Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Dicke Luft

Éowyn saß schluchzend bei ihren Freundinnen in den Gärten. Sie hatten sich eine ganz stille Ecke gesucht, wo sie ungestört waren. Dort hatte die Fürstin ihnen alles erzählt, was in letzter Zeit in ihrer Ehe schiefgelaufen war. Emerwen und Doreth wussten jedoch nicht so recht, was sie zu Éowyns Schildmaid-Plänen sagen sollen. In dieser Hinsicht hatten sie sogar Verständnis für Faramir. Es ziemte sich nicht für eine Dame, wie ein Mann in den Krieg zu ziehen. Éowyn spürte, dass ihre Freundinnen anderer Meinung waren als sie und das schmerzte sie. Niemand schien Verständnis für ihre Träume zu haben. Sie war in eine verkehrte Welt geboren worden: hier zählten nur Männer und ihre Taten. Dass sie den Hexenkönig vernichtet hatte, hatte man zur Kenntnis genommen und wieder verdrängt. Die Wahrheit schmeckte bitter. Sehr bitter.


Faramir hatte sich endlich angezogen und wollte ein wenig frische Luft schnappen. Sein Weg führte in in den Garten der Zitadelle. Diese Grünanlagen lagen gute fünfzig Fuß höher als die der Häuser der Heilung. Der junge Truchseß begann sofort zu schwitzen, denn es herrschte immer noch Hochsommer in Gondor. Er suchte die Schatten der Obstbäume im Garten auf. Zu seinem Erstaunen hörte er von dort zarte Harfenmusik. Er fragte sich, ob es Arwen war, die da spielte, denn die Musik klang so zauberhaft, wie von einer Elbenhand gespielt. Doch es war nicht die Königin, die im Schatten der Bäume musizierte, sondern die junge Verwandte Aragorns. Anmutig wie eine Elbin saß sie da und spielte auf der Harfe.  Jetzt erscholl ihre wundervolle Stimme und Faramir blieb wie bezaubert stehen. Er fühlte, wie seine Probleme mit Éowyn langsam in den Hintergrund traten und sein Herz wieder leicht und froh wurde. Plötzlich legte jemand sanft die Hand auf seine Schulter.

„Sie spielt wundervoll“, sagte Arwen entzückt und schenkte Faramir ein Lächeln. „Bereits als Kind beherrschte sie die Harfe wie kaum ein zweites Wesen auf Arda. Ich wurde schon in Bruchtal Zeugin ihres unglaublichen Könnens.“
Faramir konnte nur nicken und auch auf seine Lippen stahl sich ein Lächeln.  Leider bemerkte Nimriel in diesem Moment die beiden Zuhörer und hielt errötend in ihrem Spiel inne. Sie erhob sich und ging langsam auf Faramir zu.
„Ich habe Euch gestern abend beim Festmahl vermisst“, sagte Nimriel besorgt. „Ging es Euch nicht gut, Herr Faramir?“
„Ja, so könnte man es sagen“, druckste der junge Truchseß herum und schlug die Augen nieder.
„Nimriel, würdest du Faramir und mich bitte alleine lassen?“ fragte die Königin das junge Mädchen lächelnd.
Nimriel nickte und verließ rasch mit ihrer Harfe den Garten. Faramir sah ihr verzaubert nach.

Arwen nahm auf der Bank Platz, auf welcher gerade noch Nimriel gesessen hatte, und forderte den jungen Truchseß auf, sich neben ihr hinzusetzen.  Faramir ahnte, worüber die Königin mit ihm sprechen wollte. Sicher war sie von Aragorn  gesandt worden, um ihn zu beschwichtigen. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Zorn: der König kam selbst nicht mehr bei ihm weiter, und schickte ihm jetzt seine schöne Gemahlin.  Er schnaubte unwillig auf.
Arwen spürte, dass Faramir wütend war und sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm.
„Ihr habt soviel Zorn in Euch, mein Freund“, sagte sie mit ihrer sanften Stimme. „Zorn ist ein schlechter Ratgeber.“

