faramir spöttisch. „Dies ist kein Tisch für Frauen. Kriegsberatungen werden seit jeher nur unter Männern abgehalten. Ich denke, das ist auch in Rohan so Sitte.“
„Es hat einen guten Grund, dass ich hier sitze“, erwiderte Éowyn kühl und funkelte ihren Gemahl erzürnt an.
Faramir faltete gemütlich die Hände und nickte.
„Das kann ich mir denken“, sagte er schief grinsend. „Glaube ja nicht, meine Schöne, dass ich meine Zustimmung geben werde, dich zum Ritter Gondors zu ernennen.“
Wieder ertönte ein Raunen, dieses mal mit Entrüstung gemischt.

Aragorn wusste, dass er jetzt eingreifen musste, bevor es für Éowyn völlig zu spät war.
„Faramir, deine Gemahlin verlangt nichts Unmögliches!“ rief er entschlossen aus. „Soll ich dich – soll ich euch alle hier – erinnern, wer den Hexenkönig im Ringkrieg besiegt hat? Diese mutige Frau hat mehr Ruhm gesammelt als ihr alle miteinander. Wenn es jemand verdient hat, Ritter Gondors zu werden – dann sie!“
Sein Tonfall war richtig leidenschaftlich geworden und betretenes Schweigen trat unter den Heerführern ein. Nur Faramir lachte grimmig auf. Er klatschte spöttisch in die Hände.

„Gut gesprochen, mein König. Kurz und schön. Dann lasst uns ein Heer von Schildmaiden gegen Harad aufstellen, mit meiner Gemahlin als Heerführerin. Ich sehe schon jetzt, wie die Haradrim vor Furcht erzittern.“
„Faramir!“ Aragorns Stimme klang jetzt schneidend scharf wie ein Schwert. „Ich warne dich, Truchseß! Strapaziere unsere Freundschaft nicht bis zum Äußersten. Ich werde es nicht dulden, dass du in diesem Tonfall noch einmal mit mir sprichst.“
„Gut, dann werde ich nichts mehr sagen“, erwiderte Faramir gereizt und verschränkte die Arme.
Er blickte Éowyn erwartungsvoll an, ob sie sich noch einmal zu der Sache äußern würde. Aber sie saß nun eingeschüchtert am Tisch und hoffte, dass sich das Blatt zu ihren Gunsten wenden würde.

Zu Faramirs Erstaunen erklärte sich tatsächlich die Mehrzahl der gondorianischen Heerführer dazu bereit,  Éowyn zum Ritter Gondors zu ernennen und mitkämpfen zu lassen.  Nur Elphir und einige andere waren auf Faramirs Seite. Aragorn war erleichtert über diese Entscheidung. Nun konnte er guten Gewissens Éowyns Aufnahme in das Heer als Ritter Gondors befürworten.

Nach der Versammlung verließ Faramir wortlos den Thronsaal. Es war ihm egal, ob Aragorns Verwandte dann deswegen beleidigt waren. Er wollte jedenfalls am anschließenden Festmahl nicht mehr teilnehmen. Éowyn stand auf und war kurz versucht, ihm nachzulaufen. Aragorn jedoch hielt sie fest.
„Nein, jetzt nicht! Warte, bis er sich wieder beruhigt hat.“
Éowyn blieb also noch bei den Heerführern sitzen. Nachdem sie sich anfangs recht unwohl gefühlt hatte, begannen die Männer nun mit ihr zu reden. Sie wollten alles über ihren Kampf mit dem Hexenkönig wissen und Éowyn fühlte sich sehr geehrt. Aragorn sah lächelnd dabei zu. Er hoffte, dass mit ihr und Faramir wieder alles ins Lot kam, wenn dieser sich beruhigt hatte. Aber der König sollte sich gewaltig täuschen.
Später kamen Arwen, Nimriel und Halbarad in den Thronsaal. Der Vetter des Königs und seine Tochter wurden offiziell den Anwesenden vorgestellt.  Éowyn kannte Halbarad schon flüchtig von der Krönung.  Sie staunte jedoch darüber, dass der etwas verhärmt wirkende Waldläufer solch eine schöne Tochter hatte.


Als die Fürstin nach dem Mahl den Thronsaal verließ, um ihr Nachtquartier in den Häusern der Heilung aufzusuchen, sah sie ihre Zofe Gwyneren, die rohirrische Flüche ausstoßend quer über den Hof lief. Vor ihr marschierte Beregond, der eine Holztruhe auf dem Arm trug. Gwyneren trommelte wütend auf seinen Rücken, aber da Beregond eine Rüstung trug, spürte er gar nichts davon, sondern lachte nur.
„Was geht hier vor?“ fragte Éowyn den Leibwächter Faramirs empört.
„Ich bringe auf die Anweisung meines Herrn Euere Sachen aus den Häusern der Heilung in die Truchsesswohnung“, erklärte Beregond gelassen.
Éowyn war etwas verwundert darüber: sie hatte eigentlich damit  gerechnet, dass Faramir seine Ruhe jetzt vor ihr haben wollte.  Sie folgte Beregond und Gwyneren zu den Truchsessräumen, die im Südflügel der Zitadelle lagen.

Faramir stand mit einem Weinkelch am Fenster, als Éowyn eintrat. Er hatte seine offizielle Kleidung abgelegt, und trug nur noch eine weitoffenstehende Tunika, Hosen und Stiefel. Éowyn sah auf den ersten Blick, dass er sturzbetrunken war. Seine Augen rollten wild, als er sie sah, und er grinste höhnisch, wie er es in letzter Zeit immer tat. Er wartete noch, bis Beregond und Gwyneren die Räume wieder verlassen hatte und wandte sich dann Éowyn zu.
„Was hat das zu bedeuten?“ fragte sie mit klopfenden Herzen.
„Findest du nicht, dass eine Frau bei ihrem Manne wohnen soll?“ fragte Faramir mit leicht verwaschenener Stimme.
„Du bist ja schon wieder betrunken“, stellte Éowyn angeekelt fest und trat einen Schritt zurück.

Doch Faramir stellte den Weinkelch unsanft auf einem Tisch ab und packte sie urplötzlich an den Oberarmen.
„Ritter Gondors! Dass ich nicht lache“, fuhr er spöttisch fort.  „Ich werde dir gleich zeigen, wer hier wirklich Ritter Gondors ist.“
Mit diesen Worten drückte er sie auf das Bett in der Nähe. Éowyn war viel zu schockiert, um sich zu wehren.  Wenn er jetzt das tat, was sie befürchtete, wusste sie, dass er alles was zwischen ihnen jemals gewesen war, mit einem Mal zerstören würde.

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