Faramir spürte, dass ihre Worte ihn ruhiger werden ließen und er atmete tief durch.
„Ich weiß, was Ihr mit mir reden wollt“,  fuhr er mit leicht zitternder Stimme fort. „Ich soll Éowyn in den Krieg ziehen lassen und mich nicht mehr dagegen wenden. Ahnt Ihr eigentlich, wie ich mich fühle? Ich selbst werde hierbleiben und den König vertreten, wenn er in den Krieg zieht, denn ich werde nicht zusammen mit meiner Gemahlin Seite an Seite kämpfen. Das könnte ich nicht. Und hoffentlich wird das niemals jemand von mir verlangen.“
„Wir Elbenfrauen erlernen schon in unserer frühen Jugend das Kämpfen“, erklärte Arwen sacht und betrachtete eine Lerche, die oben in den Zweigen eines der Apfelbäume zu zwitschern begonnen hatte.  „Wir Elben sind der Meinung, dass sich jedes Wesen auf Arda wehren sollte – auch die Frauen.“
„Schön“, bemerkte Faramir lakonisch und blinzelte in die Sonne. „Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, dass eine Frau fähig sein sollte, sich mit dem Schwert zu wehren, wenn sie angegriffen wird. Aber meine Gemahlin scheint im Schwertkampf ihre einzige Erfüllung zu sehen.“

„Es scheint, Faramir“, erwiderte Arwen rasch. „Ihr sagt es selbst. Ihr wisst nicht, ob es stimmt. Vielleicht fehlt ja Éowyn etwas ganz anderes. Prüft einmal Euer Herz. Mir ist bereits gestern abend aufgefallen, als Ihr Euere Gemahlin begrüßt habt, dass keine Wärme in Euerer Stimme war. Euere Augen blickten so eisig, als Ihr Éowyn auf die Wange geküsst habt. Ist Euere Liebe für sie bereits erkaltet, so wie Euere Augen?“
Faramir blickte sie erstaunt an. Er hatte eigentlich ein ganz anderes Gespräch erwartet. Die Worte der Königin überraschten ihn zutiefst.  Er hatte nicht gewusst, dass sein gestriges Auftreten solch eine Wirkung verursacht hatte. Vielleicht hatte Arwen recht und er hatte wirklich eine gewisse Teilschuld an der ganzen Misere zwischen ihm und Éowyn.

„Was würdet Ihr mir raten?“ fragte er mit belegter Stimme.
„Ihr müsst erst die Liebe zu Euerer Gemahlin wieder finden“, erklärte die Königin mit einem leichten Lächeln und faltete ihre wohlgeformten Hände auf den Schoß. „Euer Herz ist voller Zorn und Missmut. Ganz tief darunter irgendwo ist die Liebe verborgen.“
„Ich wäre dankbar, wenn Ihr mir helfen würdet“, sagte Faramir bedrückt. „Vielleicht könnt Ihr mit Éowyn reden. Wenn Ihr meiner Gemahlin diesen unsinnigen Kriegszug ausreden könntet, würde ich einen neuen Anfang mit ihr versuchen. Ich kann mich ändern. Ich weiß, dass ich auch Fehler begangen habe. Doch Éowyn muß ebenso einen Schritt auf mich zu machen, indem sie ihre Kriegspläne aufgibt.“

Arwen erhob sich jetzt leise seufzend und betrachtete Faramir besorgt. Sie sah noch immer Zorn und Schmerz in seinen Augen, doch es war auch ein wenig Milde und Verzweiflung darin.
„Ich will es versuchen, mein Freund, aber ich kann nichts versprechen“, sagte sie leise und wünschte ihm noch einen schönen Tag.
Bedrückt blickte ihr Faramir nach und hoffte, dass die Königin Éowyn umstimmen würde.

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